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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

13. 12. 2012 - 17:14

The Duffman Is Sober

Die Autobiografie von Guns n´Roses Bassist Duff McKagan erzählt vom Rock n´Roll Wahnsinn der damals gefährlichsten Band der Welt und seinen erfolgreichen Weg in die Abstinenz.

Von keiner anderen Band hingen mehr Poster in meinem Kinderzimmer als von Guns n'Roses und just zu Weihnachten 1993 sollte ich ein Schriftdokument über die verehrte Band in Händen halten. Zumindest wurde es mir versprochen, aber meine Mutter hat dann das Weihnachtsgeschenk meiner Tante „Appetite for Destruction : The Days Of Guns n´Roses“ von Danny Sugarman konfisziert. Der Inhalt war ihr zu brisant, verdammt. Als Trost gab es einen Bildband „Ein Silberstreifen am Horizont“. Landschaftsaufnahmen statt Rock´n´Roll, Himmel, dafür hätte auch ein Blick aus dem Fenster gereicht. Nie hab ich ein Geschenk mehr verflucht als dieses Substitut.

Umso neugieriger war ich auf die Autobiografie von Duff McKagan „It´s So Easy und andere Lügen“ die vor kurzem im Wiener Luftschacht Verlag erschienen ist. Ich war nicht sicher, ob mich die Geschichte dieser Band nach so vielen Jahren und mitunter peinlichen Ausrutschern noch einmal fesseln würde. Aber es hat zu meiner Überraschung blendend funktioniert und das liegt nicht zwingend an Guns n´Roses, sondern an Duff McKagans Lebensgeschichte und seiner Art, sie zu erzählen: Er schreibt flüssig und direkt, ohne Nostalgie oder Beschönigungen.

Jeff White from Seattle, WA, USA

Duff McKagan

Duff startet das Buch in der Gegenwart, mit der dreizehnten Geburtstagsfeier seiner Tochter Grace und reist dann zurück in die Vergangenheit. Bei dieser Teenie-Party wird ihm schlagartig bewusst, was er in ihrem Alter schon alles angestellt hat: Alkohol, Drogen, Sex. Das übliche Rock´n´Roll-Programm, das ihn mit 30 Jahren fast das Leben gekostet hätte.

Längst verblasste Erinnerungen und Anekdoten tauchen wieder auf: Dass das Bier bei den Simpsons nach Duff benannt ist, weil ihn Axl Rose bei den Konzerten immer als „The King of Beers“ vorgestellt hat. Aber das Bier war vergleichsweise Wasser für den schweren Alkoholiker, der zu seinen schlechtesten Zeiten eine Gallone, also umgerechnet 3,7 Liter Wodka pro Tag vernichtet hat.

Das erzählt er mir im Interview, im Buch selbst hat er solche Mengenangaben ausgelassen, weil er sich einfach nicht mehr sicher ist, wie viel es tatsächlich war. Denn ein Tag hat für ihn Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre mitunter 72 Stunden gedauert. Da kommt es schon mal zu gröberen Wahrnehmungsschwankungen. Um vom vielen Wodka wieder halbwegs nüchtern zu werden, hat er sich mit Kokain gepusht, danach ging es weiter mit Wodka, dann wieder Kokain. Ein teuflischer Kreislauf, in dem auch Crack und Heroin zirkulierten:

„Zu der Zeit, als Guns n´Roses von 1991 bis 1993 achtundzwanzig Monate damit verbrachten, mit den Use-Your-Illusion-Alben auf Tour zu gehen, hatte mein Konsum gewaltige Ausmaße angenommen. Für die Illusion-Welttournee leasten Guns ein Privatflugzeug, keinen Privatjet, sondern eine richtige 727, mit Lounges und persönlichen Schlafzimmersuiten für die Bandmitglieder. Slash und ich weihten das Flugzeug auf unserer Jungerfernreise ein, indem wir gemeinsam Crack rauchten noch bevor die Räder den Boden verlassen hatten. (Würde ich nicht weiterempfehlen, nebenbei gesagt – der Geruch durchdringt einfach alles.)“

luftschacht verlag

Die Band, die ihre erste Tour per Autostopp organisiert hat, hält nach wie vor den Rekord im Guinness Buch für die längste Tour. Bei der gingen nicht nur die Bandmitglieder, ihre Ehen und Freundschaften kaputt, sondern auch Konzerthallen. Die damals gefährlichste Band der Welt hinterließ mancherorts statt glücklichen Fans Verletzte und Verwüstung.

Das Buch von Duff McKagan führt deutlich vor Augen, dass es so eine, sagen wir mal, wilde und leichtsinnige Band wie Guns n´Roses mit all ihren Exzessen und haaresträubenden Spompanadeln in dieser Form heute nicht mehr geben würde. Eine Hard- und Bluesrock Combo mit einschlägiger Punk-Prägung, versiffter Ghetto-Credibility, Hairspray-Glam und einer Fuck-You-Attitude, die ganze Stadien ausverkauft hat.

Vermutlich könnte sich heute auch keine Band mehr diesen verschwenderischen Tour-Zirkus leisten: einerseits haben sie sehr viel Geld verdient, auf der anderen Seite haben sie es wieder verprasst: Nicht nur mit Drogen, Partys und legendären Helikopter-Ausflügen, sondern auch durch Axls extreme Verspätungen auf der Bühne. Guns n´Roses mussten selbst für die Überstunden der Securitys, die längeren Fahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel und die durch wütende, weil wartende Fans entstandenen Schäden bezahlen.

„Das einzige Mittel, um die ‚Scheiße‘-Chöre der 20.000 Zuschauer ein oder zwei Stunden ertragen zu können, war, noch mehr Alkohol zu saufen. Angesichts der ständig wechselnden Zeitspanne, die ich totzuschlagen hatte, und des ständig wechselnden Ausmaßes an Streit innerhalb der Band und an Verärgerung seitens des Publikums, trank ich zwangsläufig irgendwann zu viel. Dann musste ich etwas Koks nehmen, um wieder hochzukommen. Dann, oops, zuviel Koks, besser ich trink noch was. Es war ein Teufelskreis.“

Als Duff eines Abends nicht mehr spielen konnte und sich auch beim besten Willen nicht mehr an das Konzert in Prag erinnern konnte, wurde ihm klar, dass er ein Problem hatte. Denn trotz der Sucht war ihm die Musik noch immer wichtiger als alles andere. Er hörte mit dem Wodka auf und stieg auf Wein um. 10 Flaschen pro Tag.

Im Frühling 1994 hat ihm sein Körper die finale Rechnung präsentiert. Am 31. März flog er von Los Angeles in seine Heimatstadt Seattle und in seiner Maschine war auch Nirvana-Frontman Kurt Cobain, ebenso am Ende seiner Kräfte wie Duff. Kurt war gerade wieder aus einer Entziehungsklinik ausgebüxt und auf der Flucht vor seiner Sucht Richtung Seattle unterwegs. Es sollte das letzte Treffen der beiden werden, denn wenige Tage später hat Kurt Cobain seinem Leben ein Ende gesetzt und auch Duff McKagan hat sich den Tod gewünscht, als seine Schmerzen unerträglich wurden.

"It's So Easy: (und andere Lügen)" ist in der Übersetzung von Raimund Varga im Luftschacht Verlag (2012) erschienen

Wegen übermäßigem Alkoholkonsum ist im Mai 1994 seine Bauchspeicheldrüse auf die Größe eines American-Football angeschwollen und geplatzt. Die Enzyme der Verdauungssäfte haben innere Verbrennungen zweiten und dritten Grades verursacht. Doch Duff McKagan hatte Glück, er ist gerade noch rechtzeitig ins Spital gekommen.

Von diesem Moment an hat er sein Leben komplett verändert: Kein Tropfen Alkohol mehr sondern Mountainbiken, Kampfsport, Lesen und den College-Abschluss nachholen. Das waren die Eckpfeiler seines ungewohnt nüchternen Lebens, das er bis auf einen kurzzeitigen Rückfall einer Tablettensucht bis heute führt.

Diese spannende Autobiografie ist die Geschichte eines Mannes, der Kraft seines Willens sehr viel erreicht hat: Eine erfolgreiche Rockstarkarriere, ein intaktes Familienleben und ein fast abgeschlossenes Wirtschaftsstudium. Nebenbei berät er MusikerkollegInnen bei Finanz- und Anlagefragen und schreibt Kolumnen für SeattleWeekly.com und den Playboy.

Diese Autorenaufträge und Anekdotensammlungen haben ihn dazu inspiriert, seine eigene Geschichte in Buchform zu fassen, wie es seine GnR-Kollegen Slash und Steven Adler bereits getan haben.

Bleibt nur noch die Frage, ob Duff McKagan in seinem Leben irgendetwas bereut?

„I don´t have any regrets or resentments. I pulled out at the Age of 30 as a young man and went back to school. I could almost black out that whole Period but I don´t, because I learned so much from everything. And it wasn´t all bad, it was just bad in the End.”