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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

26. 12. 2012 - 10:50

Bilderrausch

Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" ist von Jakob Hinrichs in eine Graphic Novel adaptiert worden.

Vater, Mutter, Kind und kompliziertere Familiengeschichten: FM4 widmet sich in den Weihnachtsferien den Familien in der Literatur. Nicht klassischen Familien, sondern Familien-klassikern bzw. Klassikern, in denen die Familie eine wichtige Rolle spielt.

Wer kennt sie nicht, die "Traumnovelle"? Die Geschichte um den Arzt Fridolin, seine Frau Albertine und deren gemeinsamer sechsjähriger Tochter, die in Wien in den 1920er Jahren spielt.

Fridolin arbeitet und Albertine kümmert sich um Haus und Kind. So weit, so normal. Irgendwann gesteht Albertine ihrem Mann sexuelle Phantasien mit einem jungen Mann, den sie im Sommerurlaub in Dänemark gesehen hat. Im Gegenzug erzählt ihr Fridolin, dass er damals von einem jungen nackten Mädchen fasziniert war.

Frau mit Lippenstift

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Tags drauf überschlagen sich die Ereignisse in Fridolins Leben: Die Tochter eines verstorbenen Patienten gesteht ihm ihre Liebe, er folgt einer Prostituierten, traut sich dann aber doch nicht auf ihr Angebot einzugehen und trifft in einem Kaffeehaus auf einen alten Bekannten, der Pianist ist und ihm von seinem guten Engagement erzählt: er spielt an einem geheimen Ort Klavier – während neben ihm Orgien gefeiert werden.

Kostümladen

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Das will Fridolin mit eigenen Augen sehen und schleicht sich verkleidet bei der Orgie ein. Natürlich fliegt er auf – aber eine unbekannte Frau will sich für ihn "opfern".

Menschen am Pool

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Es ist ein Rausch aus Begierden und Sehnsüchten, auch - oder gerade - außerhalb der Ehe. Ein Rausch, der die Grenzen zwischen Träumen und Realität immer wieder durchbricht. Wiegt ein Treuebruch im Traum genauso schwer wie einer in Realität?

Auf diese vielschichtige Suche nach Begierden hat sich Arthur Schnitzler vor fast 90 Jahren begeben – aktuell ist sie immer noch. Die Aktualität und Zeitlosigkeit der Traumnovelle habe ihn besonders beeindruckt, erzählt der Berliner Illustrator Jakob Hinrichs, der die Traumnovelle in eine Graphic Novel adaptiert hat.

Wecker

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Diese Zeitlosigkeit unterstreicht er mit seinen Illustrationen, die wie Siebdrucke wirken. Dabei beschränkt er sich auf die vier Farben gelb, rot, blau und schwarz. Auch wenn diese stark reduzierten Illustrationen und vor allem die verwendete Typographie an Sujets und graphische Arbeiten der zwanziger Jahre erinnern, bricht Jakob Hinrichs das immer wieder mit Referenzen an die Gegenwart.

So gibt es in dieser Graphic Novel etwa einen digitalen Radiowecker, aus dem "How can we hang on to a dream" oder "Eternal sunshine" erklingt. Im Kostümverleih werden auch Mickey-Mouse- oder King-Kong-Kostüme angeboten.

Cover Traumnovelle: Mann mit Hut

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Arthus Schnitzler: Traumnovelle. Eine Graphic Novel von Jakob Hinrichs. Edition Büchergilde 2012

Das Genre Comic war für Jakob Hinrich geradezu ideal, da in der Originalgeschichte nicht immer klar sei, ob Fridolin schon träumt oder ob er Halluzinationen habe, erklärt er im Interview.

In manchen Bildsequenzen reizt Jakob Hinrichs das Genre Comic aus – wenn etwa der Tagesablauf von Fridolin dem von Albertine gegenüber gestellt wird. Auf einer Doppelseite sieht man in der Mitte das Haus der Familie, Albertina macht die Betten, sonnt sich auf der Terrasse und spielt mit der Tochter.
Um dieses mittlere Bild reihen sich über 30 kleine Bilder, die das abwechslungsreiche Alltagsleben des Arztes zeigen. Ohne Worte wird hier klar, wessen Alltag nur auf das Haus reduziert ist und wer sich in einer vielseitigen Welt bewegt.

Ein Haus

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Für den Text verwendet Hinrichs vereinzelte Zitate aus der Traumnovelle – ergänzt um einige Sätze. Die entfernen sich mitunter weit vom Original – wie etwa am Beginn, als Fridolin und Albertine auf einem Rummelplatz von Schaustellern mit Berliner Akzent angemacht werden. Diese Szene wirkt generell etwas verloren und verwirrend.

Würde man nur diese Graphic Novel lesen, ohne Schnitzlers Traumnovelle zu kennen, würde man die Geschichte kaum verstehen. Zu vereinfacht, reduziert und an manchen Stellen verspielt ist der Comic.

Drei Männer mit Benzinkanister, einer mit Aktenkoffer

Jakob Hinrichs / Edition Büchergilde

Im Anhang der Graphic Novel findet sich jedoch der Erstdruck der Buchausgabe der Novelle. Durch diese Ergänzung ergibt sich eine farbenprächtige Ausgabe der "Traumnovelle", in der die bizarren Wünsche, Vorstellungen und Begierden von Fridolin und Albertine plakativ dargestellt werden. Und einmal mehr erkennt man die Zeitlosigkeit von Arthur Schnitzler.