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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

29. 11. 2012 - 19:00

Antriebslos und müde

Im Winter haben Depressionen und Grippe-Viren Saison. Aber wie merkt man, dass es sich nicht um einen wetterbedingten Blues, sondern um eine ernsthafte Erkrankung handelt?

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Neulich bei Willkommen Österreich: Stermann & Grissemann unterhalten sich mit dem Kabarettisten Josi Prokopetz über seine ruhmreiche Vergangenheit als Songschreiber von Wolfgang Ambros' Hit Da Hofer oder seine eigenen musikalischen Erfolge wie z.B. Codo oder Taxi, das Lotterleben der Achtziger Jahre und die legalen Segnungen der Pharmakologie, durch die er von seinen Depressionen erlöst wurde:

"Es kommen immer noch so zwei, drei Tage, wo sich schwere Melancholie einschleicht, wo man dann Angst kriegt, aber die sich seit 15 Jahren auflöst und es geht wieder normal weiter. Aber die drei Tage, in denen man sich fürchtet, sind auch kein Honiglecken. Ich muss immer lachen, wenn die Leute sagen 'Ich krieg jetzt eine Herbstdepression', weil eine Herbstdepression ist verglichen mit einer wirklichen Depression wie Kopfweh und Enthauptung."

Ein drastischer Vergleich. Aber stimmt das wirklich, dass die Herbstdepression, die momentan wie Erkältungsviren kreucht und fleucht, ein gefühlter Lercherlschas gegen eine richtige Depression ist?

Elke Prohaska, Psychologin bei Rat auf Draht meint zu Prokopetz' Vergleich: "Die Ernsthaftigkeit einer Depression kann man durchaus mit einer Enthauptung verglichen, aber ich glaube, man darf diese saisonal bedingte Depression nicht kleinreden, auch die fühlt sich nicht an wie Kopfweh. Oft hört man ja so ‚Komm, reiß dich zusammen‘, aber wenn man depressiv ist, dann kann man einfach nicht. Man möchte aus dem Bett aufstehen und es geht nicht. Man kann sich nicht nicht überwinden, sondern es geht einfach nicht."

Mann und Frau sitzend, von hinten

dpa/Markus Heine

Aber was ist denn der Unterschied zwischen einer melancholischen Verstimmung eines durch Sonnenabstinenz verkümmerten Schattenwesens und einer ernsthaften Depression?

Die Symptome einer Depression sind immer vielfältig, meint die Rat-Auf-Draht-Psychologin: "Die Hauptsymptome sind die depressive Verstimmung, der Interessen- und Antriebsverlust. Und dann kommen unterschiedliche Symptome dazu wie z.B. Angst, Konzentrationsstörungen, Suizidgedanken, Schlaflosigkeit,… dadurch ist das Krankheitsbild nicht immer gleich und schaut von Person zu Person verschieden aus."

Fast jeder Mensch erlebt laut Elke Prohaska mindestens einmal im Leben eine depressive Verstimmung, die allerdings nicht gleich krankhaft sein muss. Doch wenn man länger als zwei Wochen unter massiver Antriebs- und Lustlosigkeit leidet und dadurch das Berufs- und Familienleben eingeschränkt wird, sollte man einen Psychologen, Psychotherapeuten oder zumindest den Hausarzt aufsuchen.

Denn wenn einem seine Hobbies keinen Spaß mehr machen, man seine Freunde nicht mehr sehen will und trotz ausreichend Schlaf ständig müde und niedergeschlagen ist, könnte sich die depressive Verstimmung in eine ernstzunehmende Depression verwandelt haben. Bei der Herbst- und Winterdepression kommt auch noch ein großes Verlangen nach Süßem, vor allem Schokolade hinzu, diagnostiziert die Psychologin.

Hilfe suchen

Den Betroffenen geht es nicht nur wegen ihrer Krankheit schlecht. Denn oft fühlen sie sich schuldig, weil sie glauben, versagt zu haben. Doch diese Schuldgefühle sind fehl am Platz, für die Depression ist der Serotonin- und Melatonin-Spiegel im Körper verantwortlich. Oder die Depression wurde durch ein traumatisches Erlebnis ausgelöst oder vererbt, denn es gibt eine genetische Disposition durch die ein höheres Risiko besteht, depressiv zu werden.

Person im Regen

dpa/Victoria Bonn-Meuser

Durch Psychotherapie und Medikamente kann man aus diesem schwarzen Loch wieder herausfinden. Zuerst muss man sich aber eingestehen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann und man sich Hilfe suchen muss. Neben dem Arztbesuch rät die Psychologin auch, viel hinaus zugehen. Obwohl es grau und nebelig ist, ist die Lichtintensität im Freien viel stärker als in einem geschlossenen Raum. 30 bis 60 Minuten Bewegung im Freien sowie intensive Freundschaftspflege sind hilfreich in solchen Krisenzeiten. Doch meistens fehlt den Depressionsgeplagten dafür jegliche Energie und auch noch das Verständnis im Umfeld: "Eine Depression ist für jemanden, der das noch nicht erlebt hat, oft schwer nachzuvollziehen."

Wenn man merkt, dass sich Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder zurückziehen oder andere Anzeichen für eine mögliche Depression sprechen, sollte man sie vorsichtig darauf ansprechen. Erste Hilfe findet man unter anderem bei Rat auf Draht unter 147 oder bei den PsychotherapeutInnen in deiner Nähe. Studierende können sich an die Helpline der ÖH wenden.

Depressionen-Schwerpunkt auf FM4

Auch in der Homebase beschäftigen wir uns heute (29.11) mit dem Thema Depression bei jungen Menschen: Daniel Grabner hat Betroffene und ihre Angehörigen begleitet. Im Jugendzimmer (19-20:15) am Freitag, 30.11. ist Michael zu Gast, der die Selbsthilfegruppe "Sturzflieger" leitet für junge Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden.