Erstellt am: 11. 12. 2012 - 10:34 Uhr
Massenmörder mit Metaebenen
Moment mal, ist das der neue Film von Quentin Tarantino? Ist der Großmeister der schundigen Referenzen gar zu seinen „Pulp Fiction“ Wurzeln zurückgekehrt? Mitnichten. „Seven Psychopaths“, bei uns titeltechnisch zu „7 Psychos“ verkürzt, erinnert aber tatsächlich frappant an frühe Werke des US-Regisseurs. Zumindest gegen Anfang, wenn Auftragskiller und Serienmörder an Sprechdurchfällen leiden, die nur durch tödliche Kugeln unterbrochen werden.
Ausgedehnte Dialoge, stilisierte Verlierertypen, überzogene Ganoven und ein selbstreferentieller Zugang zum Kino: Eine ganze Welle von eher überflüssigen Post-Tarantino-Filmen setzte in den Neunzigern auf diese Ingredienzen.
Jetzt, wo man die dauerplappernden Zitat-Gangster mit ihren schief gehaltenen Waffen schon fast vergessen hat, bedienen sich einige Regisseure wieder ähnlicher Ansätze. Andrew Dominik hält im unlängst hier abgefeierten „Killing Them Softly“ die Kamera ebenfalls auf Klein- und Großkriminelle in Detroit und lässt sie in elaborierten Gesprächen über den Tod, Sex und die Finanzkrise parlieren. Der dabei mitschwingende schwarze Humor wird konsequent in Explosionen aus Blut und Gehirnmasse erstickt.
Der irische Bühnenautor Martin McDonagh, der mit „In Bruges“ (Brügge sehen...und sterben“, 2008) ein bitterböses und extrem komisches Leinwanddebüt ablieferte, stürzt sich nun mehr auf die satirischen Aspekte des Tarantino-Erbes. Es hagelt abgründige, politisch unkorrekte und blutverschmierte Gags in „Seven Psychopaths“.
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Vom Ende der Geschichte(n)
Bevor sich das nun aber nach reinem Plagiat anhört: Wie sein Regiekollege Andrew Dominik findet auch Martin McDonagh einen eigenständigen Zugang zum Universum der geschwätzigen Tarantino-Killer.
„Seven Psychopaths“ benutzt nicht das Genrekino, um im Grunde von Politik zu erzählen (wie es „Killing Them Softly“ tut) oder um den einstmals ideologisch fragwürdigen Exploitation-Trash in den Dienste der „guten Sache“ zu stellen (wie es Tarantino selbst in „Inglourious Basterds“ machte und demnächst in „Django Unchained“ vorzuhaben scheint), die Absicht dieses Films geht in eine andere Richtung.
Martin McDonagh, der als vielgefragter und blitzgescheiter Autor sicher selbst schon oft mit dem Schreiben haderte, hinterfragt, ob es in den einschlägigen Bereichen des Unterhaltungskinos á la Hollywood überhaupt noch Kreativität gibt. Oder ob, wie es manche philosophische Propheten schon am Beginn des postmodernen Diskurses predigten, bereits alle Geschichten erzählt sind. Erst recht jene Stories, die sich um Antihelden und Serienkiller mit all ihren dazugehörigen inflationären Klischees drehen.
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Schreibblockaden und Schoßhündchen
McDonagh verpackt diese Problematik in einen Plot rund um einen Drehbuchautor in Los Angeles, der an einer hochgradigen Schreibblockade leidet. Marty, herrlich gequält von Colin Farrell gespielt, hat gerade mal den Titel seines neuen Films im Kopf. „Seven Psychopaths“ soll er heißen und, ja, von sieben Psychopathen handeln.
Sein neurotischer Freund Billy (Sam Rockwell) versucht mit Ideen auszuhelfen. Als die beiden Kumpel plötzlich den heißgeliebten Schoßhund eines gefährlichen Gangsters in Händen halten, wird ihr Leben selber zur wahnwitzigen Drehbuchvorlage.
Viel mehr sollte man über diese Krimikomödie der anderen Art gar nicht wissen. Nur eines darf man dann doch vorwegnehmen: „Seven Psychopaths“ überreizt ganz bewusst sämtliche Stereotypen, die man von einem Film erwarten könnte, in dem Woody Harrelson mit Knarren herumfuchtelt, Tom Waits einen schrulligen Irren gibt und Christopher Walken seine Extravaganz ausleben darf wie lange nicht mehr.
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Aufblitzende Emotionen versus Selbstironie
Dieser Film dreht sich nämlich, wie erwähnt, um das extreme Überreizen, um das gnadenlose Ausspielen sämtlicher Erwartungshaltungen in punkto Gangsterkino. Spätestens wenn das Leben von Marty und Billy endgültig selber zum durchgeknallten Film mutiert und der letztere dem ersteren erklärt, warum etwa Frauen in solchen Skripts keine Rolle spielen (tatsächlich geht McDonagh mit den Figuren von Abbie Cornish und Olga Kurylenko zynisch um) findet man sich in einem narrativen Experiment mit mehr Metaebenen als die Multiplex-Polizei erlaubt.
Dabei - und dieser Punkt ist ganz entscheidend – gelingen Martin McDonagh immer wieder kleine menschelnde Momente, die die zugegeben oftmals aufgesetzte Cleverness und besserwisserische Selbstironie brechen.
Die existentielle Müdigkeit, die Colin Farrell ausstrahlt (der nach „In Bruges“ schon wieder eine Traumrolle von seinem Lieblingsregisseur serviert bekommt), die Melancholie in den Augen des alten Schlawiners Christopher Walken, die verzogene Infantilität, mit der Sam Rockwell agiert, all das sorgt für aufblitzende Emotionen in einem Film, der uns einhämmert, dass alle Emotionen im Buben-Genrekino nicht mal mehr Second-Hand-Gefühle sind.
Ohne an den Geniestreich „The Cabin In The Woods“ heranzukommen, versucht „Seven Psychopaths“ doch für den Killerkino-Sektor ähnliches zu leisten, wie dieser für den Horrorbereich: Einen Schlusspunkt zu setzen, auf möglichst unterhaltsame Weise. Jede Menge Spaß bereitet dieses rabenschwarze Stück Pulp Fiction auf jeden Fall.
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