Erstellt am: 8. 12. 2012 - 11:43 Uhr
Ich mach mein eigenes Geld!
Ich mach mein eigenes Geld! Ist das nicht der höchste Ausdruck von Selbstbestimmung? Weil die Krise der letzten Jahre zunehmend als Geldkrise wahrgenommen wird - die einen fürchten einen Wertverfall der Währung, die anderen stöhnen über Schuldendruck - erfreuen sich Alternativen, die am Geld ansetzen, wachsender Beliebtheit.
In Linz hat die Stadtwerkstatt, eine Bastion der freien Kulturszene, jetzt ihre eigene Währung an den Start gebracht: Den Gibling. Die "neue Community-Währung" kann man für Euro kaufen, und dann in derzeit rund zwanzig Lokalen und Geschäften in der Region damit bezahlen. Es ist ein Ablaufdatum aufgestempelt und er wird jedes Jahr von einer neuen KünstlerIn gestaltet. Nach dem Ablaufdatum kann der Gibling in einen neuen Gibling mit einer 5%igen Wertminderung getauscht werden, nur für Unternehmen ist auch der Rücktausch in Euro möglich. Der Gibling ist Teil eines steigenden Trends zur Einführung lokaler Parallelwährungen.
Regionale Kreise
Stadtwerkstatt
Im Prinzip ist das eine Art Gutschein-System: Geld wird so mit einer bestimmten Zweckwidmung versehen – in diesem Fall ein Kreis regionaler Szeneunternehmen. Diese haben davon den Vorteil, dass Geld, das ohne den Gibling vielleicht woanders hin fließen würde, bei ihnen landet, z.B. wenn jemand aus der Szene Giblinge zu Weihnachten an Leute außerhalb der Szene verschenkt, die nun dadurch verleitet werden, ihr Geld in der Kapu zu versaufen statt steirischen Wein im Supermarkt zu kaufen. Der regionale Wirtschaftskreislauf wird somit (auf Kosten anderer Regionen) gestärkt.
Die NutzerInnen hingegen haben keinen direkten wirtschaftlichen Vorteil, sondern sie nehmen freiwillig eine Beschränkung der Auswahlmöglichkeiten auf sich. Durch den regelmäßigen Wertverfall der Währung werden sie auch unter Zeitdruck gesetzt, die Gutscheine schnell auszugeben. Auf größere Anschaffungen zu sparen oder gar selbst ein neues kapitalintensives Unternehmen auf Basis der neuen Währung zu starten ist somit nicht sinnvoll.
Regionalwährungen und ihr historisches Vorbild.
Eine solche Regionalwährung kommt also bestehenden lokalen Unternehmen zugute, für KonsumentInnen ergeben sich freiwillig oder unfreiwillig Einschränkungen, die womöglich durch das gute Gefühl aufgewogen werden, zu einer guten Sache beizutragen und einer angenehmen Gemeinschaft anzugehören.
Wettbewerbsbremse?
Die Aussage der Gibling-BetreiberInnen, dass ihr Konzept "im Widerspruch zum kapitalistischen Wettbewerbssystem" stehe, weil "die Kosten der Geldanhäufung erhöht" würden, ist nur zum Teil richtig. Es stimmt zwar, dass mit so einer Regionalwährung NutzerInnen eine Haltung demonstrieren können, und Geld auf ein Zahlungsmittel verkürzt wird, während es zur Wertaufbewahrung nicht mehr wirklich attraktiv ist. Aber selbst in einer Welt, wo der Euro durch den Gibling ersetzt würde (in der jetzigen Welt wird einfach der Euro wie bisher für alle Geldfunktionen herangezogen werden, und der Gibling keine nennenswerten Effekte erzielen), wäre damit der Wunsch nach Wertaufbewahrung nicht aus der Welt geschafft.
Wenn Geld durch die verordnete Inflation, die der Gibling durch seinen jährlichen 5% Wertabschlag erfährt, als Wertaufbewahrung unattraktiv wird, werden schlicht andere Anlageobjekte verstärkt diese Funktion kriegen. So wie jetzt schon Leute aus Angst vor Inflation verstärkt Immobilien und sonstige Sachwerte kaufen. Damit ist auch nicht das Profit- und Wettbewerbsprinzip abgeschafft, weil Geld in ein gewinnträchtiges wettbewerbliches Unternehmen oder eine lukrative vermietete Immobilie zu stecken bleibt auch nach Einführung einer Regionalwährung die wichtigste Reichtumsquelle.
Dass Bankeinlagen nicht mehr verzinst werden, sondern eine Art Parkgebühr zahlen müssen, mag Sparen unattraktiv machen und vielleicht die Kreditvergabe zum Erliegen bringen. Aber das ist nur dann ein Erfolg, wenn man der irrigen Meinung anhängt, Kredite seien prinzipiell unnütz oder von den Banken den SchuldnerInnen irgendwie aufgezwungene Lasten.
Schlangestehen in der Wechselstube
Sofern der Gibling der Vorreiter einer Zukunft voller Regionalwährungen als Ersatz für die geltenden Währungen wäre, käme noch ein anderes Problem dazu: Sofern die Wirtschaft nicht völlig auf regionale Selbstversorgerkreise zusammenschrumpft, sondern wir weiterhin steirischen Wein, Tiroler Speck und Vorarlberger Käse konsumieren (ganz abgesehen von Tonträgern aus England, Klamotten aus Italien, Computern aus Chimerica etc.), stellt sich (für mich als KonsumentIn oder für den örtlichen Vertriebsladen) die Herausforderung, meine Regionalwährung in eine andere zu tauschen. Wer legt diesen Wechselkurs nach welchen Kriterien fest, wer tauscht die Währungen? In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wer für die Ausgabe einer Regionalwährung verantwortlich ist und die Bedingungen und die Menge festlegt. Die Vervielfachung der Währungen bringt somit auch eine Vervielfachung der Unsicherheitsquellen und letztlich der Spekulationsmöglichkeiten auf Währungsmärkten mit sich, die den Alltag nicht eben einfacher machen.
Ein "anderes" Geld kann also ein amüsantes Experiment sein, manchmal eine bittere Notwendigkeit (etwa in Argentinien, wo sich nach dem Zusammenbruch der nationalen Währung vor zehn Jahren zeitweise regionale Alternativwährungen bildeten), aber keine unverhoffte Abkürzung auf der Suche nach Umverteilung von Reichtum oder Eindämmung anderer Unannehmlichkeiten der Wirtschaftswelt.