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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

28. 11. 2012 - 15:33

Superunknown

Das legendäre Meisterwerk von Soundgarden hat 18 Jahre unbeschadet überstanden und ist damit ein klarer Fall für die "House of Pain Classics".

"Superunbekannt" ist eigentlich ein ziemlich ungezwungener und gar selbstironischer Titel für das immerhin schon vierte Album einer Band wie Soundgarden, die schon vor 1994 weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt Seattle bekannt war. Seattle, ojemine, da werden freilich Assoziationen wach und damit meine ich weder irgendwelche Softwarefirmen, Krankenhausserien oder Kaffee, sondern vielmehr karierte Hemden, lange Haare und verzerrte Gitarren. Ein Schelm, wer nun an Grunge denkt.

Filmplakate des Films "Singles".

Warner Brothers

"Singles", die total urlustige Grunge Liebeskomödie. Jössas...

Grunge fabrizierten in den Neunzigern ja "urplötzlich" sehr viele, als nach Nirvanas "Nevermind" die Plattenindustrie ihren Fokus verstärkt auf Seattle richtete. Es gab sogar Bands, die ihren Wohnsitz dort hin verlegten, nur um von den Managern der großen Firmen wahr genommen zu werden. Es blieb nicht aus, dass dann auch so manche Dilettantinnen und Dilettanten einen Plattenvertrag bekamen und bei einigen wäre es rückblickend wohl besser gewesen, einfach in der Versenkung zu bleiben.

Soundgarden selbst waren an dem ganzen Hype-Firlefanz zu Anfang nicht ganz unbeteiligt und wirkten gar an der Grunge-Liebeskomödie "Singles" von Cameron Crowe mit, deren m.E. einziges wirkliches Highlight ein Liveauftritt von Alice In Chains war. Es sei den beteiligten Bands und vor allem Soundgarden verziehen, denn weder mussten sie erst nach Seattle umsiedeln, noch hatten sie es notwendig zu beweisen, dass sie sowas wie der "Real Deal" wären. Sie waren es ganz einfach. Mit ihren ersten drei hervorragenden Alben "Louder Than Love", "Ultramega OK" und "Badmotorfinger" hatten sie sich bereits ihren eigenen Platz im Rock Olymp gesichert und waren da schon unverkennbar ganz einfach Soundgarden, eine Band, die man nicht bequem in eine Schublade stecken musste.

Superclown? Superunknown!

Cover des Soundgarden Albums "Superunknown".

AM Records

Superunknown

Der Albumtitel soll angeblich wegen eines Lesefehlers von Sänger Chris Cornell stammen, der den Titel eines Videos namens "Superclown" falsch gelesen haben soll. Aus "Superclown" wurde dann eben "Superunknown" und gleichzeitig konnte wohl kein Albumtitel besser zu dem passen, was Soundgarden der geneigten Hörerschaft regelrecht um die Ohren hauen wollten. Schluss mit Holzfällerhemden & Co., Schluss mit Schubladen, Weiterentwicklung, Lust auf noch mehr Experimente mit vertrackten Rhythmen, teils orientalischen Elementen und Einflüssen von Bands wie Led Zeppelin bis zu den Beatles waren angesagt. "Superunknown" war in jeder Hinsicht ein Statement, nachgerade in einer Zeit, wo jeder langhaarige Wastl mit kariertem Hemd, Stromgitarre und Ziegenbart für super befunden wurde, ohne auch nur einen Akkord angeschlagen zu haben.

Blöde Frage, blöde Antwort

Mit dem 1994 erschienenen "Superunknown" hatten sich Soundgarden endgültig vom Grunge emanzipiert. Auch die üblichen Dresscodes wollten sie so nicht mehr mitmachen. Ich erinnere mich noch gut an Chris Cornells Antwort, als sich der Fernsehreporter eines deutschen Musiksenders nicht zu blöd war, den Sänger zu fragen, warum er denn die langen Haare abgeschnitten hätte. Sinngemäß meinte der darauf nur milde lächelnd, dass seine Mutter die kurzen Haare einfach besser fände und außerdem wäre das hygienischer.

Soundgarden.

AM Records

Aber mal Haare und Fremdschämen beiseite, hätte der Mann sich "Superunknown" mal einfach angehört, hätte er auch nicht gar so blöd fragen müssen. 1994 "durfte" man schon längst bretterharten Sound fabrizieren, ohne sich die Haare bis zu den Kniescheiben wachsen zu lassen. Das großartige "Betty" von Helmet war das beste Beispiel dafür und Page Hamilton wollte genau so wenig althergebrachte Metal-Klischees bedienen, wie Soundgarden nicht im eigenen Grunge-Saft schmoren wollten. Die Band traute sich nun wesentlich mehr (zu) und produzierte damit ein Monument von Rockalbum, das bis heute seine Gültigkeit hat. "Superunknown" ist Alternative Rock mit der richtigen Prise Metal inklusive gänzlich unpeinlicher Balladen wie "Fell On Black Days", die immer noch erfreuen und ohne Suderei auskommen. Gleichzeitig kann manch Doom-Metal Kapelle nicht mit einem solchen Koloss an Song wie "4th Of July" aufwarten und einige Punk-Combos würden sich wünschen, je einen solchen Song wie "Kickstand" nur einmal rausgerotzt zu haben.

"...there's a little Ringo wanting to get out."

Soundgarden waren wie Alice In Chains bis 1994 eher sowas wie die Metal-Fraktion des Grunge. Der Hype darum war 1994 aber eh schon am absteigenden Ast und "Superunknown" war Soundgardens Rettungsboot für das sinkende Schiff mit der Waldarbeiterbesatzung. Die Band ließ nun all ihre Einflüsse ungehemmt zu und selbst Balladen hatten ihren Platz und klingen bis heute nicht kitschig. Da lachen bei "Head Down" oder dem hymnischen "Black Hole Sun" schon auch mal die Beatles um die Ecke und Gitarrist Kim Thayil machte damals in einem Interview in "Guitar World" daraus auch gar keinen Hehl, allerdings anders, als vielleicht erwartet:

"We looked deep down inside the very core of our souls and there was a little Ringo sitting there. Oh sure, we like telling people it's John Lennon or George Harrison; but when you really look deep inside of Soundgarden, there's a little Ringo wanting to get out." (Quelle: wikipedia)

Hätten sich Soundgarden nach "Superunknown" noch gesteigert, sie wären freilich nicht die neuen Beatles geworden, aber die Größe von Led Zeppelin hätte es schon werden können (Led Zeppelin Fanatics dieser Welt mögen mir verzeihen, sollte ich nun frevelhaft erscheinen). Besser als mit diesem Album konnte man es aber eigentlich gar nicht mehr machen. Vielleicht wusste das die Band damals schon selbst, als sich Soundgarden nach der Tour zum finalen Album "Down On The Upside" 1997 auflösten. Auch wenn das Album damals bei mir persönlich ziemlich durchfiel, später wusste ich es durchaus zu schätzen, als die Größe des Vorgängers und die übersteigerte Erwartungshaltung nicht mehr allzu präsent war.

Ob das vor kurzem erschienene Comebackalbum "King Animal" wieder nahtlos an die früheren Soundgarden-Erfolge anschließt? Im Moment traue ich mich das noch gar nicht zu sagen, denn der innere Schweinehund meiner Erwartungshaltung ist einfach noch zu groß, nachdem ich "Superunknown" in den letzten Tagen wieder auf und ab gehört habe. Für die Zukunft erwarte ich mir von dieser Band auf jeden Fall nach wie vor ganz Großes.

Superunknown in den "House of Pain Classics"

Am Mittwoch, den 28.11. werde ich dieses Kleinod der kernigen Rockmusik aus meinem Safe der "heiligen Alben" nehmen, es vorsichtig ins Funkhaus tragen und ab 22 Uhr von dort aus laut erschallen lassen. Zwischendurch werden die Kollegen Christian Fuchs, Dr. Nachtstrom und ich darüber ein wenig schwadronieren, schwärmen und natürlich huldigen. Das alles gibt es dann wie immer einen Tag später für sieben Tage zum Nachhören.