Erstellt am: 9. 12. 2012 - 17:07 Uhr
Casiotone For The Painfully Alone
- Der Song zum Sonntag auf FM4 in Kooperation mit der Presse am Sonntag.
In den letzten zwei, drei Jahren hat sich die Gruppe von Menschen, der Freundeskreis, die "Szene", wenn man so will, rund um das in Montreal ansässige Label Arbutus Records und dessen am hellsten leuchtenden Stern - Claire Boucher a.k.a. Grimes - als besonders fruchtbarer Pool für gut überzuckerte Popmusik aus den Abteilungen Elektronik-Quatsch, Lo-Fi-Gerumpel, Wave-Revitalisierung und DIY-R'n'B erwiesen. Frau Grimes selbst ist dieses Jahr mit ihrem dritten Album "Visions" ein bestes Album des Jahres und somit der flächendeckende Durchbruch gelungen, jedoch auch in ihrer direkten Nachbarschaft waren und sind spannende, weirde, alberne, richtig gute oder immerhin "interessante" Acts und Bands zu entdecken: Blue Hawaii, Tops oder D'Eon, allesamt noch viel zu unbekannte Menschen, oder Doldrums, dem Anfang nächsten Jahres mit seinem Album doch immerhin ein Kritiker-Erfolg gelingen dürfte.
Auch den Namen Majical Cloudz wird man sich merken wollen: Wenn man ein bisschen im Inneren seines Gehirnes kratzt, könnte man sich daran erinnern, dass einem das Projekt des ebenfalls aus Montreal stammenden Musikers Devon Welsh heuer vielleicht schon irgendwo untergekommen ist. Auf Grimes' Album "Visions" nämlich, auf dem Majical Cloudz das Stück "Nightmusic" instrumental bereichert hat.
Ein ganz okayes Album namens "II" hat Welsh Mitte dieses Jahres weitestgehend unter Ausschluss von Publikum veröffentlicht, mittlerweile hat er sich für Majical Cloudz mit dem Musiker Matthew Otto zusammengetan. Während auf "II" noch hauptsächlich dichte Sample- und Sound-Schichtungen, unter denen Welsh seinen Murmelgesang begraben hatte, dominierten, betreiben Majical Cloudz auf der eben – bei Arbutus - erschienenen EP "Turns Turns Turns" jetzt eine Reduzierung der Mittel und erfreuen sich an einem Minimalismus, der ganz im Dienste großen Songwritings steht.
Das herausragende der vier Stücke auf der EP ist der Song "What That Was": Ein Lied über die Freundschaft. So oft kommt das ja komischerweise auch nicht vor. Es wird ja immer nur über Liebe, Sex und Politik gesungen. Im Falle von "What That Was" geht es um die enge und auch als beste wahrgenommene Freundschaft zwischen zwei Männern, freilich gilt das im Song geschilderte Szenario für alle möglichen Geschlechter-Konstellationen.
Majical Cloudz
Welsh besingt die Freundschaft zu einem Mann namens "Neil" (einem tatsächlich existierenden Künstler aus Montreal) und lässt im Text einen Straßennamen fallen, der einem, falls man nicht gerade mit den Spezifitäten der kanadischen Großstadt vertraut ist, nur wenig sagen wird. Gerade aber weil das Lied Konkretes präzise anspricht und nicht ein allgemeines Wischiwaschi für alle Menschen versucht zu bemühen, kann man sich in "What That Was" wunderbar wiederfinden. In einer fremden Welt Bekanntes entdecken.
Ein Synthesizer orgelt harmonisch, ein schlichter Beat, der wohl einem Billig-Keyboard entfahren ist, poltert monoton, Devon Welshs Bariton erzählt davon, dass eine große Freundschaft auch und vielleicht auch vor allem aus Banalitäten bestehen kann: Neil und Welsh ziehen durch die Nacht, sehen Konzerte. Gemeinsam fühlt man sich halb halbstark und als Verbündete in einem für den Rest der Welt nicht nachvollziehbaren Pakt: "Me and my friend Neil/We go where we feel like/No one here's gonna step on our toes".
So ist "What That Was" eine lebensbejahende Hymne auf den glorreichen Zustand des Sich-Verstanden- und Geborgen-Fühlens und wahrscheinlich auch ein bisschen -Seins, gleichzeitig schwingt hier aber – das lässt schon der Titel erahnen – ein melancholischer Unterton mit, der leise andeutet, dass es halt auch irgendwann wieder einmal vorbei sein wird: "Hey, I think that you're the best friend I have ever had/Hey, I don't know now if I'll be gone for a short time".
"What That Was" ist ein altmodisches, kleines Lied ohne Ironie und Zynismus; ein Lied, das sicherlich auch gut auf "69 Love Songs" von The Magnetic Fields Platz gehabt hätte, weil ein Freundschafts-Song, das ist ja schon auch wieder ein Love-Song, vielleicht? Devon Welsh singt, besonders süß und erwärmend, wenn Neil und er am Freitag gemeinsam ausgehen, dann kann es schon einmal bis Samstag dauern, bis sie wieder nachhause kommen. Wenn man heutzutage freitagnachts ausgeht, verlässt man doch in Wirklichkeit – streng uhrzeittechnisch gesprochen – oft überhaupt erst am Samstag das Haus. Und dann, später, wenn die Party vorbei ist und das Konfetti nicht mehr rieselt, ist man wieder allein.