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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

7. 12. 2012 - 14:06

Mit Dank an den Verfassungsschutz

Ihre tolle neue Platte ist nicht der Grund, warum die Punkband "Feine Sahne Fischfilet" im Verfassungsschutzbericht ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern steht. Über eine skurrile Geschichte mit lustigen und weniger lustigen Seiten.

Als Verfassungsschützer hat man in Deutschland gerade nicht sehr viel zu lachen. In fünf Untersuchungsausschüssen und in so gut wie jedem Medium wird der deutsche Inlandsgeheimdienst derzeit zerpflückt und gedemütigt, und sein Versagen angesichts des rechtsradikalen Terrors des NSU immer wieder aufs Neue ans Licht gezerrt. Da tut es doch gut, wenn es Bürger gibt, aufrechte Antifaschisten zumal, die im Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern vorbei schauen, um beim Pressesprecher einen Präsentkorb für den Verfassungsschutz zu deponieren. Allerdings weniger, weil die ihrer Tätigkeit jetzt viel aufmerksamer nachgingen. Eher im Gegenteil.

zwei junge Männer überreichen dem Pressesprecher des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern einen Präsentkorb

Audiolith

Leberwurst, Filterkaffee und grüne Bohnen: Monchi (links, mit Penny-Tüte) und Artur vom Label Audiolith sagen "Danke" für die tolle Promotion. Sie hoffen, dass der Präsentkorb ungeshreddert beim Verfassungsschutz ankommt.

Der Verfassungsschutz von Mecklenburg-Vorpommern hat der neuen CD von "Feine Sahne Fischfilet" nämlich ungewollt eine Menge Promotion beschert: Anfang November ist das Album "Scheitern und Verstehen" bei Audiolith erschienen, im Oktober erschien der Verfassungsschutzbericht des nordostdeutschen Bundeslandes, und darin sind "Feine Sahne Fischfilet" gleich anderthalb Seiten gewidmet. Die Band (vertritt) eine explizit anti-staatliche Haltung, sie möchte die staatliche Struktur auflösen heißt es da unter Bezugnahme auf einen Liedtext.

Der Effekt: Kurz vor dem Release von "Scheitern und Verstehen" sind Feine Sahne Fischfilet in allen Medien. Spiegel Online, jetzt.de und viele andere berichten, die taz widmet ihnen Platz auf der Titelseite. Und das Album geht weg wie warme Semmeln und wird jetzt schon zum dritten Mal nachgepresst. Darum der Geschenkkorb.

Absurd, aber nicht lustig

Aber natürlich ist es nicht nur lustig, offiziell zum Extremisten abgestempelt zu werden. Einzelne Veranstalter haben der Band schon abgesagt, die Verwandtschaft stellt natürlich seltsame Fragen. Rechte versuchen, die CD aus den Läden entfernen zu lassen. Und was ist es für ein Zeichen, wenn die Wenigen, die sich in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern trauen, offen gegen Rechts aufzutreten, als Extremisten gebrandmarkt werden?

"Das hier ist Mecklenburg-Vorpommern, hier wählen 40000 Leute die NPD, hier gibt's feste Nazi-Strukturen, die auch immer weiter ausgebaut werden. Die Nazis sind hier eine hippe Jugendkultur, die bei den Leuten ankommt, weil sie vielleicht für die Leute so rebellisch wirken, und weil die Leute halt auch rassistisch sind. Hier stößt du ständig auf Nazis", sagt Sänger Monchi im Interview.

Mehr als einmal, erzählt er weiter, seien Bandmitglieder verfolgt oder verprügelt worden, auf Tour wurden Feine Sahne Fischfilet im Bandbus von einer Horde Skins überfallen, und dann gibt es da noch die Neonazi-Aufkleber mit dem gespaltenen Schädel von Sänger Monchi, die zu tausenden in Mecklenburg-Vorpommern hängen. Kürzlich, erzählt Monchi, seien in Mecklenburg zwei Jugendliche verfolgt worden, weil sie "Komplett im Arsch", die aktuelle Single der Band gesungen haben.

Nur ein Seitenfüller?

Monchi glaubt, dass der Eintrag im Verfassungsschutzbericht politische Gründe hat: die Extremismusklausel, die von der deutschen Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eingeführt wurde, stellt antifaschistische Organisationen unter den Generalverdacht des Linksextremismus und vergibt nur staatliche Unterstützungsgelder, wenn sie sich in einer Erklärung zum Grundgesetz bekennen. Monchi meint dazu gegenüber jetzt.de: "Wenn Links- und Rechtsextremismus gleich gefährlich sein sollen, muss es dafür auch Beispiele geben. Und weil auf der linken Seite in Mecklenburg-Vorpommern nicht viel zu holen ist, müssen wir dafür herhalten. Zumal wir offen auftreten und regelmäßig Meinungen und Standpunkte in unserem Blog veröffentlichen. Aber wenn wir die Speerspitze des Linksextremismus sein sollen, dann können sich die Leute beim Verfassungsschutz eigentlich nur freuen."

Tatsächlich wirkt es so, als wären die Behörden bemüht gewesen, dem Linksextremismus im Bericht wenigstens halb so viele Seiten zu gönnen wie dem Rechtsextremismus. Da muss dann, so absurd das klingt, eben auch eine Band mit ihren Texten herhalten.

Bandfoto Feine Sahne Fischfilet: sechs freundlich grinsende junge Männer auf einer Parkbank

Feine Sahne Fischfilet

Diese jungen Männer möchten gern die staatliche Struktur auflösen.

Allerdings stellt Monchi klar, dass Feine Sahne Fischfilet unter Antifaschismus nicht staatstragende Imagekampagnen à la "Bratwurst essen gegen Rechts" (Zitat Monchi) verstehen. "Wir denken, dass kontinuierliche antifaschistische und antirassistische Arbeit wichtiger ist. Und natürlich hört da unsere Kritik nicht auf, wir begleiten auch die Demokratie kritisch. Wenn es solche Sachen gibt wie in den Neunziger Jahren, als das Asylrecht praktisch abgeschafft wurde, dann sind das schon auch Sachen, die wir kritisieren, ansprechen und scheiße finden."

Und mit ihren Konzerten wollen Feine Sahne Fischfilet ganz gezielt Nazi-freie Zonen schaffen, weil es, so Monchi, vor allem auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern kaum möglich sei, feiern zu gehen ohne dass Nazis anwesend seien.

Punkrock wie er im Buche steht

Plattencover mit sw-zeichnung eines Ruderboots in stürmischer See

Audiolith

Natürlich ist der Kampf gegen die Nazis auch auf der Platte zu hören: Texte wie Deutschland ist scheiße, Deutschland muss weg! sind vor allem als Provokation für die Rechten zu lesen, könnten aber im nächsten Verfassungsschutzbericht als Beleg für ihre Staatsfeindlichkeit herhalten müssen. Lieder wie Stumpfe Parolen sind Kampfhymnen gegen Nazis, die an den Parolenpunk von Slime erinnern - nur dass man bei Slime nie den Eindruck hatte, dass das Bild von den Nazis, gegen die man sich wehren müsse, der Realität entsprochen habe.

Aber man kann "Scheitern und Verstehen" nicht nur auf antifaschistische Kampfrhetorik reduzieren. Da geht es auch um die Alltagsgeschichten auf dem Land, die Trinker, die Dorffeste, das Gefühl, hier zu Hause zu sein und gleichzeitig ganz weit weg zu wollen - coming of age-Lyrik, wie sie nicht nur Punk schon immer transportiert, textlich und gesanglich durchaus auf hohem Niveau.

"Wir hassen Skapunk"

Auf Audiolith erscheinen sonst Bands wie Frittenbude, Bratze, der Tante Renate oder auch Mediengruppe Telekommander. "Punkrocker im Geiste" nennen sich die Labelbetreiber, drum war die Verpflichtung von FSF für sie ein logischer Schritt.

Musikalisch bieten Feine Sahne Fischfilet soliden, kraftvollen Punkrock, der manchmal an Vorbildern wie Tocotronic anstreift, aber trotz Bläsern nie unter Skapunk-Verdacht gerät, eher erinnern sie an Northern Soul. Was vor allem im Vergleich zu älteren Aufnahmen auffällt, ist die perfekte, fette Produktion. "Das war uns schon klar bevor wir zu Audiolith gegangen sind, dass wir die neue Platte aufwändiger produzieren wollen, und wir haben das Studio auch selbst bezahlt", meint Monchi. Allerdings geht dabei ein wenig die Räudigkeit verloren, die auch den Elektropunk erst reizvoll macht, der sonst auf Audiolith zu Hause ist.

Der Schritt zu Audiolith hätte Feine Sahne Fischfilet natürlich auch ohne die unfreiwillige Hilfe der Staatsorgane einem größeren Kreis bekannt gemacht - trotzdem ist die Band froh, vom Label auch Unterstützung für ihre antifaschistische Arbeit zu haben. Und so bekannt wie jetzt wäre Scheitern und Verstehen und das antifaschistische Engagement von Feine Sahne Fischfilet ohne die tatkräftige Hilfe des Verfassungsschutzes sicher nicht geworden. Vielleicht kann man ihm das im Untersuchungsausschuss ja als Pluspunkt anrechnen.