Erstellt am: 7. 12. 2012 - 17:03 Uhr
Rumänien oder ein Königreich für Prinz Charles
Nein, wie ein typischer Monarchist sieht Liviu Mihaiu nicht aus. Der Journalist trägt Dreitagebart, die Lederkappe ist nach alter französischer Gewerkschaftstradition tief in die Stirn gezogen, das Treffen findet in einem Bukarester Untergrund-Lokal statt. Und trotzdem: "Wären wir damals bei der Monarchie geblieben, Rumänien wäre heute eines der sieben stärksten Länder Europas", sagt Liviu. Damals, das ist 1947, als die Sozialisten Mihai I., den letzten König Rumäniens, zur Abdankung und ins Exil zwangen. Nach knapp 80 Jahren hat das Experiment Monarchie so ein Ende gefunden. In den Köpfen der Menschen aber ist die königliche Familie geblieben und erfährt in Zeiten der allgemeinen Politikverdrossenheit einen enormen Zuspruch. Laut einer Umfrage mit dem Titel "Vertrauensbarometer" vom Jänner liegt der ehemalige Regent mit 36 Prozent weit vor den führenden Politikern des Landes. Dass Mihai I. mittlerweile über 90 Jahre alt ist, tut der Zustimmung dabei keinen Abbruch.
Mihai Stoica
Blütezeit unter der Monarchie
Die 20er und 30er Jahre waren eine Blütezeit für Rumänien. Der Vertrag von Trianon hatte das rumänische Staatsgebiet 1920 - u.a. auf Kosten Ungarns - um ein Drittel erweitert, das aufstrebende Bürgertum schickte seine Kinder nach Frankreich und Deutschland zum Studium, worauf diese die kulturellen Strömungen aufsogen und mitten durch Bukarest mit dem General Magheru-Boulevard eine der modernsten Achsen Europas zogen. Die Calea Victoriei wurde zur populären Einkaufsstraße und Bukarest zum Paris des Ostens für die europäische Hautevolee.
Es ist dieser Aufschwung, der im kollektiven Gedächtnis mit der königlichen Familie verbunden wird. "In der Zwischenkriegszeit hat sich das moderne Rumänien konstituiert. Damals haben wir Migranten aus aller Herren Länder angezogen", erklärt Liviu. In Zeiten, in denen sich heute selbst rumänische Akademiker als Erntehelfer auf den Gemüseplantagen Spaniens verdingen und Ärzte als medizinische Hilfskräfte in Großbritannien arbeiten, ist das ein starkes Argument. Jetzt, nachdem die Boomjahre nach 2004 durch die Wirtschaftskrise jäh gestoppt wurden und der westeuropäische Lebensstandard für die Mehrzahl der Rumänen außer Reichweite scheint, wird gern mit dem Bild des früheren vermeintlichen Wohlstandes gespielt.
Monarchie-Nostalgie ausgelöst durch Korruptionsskandale
Einen Beitrag dazu leistet auch die politische Klasse des Landes. Mit großer Freude bieten die Taxifahrer der Hauptstadt inoffiziell eine "Diebestour des rumänischen Reichtums" an, vorbei am Regierungspalast, am mittlerweile verlotterten General Magheru-Boulevard entlang bis hin zum Parlamentsgebäude, "wo die größten Räuber sitzen". Das Vertrauen der Bevölkerung haben die Politiker im Zuge zahlreicher Korruptionsskandale und dem allgemeinen Gefühl, dass das Geld der neuen Eliten alles richten kann, verspielt. Ohne das Versagen der politischen Eliten wäre auch jeder Gedanke an einen Systemwechsel unmöglich, gibt Liviu zu. "Unsere geschichtliche Erfahrung mit der Monarchie ist ein Erfolg. Und die Niederlage der rumänischen Kapitalismus ermöglicht die Erinnerung daran", so der 49-Jährige.
Am Sonntag wird Rumänien ein neues Parlament wählen. Ein überragender Sieg des Regierungsbündnisses Sozialliberale Union", das im Mai durch ein Misstrauensvotum an die Macht kam, gilt als sicher. Roxana wird indes nicht zur Wahl gehen. Sie glaubt nicht mehr an den Gestaltungswillen der aktuellen Politiker. "Von mir aus, kann der König die gesamte Macht wieder übernehmen", sagt die junge Journalistin.
Mihai Stoica
Der König als Vorbild für gute Manieren
So weit würde Liviu nicht gehen. Die Rolle der Monarchie besteht für ihn einem Vorbild für die ganze Gesellschaft, in politischen Belangen hat der Monarch im Rahmen einer parlamentarischen Monarchie seiner Meinung nach jedoch nichts zu suchen: "Der König soll das Vorbild für die Bevölkerung darstellen, ein zivilisatorisches Modell", erklärt der Journalist. Bereits heute würden sich die Angestellten und Mitarbeiter der königlichen Familie gesitteter als der Rest der Bevölkerung benehmen. "Man glaubt kaum, dass sie Rumänen sind", lacht er.
Diesen Umstand erkennen seiner Meinung nach auch mehr und mehr Rumänen, vor allem seit Mihai I. im Oktober 2011 anlässlich seines 90. Geburtstags das erste Mal seit seiner Abdankung eine Rede vor dem rumänischen Parlament gehalten hat. 14 Minuten sprach der ehemalige Monarch über seine Liebe und die Verantwortung gegenüber dem Land, die auch für die Politiker gelte, fünf Minuten lang applaudierten die Abgeordneten. Für den König zu sein ist auch auf politischer Ebene mehr als gesellschaftsfähig geworden. So erklärte u.a. der ehemalige liberale Ministerpräsident Rumäniens, Călin Popescu-Tăriceanu, dass er bei einer Verfassungsänderung für die parlamentarische Monarchie stimmen würde. Wenn sich im Land nichts ändert, ist Rumänien in zwei Jahren im Zuge einer Volksabstimmung für eine solche Verfassungsänderung bereit, glaubt Liviu.
Liviu selbst ist beileibe kein Unbekannter in Rumänien. Als Präsident der Gesellschaft zur Rettung des Donaudeltas steht er einer der größten Umweltorganisationen des Landes vor, als Journalist hat er u.a. für das populäre Satire-Magazin Academia Cațavencu gearbeitet, er hat eine eigene Radiosendung, einen Blog und mehr als 23.600 Fans auf Facebook. Selbst die private Nummer von Premierminister Victor Ponta ist in seinem Handy eingespeichert.
Königsimport als Lösung?
Bleibt die Frage, wer den Königsthron in Rumänien übernehmen könnte. Dass Mihai I. mit 91 Jahren für dieses Amt zu alt ist, gibt auch Liviu zu. Für ihn wäre es aber kein Problem, würde eine seiner fünf Töchter zur Königin erkoren. Auch Mihais Enkel, Prinz Nicolae, der erst kürzlich seinen Wohnsitz nach Rumänien verlegte, böte sich an. Nicht zuletzt der britische Thronfolger Prinz Charles wäre nach Ansicht Livius eine Möglichkeit. Seine Ur-Urgroßmutter stammt aus Siebenbürgen. "Prinz Charles fühlt sich Siebenbürgen sehr verbunden, er ist mit der königlichen Familie verwandt", erklärt er.
Einen König zu importieren wäre für Rumänien indes keine Novität. Karl Eitel Friedrich Zephyrinus Ludwig von Hohenzoller-Sigmaringen wurde erst zum Fürsten und 1888 als Carol I. zum rumänischen König gekrönt. Der schwäbische Adelige begründete damit die rumänische Monarchie. Als Carol III. könnte Prinz Charles anstatt des britischen, eben den rumänischen Thron besteigen. Abgesehen der Namensgleichheit würde beide Männer ein weiterer Punkt verbinden. Die rumänische Sprache musste auch der Fürst aus Deutschland bei seinem Amtsantritt erst erlernen.