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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

8. 12. 2012 - 14:00

Kriegsverbrechen totschweigen

In dem vielschichtigen politischen Krimi "Der kalte Traum" lässt Oliver Bottini mehrere Menschen nach einem kroatischen Kriegsverbrecher suchen.

Tomas Ćavar ist ein 1971 in Baden-Württemberg geborener Kroate, der 1995 nahe Drvar in Bosnien von serbischen Militärs getötet wurde. Zumindest ist das die offizielle Version. Die Version, die dessen Familie erzählt. Wieder und wieder. Denn Tomas Ćavar wird 2010 mehrfach gesucht: Von zwei Fremden in seinem schwäbischen Heimatdorf, von einer Journalistin in Zagreb und von einem ehemaligen hochrangigen Diplomaten aus dem Auswärtigen Amt in Berlin, bzw. von dessen Neffen, dem Berliner Kripokommissar Lorenz Adamek. Alle suchen sie unabhängig voneinander und alle aus unterschiedlichen Motiven.

Aber soviel ist bald klar: Tomas Ćavar dürfte wohl noch am Leben sein, der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher scheint im Krieg doch eine bedeutendere Rolle gespielt zu haben, als der Öffentlichkeit bekannt war, und gewisse Mitwisser sollen 2010 unbedingt ruhig gestellt werden – schließlich will Kroatien zur EU.

When Fact is Fiction ...

portrait von oliver bottini

© Hans Scherhaufer

(Foto © Hans Scherhaufer) Oliver Bottini lebt in Berlin. Seine Kriminalromane "Mord im Zeichen des Zen" und "Im Sommer der Mörder" wurden mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Für Letzteren erhielt Oliver Bottini außerdem den Krimipreis von Radio Bremen.

Oliver Bottini widmet sich einem sehr heiklen Thema: kroatische Kriegsverbrechen. Vor allem auch aus deutscher Perspektive. Er zeigt die Involvierung deutscher Politik und deutscher Medien. "Das hört man nicht so gerne, man hat darüber auch nicht allzuviel gelesen."
Deswegen sei es für ihn auch wichtig gewesen, sich an dem Prozess gegen kroatische Generäle wegen Kriegsverbrechen, der bis 2011 in den Haag stattgefunden hat, entlang zu schreiben. "Die Fakten immer wieder einzubauen, immer wieder darauf zu verweisen: Schaut mal, das ist jetzt nicht eine Fiktion, nur weil ich jetzt mal kroatische Kriegsverbrechen erfinde. Sondern das hat es gegeben. Ich erfinde nur das Personal, ich benenne vielleicht einen Ort um, wo Verbrechen geschehen sind, aber ich hab immer wieder Verweise auf die realen beteiligten Figuren. Das war für mich wichtig, das in dieses reale, historische Setting einzubauen."

Die Recherche war daher besonders intensiv, und ist auch die Arbeit, die Oliver Bottini gerne macht, "weil ich mir dadurch einen Themenbereich erschließen kann." Dem komplexen Thema Kriegsverbrechen sei viel Recherche geschuldet. "Wenn man seriöse Bücher schreiben will, die nah an der Realität sind, dann muss man sich da auch Mühe geben."

... and Fiction is Reality

Buchcover: Mann im Schilf

Dumont Verlag

Oliver Bottini: Der kalte Traum. DuMont 2012

Im Rahmen seiner Recherchen hat er auch öfter den kroatischen Journalisten Željko Peratović getroffen, dem das Buch gewidmet ist.
Peratović ist ein kroatischer Journalist, der so ausführlich über Kriegsverbrechen berichtet hat, dass er nach Problemen mit dem Geheimdienst und dem Innenministerium nicht mehr in Kroatien publizieren darf und mittlerweile auf Blogs ausgewichen ist. 2003 hat er den Press Freedom Award von "Reporter ohne Grenzen Österreich" erhalten.

Angst vor möglichen Problemen, die im Buch etwa die Journalistin Yvonne Ahrens bekommt, hat Oliver Bottini nicht: "Ich erzähle ja keine Geheimnisse." Das könne alles in den Prozessakten von Den Haag nachgelesen werden. "Die Kriegsverbrechen sind minutiös nachvollzogen, soweit das heute noch möglich ist, und aufgeschrieben worden."
Željko Peratović habe zwar seit Jahren massivste Probleme durch seine Recherchen, aber er selbst würde ja nur Dinge in einem Roman nacherzählen.

Oliver Bottini schafft es in "Der kalte Traum", politische Zusammenhänge klar und verständlich darzustellen. Als eine Art Zeitdokument will er den Krimi jedoch nicht sehen – zu vermessen wäre das für ihn und so wollte er das Buch auch nicht anlegen. Vielmehr habe er versucht, "die extrem komplexen Zusammenhänge so widerzugegeben, dass man sie nachvollziehen kann. Zumindest, was den Roman betrifft."

Der Grat zwischen Realität und Fiktion ist schmal und aufregend. Nur wenige Autoren schaffen es, die Realität durch die Fiktion zu hinterfragen und klarer zu machen. Oliver Bottini ist einer davon.
"Der kalte Traum" wirkt länger nach als einem lieb ist.