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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

23. 12. 2012 - 14:50

Im innersten Feuerkreis der Liebe

Der Song zum Sonntag: Phosphorescent - "Song For Zula"

Mathew Houck ist ein Traditionalist. Was aber im Falle dieses ursprünglich aus Alabama stammenden Musikers und Songwriters und seines Projekts Phosphorescent glücklicherweise eben nicht bedeutet, dass hier bloß die längst schon mit den Winden der Zeit verblasene Asche früherer glorreicher Tage angebetet würde. Hier wird in erster Linie versucht, die Flamme weiterzugeben. Die Flamme, die im Werk von Phosphorescent am heißesten sticht, ist seine große Liebe für die so genannte Outlaw-Country-Bewegung, die Ender der 60er-, Anfang der 70-Jahre ihren Ausgangspunkt hat: Wilde Hunde wie Waylon Jennings, David Allan Coe und - am prominentesten - Willie Nelson probten da den Aufstand gegen das Musik-Establishment von Nashville, wollten Krach, Lieder und Liebe machen, wie es ihnen in den Kram passte.

Man sang von Mord und Totschlag, dem Alkohol und der Liebe als gefährlichem Messerspiel. Man nahm Drogen und sprach darüber. Nicht wenige Protagonisten der Outlaw-Bewegung wurden später selbst immens erfolgreich und so – es ist freilich kein Einzelfall der Musikgeschichte - selbst Establishment. Was da so im Kreise dieser bärtigen Männer mit ungekämmtem Haar zusammenmusiziert und -gekrächzt wurde, darf heute zu weiten Teilen als Blaupause für eine Musik gelten, die etwas ungelenk „Alternative Country“ geheißen wird.

Phosphorescent

Phosphorescent

Phosphorescent

Mathew Houck befindet sich mit den bislang fünf Alben von Phosphorescent bei anderen Zottelbärten wie Iron & Wine, Will Oldham, dem König des Genres, oder auch – etwas handzahmer – Bon Iver in guter Gesellschaft. Hier werden Musik und alte Erzählformen bewahrt, aber eben auch weitergedacht und mit kleinen Drehungen versehen. Ein komplettes Album hat Phosphorescent 2009 Willie Nelson und dessen Werk gewidmet, mit seinem neuesten Song schreibt er sich jetzt wieder überdeutlich und ohne Scham in die Geschichte des Country ein: „Song For Zula“ heißt das eben veröffentlichte Stück, das als Vorbote zum Anfang 2013 – beim famosen Label Dead Oceans – erscheinenden, sechsten Phosphorescent-Album namens „Muchacho“ fungiert; es zitiert gleich in den ersten Zeilen „Ring of Fire“ – einen der wohl bekanntesten und erfolgreichsten Country-Songs überhaupt.

„Some Say Love Is A Burning Thing“, singt Mathew Houck, „That It Makes A Fiery Ring“. Johnny Cash, bekanntlich kein Kind von Traurigkeit und Wegbereiter der Outlaw-Bewegung, hat das Stück „Ring Of Fire“ zwar populär gemacht, geschrieben aber haben es der Musiker Merle Kilgore und June Carter – die spätere Ehefrau von Johnny Cash. Der Ring aus Feuer ist hier also eine Metapher für die Liebe und das böse In-Sie-Hineinfallen. Liebe als aufregender Drahtseiltanz, als riskanter Ausritt gegen jede Vernunft, auch als etwas Verbotenes. June Carter schrieb den Song für Cash zu einer Zeit, in der beide schon ineinander verliebt, durch Ehe aber an andere Partner gebunden waren.

In „Song For Zula“ von Phosphorescent will sich Mathew Houck aber nun einreden, dass beim ihm und der Liebe nicht mehr allzu viel brennt, alles ist ein Verblassen: „Oh but I Know Love As A Fading Thing“, singt er weiter oder auch „I Will Not Open Myself Up This Way Again“. „Song For Zula“ ist ein Selbstbeschwichtigungs-Song: Hier hat ein Mann die Liebe gesehen und sich aufgemacht – jetzt ist er am Ende. Phosphorescent beschwört die Liebe als strahlende Kraft, aber auch - in seinem Zustand das viel stärkere Gefühl – als böse, zerstörerische Macht. Ein Mann ist am Boden, mag es sich aber nicht eingestehen. Es muss weitergehen: „But My Heart Is Wild. And My Bones Are Steam.“

Am Ende dieser Verzweiflungs-Ballade, die von bittersweet jauchzenden Streichern ebenso getragen wird wie von einem gemächlichen Rhythmus, der das zähe Weiterkommen abbildet, steht ein möglicher Mord: “And I Could Kill You With My Bare Hands If I Was Free.” Die Liebe ist ein tödlicher Jazz und ein komplizierter Apparat mit bedenklichen Kabeln drin. Im Leben haben muss man sie aber eben trotzdem.