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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

22. 12. 2012 - 14:13

Die wahre Geschichte vom Weihnachtsmann

Der 21. Dezember ist vorbei und auch in Berlin ist der erwartete Weltuntergang ausgeblieben - das heißt, jetzt kann man sich endlich voll und ganz auf Weihnachten konzentrieren.

Bislang war ja bei all dem Rummel und dem feuchten Regenwetter das richtige Weihnachtsgefühl ausgeblieben. Der Glanz des Festes ist da schwer auszumachen, aber wer kleine Kinder um sich herum hat, kann sich durch deren Vorfreude ein wenig anstecken lassen.

Dabei fällt auf, dass die Geschichten von Weihnachten und von den Geschenken, die da jemand bringt, ganz unterschiedlich erzählt werden, die verschiedensten Figuren und Vorstellungen sind da im Umlauf. Kein Wunder, Berlin gilt ja als die Atheistenhauptstadt Europas, nur noch 36% der Bevölkerung hier sind konfessionell gebunden. Die konfessionslosen Berliner und die mit islamischem Hintergrund feiern zwar auch gerne Weihnachten und beschenken sich – aber da gibt es unterschiedliche Versionen zur Frage, wer jetzt eigentlich am 24. Dezember kommt und die Geschenke bringt. Die Berlin-Migranten aus Süddeutschland und den katholischen Gegenden wissen zumindest: Am 24. kommt das Christkind und nicht dieser ominöse Weihnachtsmann mit weißem Rauschebart. Der Nikolaus samt Knecht Ruprecht (Krampus) war nämlich schon am 6. Dezember da.

Der europäische Weihnachtsmann ist eine Version des heiligen Nikolaus, dessen Fest die katholische Kirche am Beginn der Adventszeit feiert und der schon im Mittelalter bei Kindern als Gabenbringer beliebt war. Die Nikolausgeschichte ist allerdings im Kollektivgedächtnis der Berliner bald ausgestorben und das Christkind erst recht. Allgegenwärtig hingegen ist der moderne, globalisierte Weihnachtsmann, der ja auf eine Werbefigur von Coca Cola zurückgeht, am Nordpol wohnt und die Geschenke mit dem Rentierschlitten bringt.

Shou Xing, der Gott des langen Lebens

Shou Xing

Shou Xing, der Gott des langen Lebens.

Thomas Hauschild, Professor für Ethnologie, hat sich in seinem Buch "Weihnachtsmann. Die wahre Geschichte" der Frage nach dem Ursprung des Weihnachtsmanns angenommen. Auch für den Ethnologen ist der Heilige Nikolaus, ein Bischof aus Kleinasien, der Urtyp aller Weihnachtsmänner. Der starb an einem 6. Dezember und prägte den Weihnachtsmann-Look: weißer Bart, hohe Stirn. Aber der Weihnachtsmann ist keine rein christliche Figur, denn schon in vorschristlicher Zeit ging es in heidnischen Winterbräuchen ums Strafen und Schenken, diese Mythen wurden dann später mit der Legende um den Heiligen Nikolaus verwoben. Einen Verwandten des Nikolaus entdeckte der Völkerkundler sogar im fernen China: Shou Xing, den Gott des langen Lebens. Die Ähnlichkeiten mit Nikolaus sind frappierend: Shou Xing hat eine hohe Stirn, trägt Bart und verschenkt Dinge, manchmal wird er auch in einem roten Mantel und von Hirschen umgeben dargestellt.

Der moderne, globalisierte Weihnachtsmann ist zwar seiner christlichen Bedeutung beraubt, aber dadurch eine fast weltumspannende Figur geworden, er beschenkt Kinder aller Nationen und Religionen. Und mag er ursprünglich aus der Werbung kommen, er durchbricht das ökonomische Spiel des Gebens und Nehmens. Denn der wahre Spender der Gaben , die Eltern und Großeltern, werden verheimlicht, das Schenken wird an einen Dritten delegiert.

verschiedene Weihnachtsmänner

S. Fischer Wissenschaft

Wer ist jetzt der Echte?

Den "Zwangscharakter" (Marcel Mauss) der Gabenökonomie, das manchmal anstrengende und eitle Schenken, dass den Beschenkten zu einer Gegengabe nötigt, fällt bei den Geschenken des Weihnachtsmanns flach. Das Motiv des grundlosen Schenkens, fand der Ethnologe heraus, findet sich in Drogenbräuchen, Winterbräuchen, rituelle Praktiken jeder Art. Und es gibt eine archetypische Figur, einen, der fähig ist, raus zu gehen und reinzukommen, wie er will, einen, der hat etwas dabei und das gibt er einfach so her. Und bedenkt man dieses Grundmuster, dann hat der Weihnachtsmann doch auch heute immer noch so etwas wie Spiritualität. Und das Christkind sowieso!