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26. 12. 2012 - 16:42

Ein Jahr Netzpolitik

Rewind 2012: Der Jahresrückblick zur Netzpolitik 2012 gleicht einem Versuch, die einzelnen Wassertropfen der Donau zählen zu wollen.

von Sarah Kriesche

Was die Highlights oder auch Lowlights waren, hängt wohl stark davon ab, wen man fragt. Über Themenmangel konnte sich zumindest niemand beschweren. Die Vorratsdatenspeicherung, welche mit April in Österreich in Kraft trat, das Handelsabkommen ACTA, ELGA oder die CleanIT-Konferenz, die in Wien stattfand: Projekte und Gesetzesentwürfe schienen das Netz zu überfluten. Von der Sperrung der Tauschbörse Megaupload und der Verhaftung ihres Betreibers Kim.com, über die Verhaftung von Lulzsec-Mitgliedern bis hin zu einem Carderforum, das jahrelang vom FBI selbst betrieben worden war und deren Konsumenten nun gebusted wurden: auch die Exekutive war nicht untätig.

Backup und Prävention, das "A und O" im Netz

Otmar Lendl

Otmar Lendl

Otmar Lendl

Das Computer Emergency Response Team, kurz CERT, ist auch in Österreich die "Feuerwehr" im IT-Bereich. Die CERT-Mitarbeiter analysieren Schadsoftware, sprechen Warnungen aus und geben Tipps, wie man es verhindert, ein Opfer von Cyberkriminellen zu werden. Für Teamleiter Otmar Lendl stand vor allem Prävention und die Arbeit am richtigen Miteinander bei Worst-Case-Szenarien im Vordergrund:

"Wir betreiben in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt das Government-CERT in Österreich und im Zuge dessen gab es heuer zwei Übungen, wo wir geprobt haben, wie die Krisenkommunikation funktionieren kann und das hat zu sehr interessanten Ergebnissen geführt. Die Übungen waren ein Erfolg, weil es vor allem in Österreich damit ermöglicht wurde, die relevanten Prozesse durchzuspielen, durchzutesten und die Leute sowohl aus der Wirtschaft, von den Providern sowie die staatlichen Stellen an einen Tisch zu bekommen, das einmal durchzuspielen, zu schauen, wie kann das funktionieren, welche Informationsketten brauche ich, und dann darüber zu reflektieren, ob denn dieses Prozedere in der realen Welt, bei einem realen Vorfall auch funktionieren würde."

Von Ransomware, wo der Computer sozusagen in Geiselhaft genommen wird und die Daten nur gegen dementsprechende Bezahlung (eventuell) wieder freigegeben werden, bis hin zu Programmen, die mit Viren versucht wurden, die Grundregeln für sicheres Surfen bleiben jedes Jahr gleich und sind ein immer wiederkehrendes Mantra von CERT: "Wesentlich sind drei Punkte: Nur das installieren, was man selbst aktiv gesucht hat, das, was man hat, immer aktuell halten und das, was man nicht mehr braucht, wieder deinstallieren. Besonders wichtig sind Backups, wenn man zum Beispiel ein Opfer von Ransomware wird. Hat man ein Backup der Daten, stellen solche Angriffe kein Problem mehr dar."

Kampf um Bürgerrechte im digitalen Zeitalter

Logo von "Facebook vs. Europe", bestehend aus stilisierten Menschen-Figuren und Binärcode.

Facebook vs. Europe

Während Staaten versuchen, sich und ihre Infrastruktur zu schützen und auf dem neuesten Stand zu halten, mahnen Aktivisten und Vereine für Bürgerrechte, im digitalen Zeitalter dabei nicht auf die Netzneutralität, die Freiheit des Internets oder die Privatsphäre zu "vergessen". Denn Gesetze und Projekte, die illegale Aktivitäten wie Terrorismus im Internet verhindern sollen, gehen oftmals auf Kosten der Privatsphäre oder Persönlichkeitsrechte. Bekanntester Vertreter im Kampf um Digitale Bürgerrechte ist derzeit wohl Max Schrems, der gemeinsam mit anderen StudentInnen die Initiative "Europe vs. Facebook" gestartet hat, um Facebook zu zwingen, seine schwammigen Datenschutzrichtlinien an geltende EU-Norm anzupassen.

Und auch wenn der Kampf gegen den Giganten für viele aussichtslos scheint: Die Studenten geben nicht auf und haben vor kurzem eine Crowdfunding-Plattform ins Leben gerufen, um so das nötige Geld zu sammeln, um Facebook verklagen zu können.

Problemfall Vorratsdatenspeicherung

Thomas Lohninger

Thomas Lohninger

Thomas Lohninger

Wenn Thomas Lohninger, Sprecher der Initiative für Netzfreiheit und des "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" (AK Vorrat) auf 2012 zurückblickt, so waren für ihn die Hauptthemen vor allem die Vorratsdatenspeicherung, das Handelsabkommen ACTA, das Urheberrecht sowie die Netzneutralität:

"Ganz klar ein Highlight war die Bürgerinitiative mit über 100.000 Unterschriften gegen die Vorratsdatenspeicherung und die riesige Verfassungsklage mit über 11.000 MitklägerInnen, die wir gestartet haben. Dazu kam jetzt auch noch, dass der Verfassungsgerichtshof am 18. Dezember diese Verfassungsklage angenommen hat und dem EugH vorlegt. Was für uns sicherlich der größte Rückschlag war in diesem Jahr, ist, dass unsere Bürgerinitiative, obwohl sie so groß war, nicht ernsthaft irgendeine Konsequenz herbeigeführt hat. Stattdessen gab es diesen Tiefpunkt im Justizausschuss, als SPÖ und ÖVP uns schubladisiert haben, das war sicherlich einer der größten Dämpfer."

Anonymous: Zwischen Verhaftungen und Demonstrationen

Sei es im Internet oder als Teilnehmer bei Demonstrationen, das Kollektiv Anonymous mischt bei fast allen netzrelevanten Themen auf die eine oder andere Art und Weise mit. In Österreich gab es für uns dieses Jahr einen angeblichen Leak von brisanten Politiker-Emails, der sich als Aprilscherz rausstellte und auf unsere Transparenz durch die (tatsächlich eintretende) Vorratsdatenspeicherung aufmerksam machen sollte.

J4rkiLL

J4rkiLL

Im Zuge von "Project Chanology", ihrem Kampf gegen Scientology, veröffentlichte der österreichische Anonymous-Zweig außerdem Emails, welche Einblicke in die teils fragwürdigen Vorgangsweisen von Scientology geben. J4rkiLL, Mitgründer und -betreiber der Anonnews- Nachrichtendienste auf Twitter und Facebook (mit dem jeweiligen Länderkürzel, z.b. AnonnewsDE, AnonnewsAUT, AnonnewsCH), beteiligt sich an keinen illegalen Aktionen, doch er berichtet über das weltweite Geschehen und es verging kein Monat, an dem es keinen Aufreger gab. Wie auch Thomas Lohninger freut ihn besonders zu sehen, dass netzrelevante Themen partiell schon in der breiten Gesellschaft angekommen sind:

"Positiv berührt hat mich am 11. Februar die riesigen Demonstrationen gegen das Handelsabkommen ACTA, was sich ja letztendlich wieder auf Internetzensur und Internetüberwachung ausgelegt hätte. Aufgrund dessen sind in Deutschland alleine 125.000 Menschen bei minus 10 Grad auf die Straße gegangen und haben dagegen demonstriert, das hat mich schon ziemlich positiv beeindruckt. Negativ erschreckt hat mich am 6. März die Schlagzeile, dass Sabu und restliche Lulzsec-Mitglieder verhaftet worden sind, und dass Sabu ein angeblicher Informant des FBI ist, wo ja aufgrund dessen dann die restlichen Mitglieder der Splittergruppe Lulzsec, die ja für ziemliche Schlagzeilen gesorgt hat, enttarnt und verhaftet worden sind, weil er sie angeblich verraten hat."

Und die Zukunft?

2013 wird für alle in demselben Tempo weitergehen und einige Themen stehen schon an: Sei es das Urheberrecht, das EU-Projekt Indect, CleanIT, wo am 30. Jänner das Abschluss-Symposium stattfinden wird, oder die in Deutschland geplanten Gesichtsscanner zur Überwachung in Fußballstadien.