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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

8. 12. 2012 - 15:00

On the Road again

US-Erfolgsautor James Sallis schickt seine Kultfigur "Driver" wieder auf den Asphalt.

Buchcover

Liebeskind Verlag

Driver 2 von James Sallis ist in deutscher Übersetzung von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt im Liebeskind Verlag erschienen

Spätestens seit letztem Jahr ist der Name James Sallis Einigen ein Begriff. Nämlich all jenen, die sich die Buchvorlage zum superschicken Retro-Rachethriller "Drive" besorgt haben. Die heißt "Driver" und erzählt wie der Film von einem wortkargen Stuntfahrer, der sich auf einen Rachefeldzug durch die Unterwelt begibt. Jetzt ist die Fortsetzung des Erfolgsromans in deutscher Übersetzung erschienen. "Driver 2" spielt mehrere Jahre nach dem ersten Buch und erzählt davon wie der "Driver" versucht ein neues Leben zu beginnen und von seiner Vergangenheit eingeholt wird.

Elsa lehnte an der Wand des verlassenen Cafés, aus der Wunde unter ihrer Brust quoll stoßweise Blut. Sie blickte auf, versuchte ihn anzulächeln, während das Licht in ihren Augen erlosch.

Sein altes Leben lässt den jungen Mann nicht los. Auch wenn sich der "Driver" jetzt Paul West nennt und sich in Phoenix als Geschäftsmann versucht. Eines Tages, nämlich an "einem Samstagmorgen, kurz nach elf Uhr", werden seine Verlobte Elsa und er von zwei Typen angegriffen. Sie stirbt. Der "Driver" überlebt und taucht wieder ab, wie schon vor sieben Jahren in Hollywood. Gemeinsam mit seinem Kumpel Felix versucht er, die Drahtzieher hinter dem Angriff auszumachen. Der "Driver" fährt wieder. Er beobachtet, sinniert und parliert. Vor allem aber wartet er. Auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen.

Hier saß er also, diesmal nicht in einer klassischen Corvette Stingray, sondern in einem alten Ford. Er schaute sich um, sah Riesenkakteen, Steingärten, die Catalina Mountains in der Ferne und erinnerte sich daran, wie er oft gedacht hatte, dass es Orte auf der Welt gab, die sich nie groß veränderten, wie Gezeitenbecken der Zivilisation.

Mann mit Lederhandschuhen in einem Auto sitzend, Szenenbild aus "Drive"

viennale

Ryan Gosling in Nicolas Winding Refns famoster Verfilmung von Sallis' "Driver"

Das Archaische wiegt schwer im literarischen Werk von James Sallis. Seine leider immer noch nicht komplett ins Deutsche übersetzte Lew Griffin-Reihe mit insgesamt sieben Romanen tritt das Erbe klassischer Noir-Lieferanten wie Raymond Chandler an: statt zu zitieren, reduziert Sallis, allerdings ohne die Essenz oder - erm - den Drive zu verlieren.

Der "Driver" ist ein Wiedergänger des archetypischen "Lonesome Rider": ein entwurzelter, wortkarger Rächer, der zwischen den Zeiten, Orten und Gesetzen lebt, die den Rest der Welt bestimmen. In "Driver 2" spitzt James Ellis diese Figur noch weiter zu, nicht zuletzt, da er weitaus weniger zu tun hat, als im ersten Roman. Es sind vor allem Gespräche, Begegnungen und Beobachtungen, die dieses Buch ausmachen, formuliert in klarer Sprache, in kurzen Sätzen. Hier liegt nichts zwischen den Zeilen versteckt. Die Worte und die Taten sind Programm.

"Freier Wille ist doch für’n Arsch. Woran wir glauben, Bücher, die wir schätzen, selbst Musik, die wir hören, verdammt – alles ist doch programmiert, mein Junge, wird uns alles durch Vererbung eingebrannt, durch unseren Hintergrund, dem wir ausgesetzt sind. Wir glauben, wir treffen Entscheidungen. Aber im Grunde kommt die Entscheidung auf uns zu, steht uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber und zwingt uns mit ihrem Blick in die Knie."

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"Driver 2" ist eine existenzialistische Unterwelt-Ballade; ein zerfahrenes, zerrissenes Buch, das vielleicht gerade aufgrund seines sequentiellen Stils die Leere des menschlichen Seins und Wirkens heraus streicht. Inmitten ewiger Landschaften wiederholen sich dieselben Aufstellungen, Taten und Verbrechen. Immer und immer wieder. James Sallis beschreibt das ohne Augenzwinkern, nur aufgeschäumt mit einer Prise Lakonie. Insofern stehen auch die zwei letzten Worte dieses entspannten, manche mögen sagen: spannungslosen Buchs nicht für eine Hoffnung, schon gar nicht für eine Zukunft, sondern nur für den Vorgang selbst. Sie lauten: Er fährt.