Erstellt am: 30. 11. 2012 - 14:51 Uhr
Surviving the Plague
1st of December: Surviving the Plague: Reality Check marks World AIDS Day with a first-person account of long-term survival.
Am Weltaidstag widmet sich ein "Reality Check Special" jenen Menschen, die schon zu Beginn der 1980er Jahre auf die Gefährlichkeit von AIDS hingewiesen haben, als man es noch für eine rein auf homosexuelle Männer beschränkte Krankheit hielt. Es waren Tage voller Paranoia, Wut und ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit, während eigentlich klar war, dass Schweigen den Tod vieler weiterer Menschen bedeuten würde. Riem Higazi spricht in "Reality Check" (Samstag, 1.12 12-13 Uhr) mit Hugo, einem Langzeitüberlebenden über diese Zeit und wie sich der Umgang mit Aids und HIV-Infizierten seither verändert hat. Sie hat ihn auch gebeten, seine Erfahrungen der letzten Jahre in Worte zu fassen.
Surviving the Plague
von Hugo
Das ist das siebte und letzte Mal, dass ich versuche, diesen Text zu schreiben, der als Vorwort zu "Reality Check: Surviving the Plague" am 1. Dezember 2012 dient.
Es geht hier letztlich um nichts anderes als HIV. Also jener Buchstabenfolge, in die sich fast alles hinein interpretieren ließe, sogar diese schlimmste aller jüngeren Menschheitsfantasien namens AIDS. AIDS bedeutet/e, dass ein/e HIV-Positive/r unter 200 T4 Zellen hat & über 1.000.000 Viren hat.
Manche von uns mögen sich nun fragen, was mit diesen Zahlen zu tun ist, um sie zu verstehen. Nun gut! Ein "gesunder" Mensch hat zwischen 800 und 1200 T4 (Total) und die "Viruslast" wird pro Milliliter Blut (relativ) gemessen. Man darf sich also vorstellen, dass in einem ähnlich gemarterten Körper pro Liter Blut die stattliche Anzahl von einer Milliarde Viren wütet.
Allerdings sind da nach oben der mathematischen Fantasie nur wenige Grenzen gesetzt. Auch das machte diesen Morbus so unerfreulich legendär. Diese Zahlen, die oft so unglaublich klangen. So auch die Vorstellung, dass ein kanadischer Steward (der an sich im Interview genannt wird) 5.000 Geschlechtspartner in einigen Jahren gehabt habe. Das hat den Schwulen genauso geschadet wie genützt. Vor jenen seligen Zeiten, da es in Österreich auch nicht mehr allzu lange dauern wird, bis jeder „normale“ Mensch mindestens einen Schwulen persönlich so gut kennt, dass sie/er von ihm sagen kann, dass sie/er ihn kennt, um eben normal zu sein, denn bald wird es abnormal (ja beinahe unschicklich) sein, (noch!) keinen Schwulen in seinem Bekanntenkreis zu haben.

Hugo
Aber zurück zu AIDS, das fast niemand mehr hat. Angeblich herrscht sogar in Afrika erfreulicher Aufwind.
Dank der "Pulverl"! Die Pulverl, wegen derer gar so viele Menschen "müüüüde" werden. Kondommüdigkeit ist keine Jugendsünde! Sondern ein Irrtum, den man meist lebenslänglich bereut. Zumindest im Normalfalle. Daher die Vorbereitung auf das Normale an sich.
Welcher normale Mensch wünscht sich, täglich (auch wenn ich momentan nur eine nehme), in der Regel zwei mal täglich – und das idealerweise pünktlich - ein sehr sehr giftiges Medikament zu sich nehmen?
Und die Nebenwirkungen? Hui, ui, ui! Die Nebenwirkungen, nicht die psychotropen Grenzerfahrungen verschiedenster Art, die mitunter sogar durchaus "angenehm" sein können [Ich habe einmal scherzeshalber Stokrin als das LSD der Mittellosen bezeichnet und mehr Leute, als ich zu befürchten wagte, in Versuchung geführt! Ich habe es selber leider-gottseidank noch nie genommen/ aber angeblich fährt es ordentlich nur eben: recht oft in die falsche Richtung!].
Auch die Behauptung, Truvada führt zu „sonderbaren Träumen“ stimmt, sie kostet der Republik auch genug, diese blaue Kapsel. Aber ich habe sie nicht ungern genommen/ auch die Farbe, wie Light Blue Jasper, das ich so lange sammelte (bescheiden) bis ich hörte, dass das der Old Baily Boy (OW) auch getan hätte und ich also damit aufhörte/ das meiste wurde verschenkt, zwei Dinge gingen zu Bruch, zwei habe ich noch.
Ich nehme sie nicht mehr; ebenso wenig wie Kaletra, das seinerseits zu so genannter Lipodystrophie führen kann (Umverteilung des Fetts im Körper, in der Regel inkl. Stiernacken und deutlich eingefallenem Gesicht)
Mein Medikament gibt es noch nicht. Jene, die zu wissen glauben, wer ich bin (und ich gebe zu: Bingo! Ihr habt´s erraten! Bingo the Bongo , Hugo Le Grand!), die wissen wohl auch, dass ich nicht scherze, wenn ich sage, dass ich ein Medikament nehme, das es noch nicht gibt.
Es ist fenjalfarben, hat vorne einen Einser mit quadratischem Rahmen und hinten die schöne Kürzel GSI/ als ich das erste Mal eins nahm (im Rahmen der Studie „QUAD“) sagte ich zu meiner Gästin: GSI WIEDEN, Grüß Gott! Was kann ich für sie tun. Und wir hatten beide einen heftigen Lachkrampf. Aber wie viele Menschen reckt und streckt es bei jeder Tablette, wie viele haben ihre Depressionen als Nebenwirkung irgendeines Medikament und bei wem küsst der bloße Tatbestand der Infektion, des eben sehr wohl Krankseins die vorhandene Disposition wach?

hugo
Mir ist gerade etwas ein wenig Unheimliches passiert: ich wollte eben ausrechnen, wie viel Liter Blut bei einem theoretischen Mittelwert von 75 ml pro Kg Körpergewicht ich spazieren führe. Das ist ja nicht weiter schlimm. Als ich dann allerdings die Postleitzahl meines Geburts- und soit-disant-Heimatorts las, berührte mich dies doch äußerst sonderbar; aber egal.
Hätte ich „Vollbild AIDS“, also so gute wie keine T4 Zellen mehr, würde ich immerhin 5,7 Milliarden Viren sein. (Nicht haben, sein/ ausdrücklich!) Vor den Erhebungen hoffte ich ja ganz ehrlich gestanden auf eine der Erdbevölkerung möglichst ähnliche „Population“ was die Zahl anbelangt. Eine bizarre Fantasie im Grunde, sich als "Pumperlgesunder" mit einer grauenhaften Krankheit vorzustellen, wie viele ungebetene Gäste man hätte & dabei dennoch ernsthaft zu hoffen, man würde den Makrokosmos als Mikrokosmos mit sich führen. Frei nach Rosa von Praunheim: „Grüßgott von Qualsdorf - Ich bin meine eigene Erde“. Mein Leib ein Planet also und die Scheißvicherl seine emsig tätige Bevölkerung.
Bitte nicht lachen, aber man nennt die Summe der Viren wirklich "Population"/ man kann sie auch scherzhalber "Viecherl" nennen; manche ÄrztInnen finden das durchaus drollig, andere allerdings werden sofort zu subtil autoritären Sauerzöpfen, weil sie sich denken, sieh´ an, ein ganz besonders frecher Patient! Wehe dir, solltest du je eine Lues mitbringen! Sie, die Lues, besser bekannt als Syphilis, ist ein – nicht nur unter Homosexuellen männlichen Geschlechts – momentan wieder recht "umtriebiges" Leiden. Als solches hat sie den unangenehmen Vorzug, dass sie der/dem PatientIn ermöglicht, einen Blick in die Seele des behandelnden Arztes zu werfen. Nämlich folgendermaßen: humpelt man 2 bis 3 Tage ordentlich [im Wochentakt, 3 x, dann hatte man eine/n MedizinerIn, die/der sich auch als GralshüterIn moralischer Lebensführung betrachtet. Man kann diese Spritzen nämlich auch so geben, dass sie zwar ordentlich wehtun, den Menschen aber nicht – und wenn es auch "nur" vorübergehend sein mag – durchaus invalide machen]), aber ich habe es Wem-oder-was-auch-immer-sei-Dank nicht, ich bin sogar (O, yeah!) nicht nachweisbar.
Was wiederum nicht nachweisbar zu sein heißt, ist seinerseits nicht minder bemerkenswert. Obwohl noch (20/25 Viren/mm, abhängig von Labors scheinbar) "Leben" im Blut stattfindet, findet man die leblosen Dinger nicht. Warum das so formuliert wurde? Weil das "Besondere" an Viren der Umstand ist, dass sie weder tot noch lebendig sind. (Ich erinnere mich hier nur an die vorzüglichen Belehrungen in der anderen Anstalt, durch den Dr. Sturm/ 5. Klasse/ Annus Horribilis MDCCCCLXXXI/ ich nehme an, das stimmt noch immer, was der sagte: ein Virus ist leblos, aber es ist nicht tot und noch im selben Jahr begann sich dieses bald berühmt berüchtigte Virus auf eine Art & Weise über den Planeten zu verbreiten, dass Vieles, das damals möglich zu werden anfing, schlagartig zu Ende schien und noch schlimmer, vieles auch ärger wurde…).
Stellen wir uns also vor, ich hätte, wie wohl "nicht nachweisbar", noch immer 24 copys/ml (noch ein Superwort! "Copy" "Just do Copy!" V. Westwood, „The copy is the original´s aim.“ Y. Ono), dann wären das immerhin 136.800 Viren insgesamt. Mir wurde das bis jetzt noch nie bewusst, ich dachte immer, dass da nichts ist und jetzt: Selbst beim Spazieren, zigtausend Viren.
Und deswegen abschließend von einem, der nicht froh ist HIV positiv zu sein, aber verdammt viel Glück mit all seiner "Grunderkrankung" hat/te. (Egal welche Therapie, bisher keine Nebenwirkung. Egal welche "neurologische Deckung“ [ADHS/ F 30.1] es gibt keinerlei unerwünschte Wechselwirkungen, aber all das ist wirklich reinster Zufall, viele Leute müssen ja sogar strengste Diäten halten, um oben geschilderte Fettverteilungen zumindest im Zaume zu halten und das allgemeine Cholesterinverbot für viele meiner Blutsverwandten ist auch nicht angenehm.
Ein beinahe höhnischer Treppenwitz meiner Biografie ist, dass mir vor wenigen Wochen die Studienärztin einen Vitamin D-Mangel attestierte und auf meine Frage, was ich dagegen esse solle nur lapidar sagte: „Butter!“
Fast alle müssen Sie auf Butter & Eier verzichten & ich darf davon essen so viel ich will und soll dazu sogar noch möglichst viel Butter essen. Ein Hohn!

hugo
Und manch einer mag sich da denken – und es könnten nur jene sein – die diese leuchtenden, blauen Äuglein, die gerne schielen und flirten, sich einwärts drehen und auch sonst viele dumme Sachen, über die wir trotzdem lachen, machen – Hugo, du AL; mit dir kann man machen was man will, du machst es dir immer „schöner“. Und ja: es stimmt, ich bin ein Candide im Voltaire‘schen Sinne, es hat mir das Leben gerettet! Sonst wäre es mir in der Hölle wie dem Engel Pfau ergangen, aber so konnte ich sie (alle/es waren mehrere) mit einem leicht angeekelten aber doch strahlendem Lächeln durchqueren und mir immer denken und was kommt also als nächstes?
Es ist wirklich nicht normal HIV-Positiv und nicht ansatzweise depressiv zu sein/ ich kann also sagen, dass meine psychische Störung, mir mein Leben ungemein erleichtert. Es sollte sich aber jede/r hüten, zu glauben, es wäre angenehm oder gar erstrebenswert HIV positiv zu sein. Es gibt einen großartigen Film, um einen jungen Ami – ein Milchgesicht – der sich um "dazuzugehören" infizieren lässt. Bugchasing heißt man das und er macht genau das, wovor ich jetzt warne. In der Hölle kommt man schneller, als man glaubt und so sagen jene, die über sie zu schildern wissen (ich gehöre nicht dazu) von 100, die sie betreten, kommt einer raus, wenn er das Glück hatte, genau einer jener Hundert aus den 10.000 insgesamt zu sein, die in 100 Hundertergruppen aufgeteilt wurden. Also: Aufwachen!
Reality Check Special: Samstag, 1. 12. 2012 (12-13 Uhr)
Auch als Podcast nach der Sendung verfügbar!
Bitte ab jetzt Kondomwachheit und -wachsamkeit.
An alle Schwulen, bevor hinter euch heftig gekeucht wird – während des Akts - noch einmal „abgreifen“ ob auch wirklich noch sitzt, was einst aufgesetzt wurde. Man hört nämlich, dass das gerne mal mit einem Kunstgriff abgezogen wird. Ja , ja, diese kleinen Taschenspielertricks im erotischen Bereich: sie können Wunder wirken. An einem Abend, kann man gleich mehrere Leben nachhaltig ruinieren, denn wie gesagt, meist wird man auch depressiv davon.
Die Sendung zum Anhören:
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