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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

16. 12. 2012 - 16:33

Immer noch Nebel

Der Song zum Sonntag: Beliefs - "Catch My Breath"

Vor kurzem erst hat sich das schön verträumte Sternschnuppengucker-Duo Beach House in einem Interview ein bisschen darüber beschwert, dass die Leute wohl allzu oft immer nur über den "Sound" ihrer Band - und auch den anderer Bands - sprechen und dann meinen, dass der eben vielleicht im Laufe von vier Alben keine großen Salti geschlagen hat und doch sehr ähnlich geblieben ist, der Sound. Die Menschen sollen sich doch auch mal die eigentlichen Lieder genauer anhören, sagen Beach House. Da gibt es außer Hall und Nebel und Gefühlswabern auch interessante Konstruktionen und eventuell gar Texte zu entdecken.

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über "Catch My Breath" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Einen Sound, der ebenfalls schon dreihundert und ein Mal erprobt worden ist, pflegen auch die Beliefs aus Toronto. Das kanadische Duo, so geht die Legende, hat sich über einer gemeinsamen Liebe für britische Bands wie My Bloody Valentine, Slowdive und The Jesus and Mary Chain kennengelernt und verbündet - Bands also, die gemeinhin unter dem schönen Wort "Shoegazing" zusammengefasst werden. Bands, die in den mittleren 80ern und frühen 90ern feine Gitarrenpop-Songs mit Gitarrenlärm, Rauschen und Effekten zugekleistert haben. Und weil ja immer alles mehr und mehr wird, ist das Revival, die Erneuerung und die Bezugnahme mit Bands wie Deerhunter, TOY, den Pains of Being Pure at Heart und vielen, vielen schlechteren Bands aktuell schon längst breiter, vielfältiger und länger andauernd als die eigentliche, knappe Phase des originalen Shoegazing.

Beliefs

Laura Lynn Petrick

Beliefs

Der Song "Catch My Breath", der Vorbote zum Anfang 2013 erscheinenden Debütalbum von den Beliefs, ist jetzt genau so ein vernebelter, verwaschener, ganz und gar wunderbarer Popsong, der in das schemenhafte Schema passt. Der Song beginnt mit Gitarrendröhnen, er endet mit Gitarrendröhnen. Dazwischen steht ein herrliches und herrlich süßliches Lied, voll mit cremefarbener Sehnsucht und mit Verlangen nach Zartem. Den Text kann man nicht so genau verstehen, auch hier ist alles ein Hauchen und von einem wohligen Wind verblasen, auf jeden Fall reimt sich aber "Mist" - der Dunst, der feuchte, leichte Nebel - auf "Kiss". Das Leben ist flüchtig und weich.

Es ist schon alles gesagt worden, nur bloß noch nicht von allen, heißt es. Das stimmt zwar gar nicht, aber so ein Lied wie dieses hier, das darf mindestens alle zwei, drei Jahre neu erzählt werden. Nebenbei lauschen wir also dem Stück "Catch My Breath" und versuchen mit geschmeidigen Schnappbewegungen des Mundes den Atem eines besonders lieben Menschen zu fangen. Der schmeckt, ein bisschen nach diesen scharfen, kristallblauen Atembonbons, eigentlich immer frisch.