Erstellt am: 18. 12. 2012 - 16:23 Uhr
Was heißt "Politik machen" wirklich?
Das Interview mit Martin Dowalil hat Rainer Springenschmid geführt.
Ernsthafte Spaßpartei
Rainer Springenschmid hat Martin Dowalil kurz nach seiner Wahl in Waidhofen an der Ybbs besucht.
"Ich wollte einfach am eigenen Leib erfahren: Was heißt 'Politik machen' wirklich?" Martin Dowalil hat vergangenen April in Waidhofen an der Ybbs mit einem Spaß- bzw. Kunstprojekt für den dortigen Gemeinderat kandidiert - und auf Anhieb 5,7 % bzw. zwei Mandate errungen. Jetzt sitzt er im Gemeinderat und versucht - möglichst transparent für alle Bürgerinnen und Bürger - mitzubestimmen.
FM4/Rainer Springenschmid
Es hat eine Zeit lang gebraucht, bis er das Procedere im Gemeinderat durchschaut hat: "Wenn ich jetzt nur zu Gemeinderatssitzung gehen würde, verstehe ich nicht: Warum muss genau dort diese Straße oder jener Kanal entflochten werden und nicht woanders. Es gibt aber die ganzen Fachausschüsse, dort sitzen die zuständigen Magistratsbeamten, die mir erklären können, warum und wie was gemacht werden muss. Wenn ich dazu eine Frage habe, kann der mir das aus erster Hand erklären und ich bin nicht abhängig von Informationen aus zweiter Hand. Mir hilft dieses Hintergrundwissen dann wieder dabei, wie ich mich bei der Abstimmung verhalte. Ich kann dann besser beurteilen, ist das sinnvoll oder nicht. Das ist das Schöne an meiner jetzigen Tätigkeit", erzählt Martin Dowalil von seinem Politiker-Alltag.
Zwar sei er am Anfang schon ein wenig misstrauisch beäugt oder nur für einen Spaßvogel gehalten worden, sagt er. Aber mittlerweile habe er das Gefühl, dass ihn die Beamten ernst nehmen bzw. dass sie sich auch nicht hinter seinem Rücken über ihn lustig machen. "Ein Budget ist gar nicht so einfach zu lesen – das wissen die auch!"
Was ihn an seiner Tätigkeit stört, ist, dass gewisse Sachen – oft auch unangenehme – der Öffentlichkeit vorenthalten werden, das heißt, sie werden in nicht öffentlichen Gremien beschlossen. "Oft erfährt nur derjenige, den es betrifft etwas davon. Das sind oft Micky-Maus-Sachen wie Mietzuschüsse in der Innenstadt - da verstehe ich ja noch, dass das nicht alle etwas angeht, weil es sonst böses Blut geben könnte. Es geht aber auch um ganz große Brocken, wie eine LED-Umstellung der gesamten Straßenbeleuchtung oder einen SWAP-Deal, wo Steuergeld von uns allen drinhängen. Das sind Dinge, wo ich noch versuche, dagegen anzukämpfen."
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Ein definiertes Ende hat Martin Dowalils Experiment vorerst noch nicht. Ob er bei den nächsten Gemeinderatswahlen wieder antritt, lässt er sich noch offen: "Wenn ich in fünf Jahren sehe, ich hab nichts gestalten oder bewirken können, dann habe ich das Recht für mich zu sagen: 2017 kandidiere ich gar nicht mehr. Wenn ich aber sage: Es war eine schöne Erfahrung und ich habe gesehen, wenn man sich engagiert, kann man da auch mitreden und etwas verändern, dann wird der Bürger entscheiden: Hat der für mich was Sinnvolles gemacht? Oder war es eh wurscht, was der gemacht hat."