Erstellt am: 12. 12. 2012 - 11:17 Uhr
Brief an den guten Opa
Die Weihnachtdekoration leuchtet schon in ihre volle Pracht . Die Christkindlmärkte haben Vollbetrieb. Obwohl manche nächste Woche das Ende der Welt erwarten, läufen die Weihnachtsvorbereitungen ganz wie gewohnt. Es werden fleißig Briefe an den Weihnachtsmann geschrieben. Oder ans Christkind. Oder wer auch immer die Geschenke zu Weihnachten bringt. Es ist mir bisher ein Geheimnis geblieben, wer genau für die Bescherung am Weihnachtsabend in Österreich verantwortlich ist.
Als ich ein kleines Kind war, hieß der gute Opa mit dem weißen Bart, der die Geschenke bringt, "Djado Mraz". Das bedeutet so etwas wie "Opa Frost". Djado Mraz kam aus Russland. Er hatte seine Werkstätten für Spielwaren- und Kleidungproduktion für brave Kinder irgendwo in Sibirien stationiert. Djado Mraz war sehr antiklerikal eingestellt und hatte nichts mit Jesus zu tun. Deshalb kam er immer zu Sylvester. Um ihn die ganze Nacht bei seinem Rundgang rund in die sozialistische Welt munter zu halten, stellte jede Familie ein Glas Schnaps an eine leicht findbare Stelle in der Wohnung.
Bundesarchiv, Bild 183-R1212-0014 / Senft, Gabriele / CC-BY-SA
Später verschwand Djado Mraz. An seiner stelle kam "Djado Koleda" – "Opa Weihnachten", der irgendwo in oberen Finnland sein Zuhause hatte. Trotzdem sprach er am liebsten Englisch und kam viel öfter im Fernsehen. Djado Koleda war ein bisschen schneller als Djado Mraz. Er kam zu Heiligabend. Zeit ist Geld und Zeit hatte Djado Koleda weniger als sein sowjetischer Kolege. Die braven Kinder sollten nicht so lange warten! Seine pünktlichere Erscheinung verdankte Djado Koleda seinem niedrigeren Alkoholkonsum. Statt Schnaps trank er lieber Coca-Cola.
Ich schrieb immer fleißig Briefe an den guten Opa. Ganz unabhängig jetzt von seiner ideologischen Ausrichtung. Allerdings tat ich mir oft schwer, wenn ich vor dem weißen Blatt Papier saß. Die Sachen, die ich mir wünschte, waren zu viel und die finanzielle Möglichkeiten meiner Eltern, die die Sachen bei der Firma von Djado Koleda bezahlen sollten, was ich relativ früh erfuhr, waren begrenzt.
Mein Vater wollte mir zeigen, dass es manchmal ganz egal ist, was man bekommt, wenn man seinen Erwartungen einen Rahmen setzt. Er schrieb auch einen Brief an dem Weihnachtsmann: "Lieber Djado Koleda, zu Weihnachten wünsche ich mir einen Mercedes, wenn es nicht geht, dann wäre eine Winterkappe auch ganz nett." Mein Vater war bescheiden und außerdem wollte er das Leben meiner Mutter nicht zu sehr erschweren. Zumindest an Feiertagen.
Ein Freund Peter hat mir gestern erzählt, dass er große Schwierigkeiten hat zu erfahren, was sich sein Kind zu Weihnachten wünscht. Er muss ja schließlich das Geschenk besorgen. Der Erstklässler hat seine Wünsche so hässlich und unleserlich geschrieben, dass der Vater sie unmöglich entziffern konnte. Peter forderte dem Kleine auf, ihm doch zu erzählen, was er dem Weihnachtsmann ausrichten soll. "Wenn er das ist, wirst du es erfahren", sagte der Sohn. Mein Freund hat es nicht leicht.
Мeine liebe M. fragte mich, ob ich heuer auch einen Brief am Weihnachtsmann geschrieben habe. Bisher habe ich nicht daran gedacht, deshalb:
Diese Kolumne ist mein Brief an dich, guter Opa. Ganz egal wie du heißen magst. Ich bin sicher du bist ein begeisterter FM4-Hörer. Es ist mir auch egal, wenn du deine Fabriken schon nach China und Indien umgesiedelt hast. Schließlich kann man ja diese verdammte Kälte nicht das ganze Jahr aushalten. Wo immer du bist, hör FM4 weiter, und auch... mich. Das ist nicht sehr viel, oder?