Erstellt am: 14. 12. 2012 - 15:58 Uhr
Österreich unterschreibt ITU-Vertrag nicht
"Wie die anderen EU-Staaten wird Österreich diesen Vertrag nicht unterzeichnen", lautete die Auskunft aus dem Verkehrsministerium auf eine Anfrage von ORF.at.
Das Schlussdokument der Konferenz der International Telecommunication Union (ITU), die in Dubai heute zu Ende gegangen ist, enthalte nämlich einen Passus, welcher "der ITU Kompetenzen über das Internet zuschreibt" hieß es aus dem Ministerium weiter, das könne Österreich ebenso wie die anderen EU-Staaten nicht akzeptieren.
Das vorläufige Ergebnis ist, dass insgesamt 55 ITU-Mitgliedsstaaten nicht unterzeichnen, 89 haben angeblich gezeichnet, oder ein entsprechende Erklärung abgegeben. Insgesamt umfasst die ITU 192 Staaten.
ITU und die Internetkompetenz
Die ITU hatte und hat mit der Entwicklung des Internets nicht viel mehr zu tun, als mit den Glasfaserkabeln, die den Internetverkehr transportieren. Die Kabel wie auch die regionalen Netze gehören überwiegend ITU-Mitgliedern, den Telekoms rund um die Welt.
Die Novellierung der "International Telecom Regulations" in denen die globale Zusammenarbeit dieser Unternehmen geregelt wird, war das erklärte Ziel der Konferenz in Dubai. Beschlossen wurde zum Beispiel eine transparentere Gestaltung der Roaminggebühren unter den Mobilfunkbetreibern weltweit, Unterstützung für afrikanische Binnenstaaten bzw. Inseln beim Anschluss an weit entfernte Glasfaserleitungen an der Küste u.a.. Das sind die Kernkompetenzen der International Telecommunication Union, neben der Vergabe von Funkfrequenzen.
Zuständig, irgendwie
Im Vorfeld hatte sich der Konflikt schon abgezeichnet, der sich in den letzten 48 Stunden des Kongresses dann entladen hatte. Eine Gruppe um Russland, China, dem Iran, Saudi Arabien und eine ganze Reihe anderer Staaten mit unterschiedlichen, totalitären Regierungsformen, hatte nichts unversucht gelassen, irgendeine Zuständigkeit der ITU für das Internet im Text unterzubringen.
In seinen letzten 48 Stunden war dieser Weltkongress zur Telekommunikation für ITU-Verhältnisse völlig aus dem Ruder gelaufen, es fand sogar eine Art Kampfabstimmung statt. In diesem und anderen ITU-Gremien wurde über Beschlüsse bis jetzt nie abgestimmt, stets wurden "Kompromisse" verabschiedet.
Die dann tatsächlich eingereichten Anträge waren nachgerade moderat gegenüber früheren zum Thema eingereichten ITU-Dokumenten. Unter Federführung Chinas wurde ein Antrag auf eine ITU-Überwachungsnorm für Glasfasernetze eingebracht.
Telefonwählämter
Das macht auch Sinn, wenn technische Schlussfolgerungen aus physikalischen Gegebenheiten politische Entscheidungen notwendig machen. Das wohl beste Beispiel dafür ist die ITU-Radiokonferenz. Für die Vergabe, Zuteilung und weltweite Harmonisierung von Frequenzen für Funkanlagen von Schnurlostelefon bis Radar, WLAN bis TV-Kanäle sind Kampfabstimmungen ein gänzlich ungeeignetes Mittel.
Dasselbe galt zum Beispiel auf der letzten ITU-Konfertenz zu den International Telecom Regulations im Jahr 1988 und davor für Standardisierung der internationalen Telefonwählämter.
Zugriffe, festgeschrieben
Nur diesmal stand ein dezidierter politischer Zweck dahinter. Die unbestreitbare Dominanz der USA über das Internet, von der Domainvergabe über die Carrier-Leitungen bis zu den maßgeblichen Internetfirmen wurde nun erstmals in einer UNO-Teilorganisation thematisiert.
Sehr zum Missfallen der USA, der EU-Staaten, Kanadas, Japans und Australiens kam in den letzten 48 Stunden der Konferenz ein Vorschlag nach dem anderen aufs Tapet, die allesamt auf dasselbe hinausliefen. Über die ITU, der 192 Staaten der Welt als Mitglieder angehören, wurde versucht, staatliche Zugriffsmöglichkeiten irgendwie festzuschreiben.
Der amerikanische Normierungsexperte Tony Rutkowski schildert den letztendlich wenig erfolgreichen Schachzug von Russland, Iran und Co. Alles begann mit dem "Hijacking" einer verlassenen ITU-Arbeitsgruppe, "eines der besseren, taktischen Manöver Russlands" meint Rutkowski.
"Staat und Internet"
Die laufend vorgebrachten Anträgen auf Zusätze hatten zumeist gemeinsam, dass "Staat" und "Internet" gemeinsam vorkamen. Einer oder mehrere dieser Sätze haben es offenbar bis in die Endversion geschafft, ein paar dieser Versuche aber waren absolut gefinkelt.
Ein westafrikanischer Staat sprach sich nach den üblichen diplomatischen Floskeln für einen kleine Zusatz aus. Dem Absatz 3.5 zur "Nummernvergabe" solle doch "Naming, Adressing and Identification" beigefügt werden. Das heißt: Domainverwaltung und Vergabe von IP-Adressen, also Zuständigkeit für das Internet.
Saudi Arabien, Kuba, Algerien, Iran
Die Delegation Saudi-Arabiens - sekundiert von anderen Golfstaaten - bestand etwa lange auf folgender Formulierung: "Allen Regierungen soll eine gleichberechtigte Rolle und Verantwortung für die internationale Internetverwaltung zukommen, um die Stabilität, Sicherheit und Kontinuität des existierenden Internets zu gewährleisten".
Dem Weltgipfel direkt vorausgegangen war eine zwei Tage dauernde Abschaltung des Internets in Syrien. Zum Start der Konferenz war Syrien dann plötzlich über Glasfaser-Carrier aus China und Indien angebunden. Beide Kabel kommen aus dem Mittelmeer direkt bei der russischen Marinebasis in Syrien an Land.
Was man in Saudi Arabien unter "Verantwortung, Stabilität und Sicherheit" versteht, offenbart die dort übliche Praxis des Umgang mit dem Internet: strikte Zensur und vollständige Überwachung. Wenn dann noch Kuba und Algerien sekundieren und der iranische Delegierte erklärt, man "respektiere die Internationale Deklaration zu den Menschenrechten voll und ganz" aber der Terminus "Menschenrechte" habe in dieser Resolution der ITU nichts verloren, dann ist dem wenig hinzufügen.
Der ITU-Generalsekretär
"Ich hab es schon im Vorfeld der Konferenz gesagt, dass die Regulation des Internets nicht Thema dieser Konferenz ist. Ich wiederhole: Diese Konferenz hatte das Internet nie im Vertragsentwurf" sagte Hamadoun Toure, Generalsekreträr der International Telecommunication Union zum Abschluss.
Lediglich der Annex enthalte eine "Nicht-bindende Resolution zur Förderung der Weiterentwicklung des Internets" und zu dieser Entwicklung habe die ITU seit Beginnn der Internetära maßgeblich beigetragen, sagte der ITU-Generalsekretär zum Ausklang einer Konferenz, die mit einer offenen Kontroverse geendet hatte.