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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

5. 12. 2012 - 18:51

Schaukelstuhl ist im House

Das New Yorker Duo No Regular Play lässt auf seinem Debütalbum die Musiken fließen und bietet Massagen am Rande des Dancefloors an.

Fast möchte man meinen, der Bandname "No Regular Play" ist schon zu passend gewählt: Sich ein bisschen frech und großkotzig mit den tollen Federn des Außenseitertums schmücken, damit kokettieren, dass man es ja wohl nicht nötig hätte, schnöden Regeln zu folgen - das passt doch besser zu einer Funpunk-Boyband als zu einem geschmeidigen und gut frisierten House-Duo mit Manieren. Mit dem Debüalbum ihres Projekts No Regular Play sitzen die zwei Wahl-New-Yorker Greg Paulus und Nicholas DeBruyn nun aber tatsächlich bequem, wie man so sagt, zwischen den Stühlen: gewöhnlich gespielt - das wird anderswo. Die Stühle, das sind im Falle von No Regular Play wohl ein aus- und einladendes, mit weinrotem Leder bezogenes Sofa und ein Schaukelstuhl, eventuell auch noch ein Barhocker und gegen Ende des Abends ein Leopardenfell, auf dem es sich gut fläzen lässt.

Vor nicht ganz zehn Jahren verschlug es die damals gerade mal zwanzigjährigen DeBruyn und Paulus aus ihrer Heimatstadt Minneapolis, die ihnen den Funk des großen, kleinen Sohnes Prince schon mit der Muttermilch mitgegeben hatte, nach New York. In der großen Stadt wurden die beiden, die eher mit Jazz, HipHop, Pop und ein wenig Indie aufgewachsen waren, vom, wie es passiert, schönen Virus der elektronischen Tanzmusik angefixt.

Eine Heimat fanden sie unter dem Namen No Regular Play im so genannten Marcy Hotel, einer schicken Adresse für die schnieke Danefloor-Feierei, inklusive Wohnmöglichkeit und eingebauten Aufnahmestudios. Das Marcy Hotel ist der Stützpunkt des Produktions-Duos Wolf + Lamb und deren Label gleichen Namens, das in den letzten Jahren für die gehobene Ausleuchtung der Randbereiche von House verantwortlich gewesen ist. Mit solch guten Menschen wie Deniz Kurtel, Nicholas Jaar, Soul Clap oder eben Wolf + Lamb selbst sind No Regular Play hier in bester Gesellschaft. Schweiß und Dreck fehlen, House wird hier im Designerhemd gedrechselt.

No Regular Play

Danny Scales

No Regular Play

Die Stücke auf "Endangered Species", dem gerade erschienen Debütalbum von No Regular Play, bewegen sich nun zwischen den Formen. Zuordnungen wollen sie vermeiden, sie scheinen sich einzig dem guten Geschmack verpflichtet zu fühlen. Es sind nicht wirklich Tracks für den Club, richtige "Songs" sind es auch nicht. Dass ein Techno- oder House-Produzent nicht bloß geile Banger für den Dancefloor aneinanderreiht, wenn er sich daran macht, die Kunstform "Album" zu stemmen, sondern experimentell in der Gegend herumknistert, Ambient-Passagen oder kleine Interludes einbaut oder gar echte Songs - mit Band und Vibraphon! - schreibt, gehört mittlerweile zum guten Ton und ist ein alter Hut. Was aber auf "Endangered Species" so den Abend karamelliesierend und wunderhübsch vor sich geht, ist ein seltsames, so selten gehörtes Verschmelzen von elektronischer Tanzmusik, Wildwuchs und Pop-Strukturen.

No regular Play cover

No Regular Play

"Endangered Species" von No Regular Play ist bei Wolf + Lamb erschienen.

Eingespielt haben No Regular Play die Platte an Synthesizern, Drum-Machines und - ziemlich prominent: Trompete. Weich, weich, weich bläst sie, gerade so als möchte sie eine romantische Szene aus einer Detektiv-Serie (mit Erotik) aus dem Spätnachtprogramm lautmalerisch beschreiben. Samples werden so gut wie gar nicht verwendet - offiziell: EINES, gezogen von einer alten Jazz-Platte - das Album steht im Saft des Lebens, es atmet und vibriert.

Im Studio haben No Regular Play Besuch von einem Haufen Freunde bekommen, die zusätzliches Piano, Live-Drums, Gesang oder gar Rap-Einlagen beigesteuert haben. So verschränken No Regular Play gemächlich und weihevoll eine Vielzahl von Musiken, die ohnehin immer schon zueinander gehört haben: Funk, House (hier trotz allem das unaufdringliche Fundament) und Jazz, Disco, Soul und auch ein kleines bisschen HipHop - alles fließt mühelos zusammen. So kann man "Endangered Species" auch als Geschichtsschreibung sehen, notiert und aufgehübscht von denen, die nicht dabei gewesen sind.

Eine große Platte ohne Sensations-Potenzial; eine Platte, die definiert, wie Seide klingt. Ein Album, das als Ganzes gehört werden will - am Besten im mit Mahagoni getäfelten Kaminzimmer. Im flauschigen Morgenmantel mit den besonders weichen Pantoffeln an den Füßen. Man kann auch wippen dazu.