Erstellt am: 17. 12. 2012 - 16:21 Uhr
Stiefkind-Adoption für Lesben und Schwule
Sogenannte „Regenbogenfamilien“ entstehen auf verschiedenste Art: Paare bringen Kinder aus früheren Beziehungen mit; Paare haben Kinder von anonymen Samenspendern; es gibt Paare mit Pflegekindern; oder Paare in denen eine Partnerin oder ein Partner ein adoptiertes Kind hat.
Today's Reality Check
Riem Higazis Reality-Check-Beitrag über die Situation in der Schweiz
Rechtlich steht eine Regenbogenfamilie allerdings immer auf wackeligen Beinen. Denn: zwei Lesben oder zwei Schwule können ein Kind nicht gemeinsam adoptieren – nicht einmal, wenn es sich um das Kind des Partners oder der Partnerin handelt. Und wenn das Paar in einer Eingetragenen Partnerschaft lebt, dann ist die Stiefkind-Adoption in Österreich sogar ausdrücklich ausgenommen, sagt Barbara Schlachter von Familien Andersum Österreich: "Im Partnerschaftsgesetz wird explizit verboten, dass der oder die eingetragene Partnerin das leibliche Kind des oder der Partnerin adoptiert. Dieser Mensch dürfte also laut österreichischem Gesetz jedes Kind der Welt adoptieren, nur nicht das Kind des eigenen Partners oder der eigenen Partnerin". Im Jahr 2012 ist das die Realität der absurden österreichischen Gesetzgebung.
FAmOS
Ein Kind in einer österreichischen Regenbogenfamilie kann also immer nur einen Elternteil haben. Das, sagt Schlachter, sei ein großer Nachteil für die Kinder. „Es ist natürlich immer besser, zwei Erwachsene im Rücken zu haben, die für das Kind Verantwortung übernehmen. Und das geht bei uns halt nicht.“ Im schlimmsten Fall, nämlich wenn der leibliche Elternteil stirbt, steht das Kind in Österreich als Vollwaise da, weil der Eingetragene Partner des Verstorbenen keine Elternschaft hat.
Der Schweizer Nationalrat hat vor wenigen Tagen die Stiefkindadoption für Homosexuelle mit großer Mehrheit, nämlich 113 zu 64 Stimmen, beschlossen. Gegen das Recht auf Stiefkind-Adoption war nur die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei. Bei der Diskussion vor der Abstimmung rief etwa der sichtlich aufgeregte SVP-Abgeordnete Oskar Freysinger: „Ich bin dagegen, dass man Kinder für solche sexuell-sozialen Experimente missbraucht. Ich bin dafür, dass Kinder in harmonischen Familien aufwachsen, und dazu gehören nun einmal ein Vater und eine Mutter. Soweit ich informiert bin, haben zwei Männer oder zwei Frauen noch nie ein Kind gezeugt.“
Termin: Familien Andersrum Österreich Österreich veranstaltet am 12. Jänner 2013
einen "Regenbogenfamilien-Tag" im Gugg, dem Vereinslokal der HOSI Wien.
Barbara Schlachter freut sich für die gleichgeschlechtlichen Paare in der Schweiz. Nicht nur weil ihr Verein "Familien Andersum Österreich" eng mit dem Schweizer Dachverband Regenbogenfamilien zusammenarbeitet, sondern auch, weil das Schweizer Gesetz für die Eingetragene Partnerschaft als Vorbild für die österreichische Regelung diente: "Nun hat die Schweiz ihr Partnerschaftsgesetz erweitert – ich hoffe sehr, dass Österreich sich auch daran ein Beispiel nimmt."
Allerdings findet hierzulande auf Regierungsebene derzeit keine Debatte zum Thema Stiefkind-Adoption statt. Seit 2010 mussten alle noch so kleinen Verbesserungen für eingetragene Partner durch Klagen vor Höchstgerichten erzielt werden. Auch gegen das Verbot der gemeinsamen Adoption liegt derzeit eine Klage von zwei lesbischen Österreicherinnen vor, und zwar am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.