Erstellt am: 27. 11. 2012 - 18:59 Uhr
Wii U
Während meiner zwei Japanreisen in diesem Jahr hatte ich fast immer meinen Nintendo „3DS“-Handheld bei mir. Denn die tragbare Konsole verbindet sich via Funksignal mit den Geräten von Menschen, denen man auf der Straße begegnet. Dabei sammelt das Gerät „Mii“-Avatare der Passanten auf, mit deren Hilfe man kleine Spiele wie den „Street Pass Quest“ bewältigen kann. Ein halbstündiger Spaziergang in Tokyo füllte den Speicher des 3DS mit zehn Miis - in Wien dauert der gleiche Vorgang üblicherweise mehrere Tage. In Japan ist Nintendo so allgegenwärtig wie Fisch. Videospielkultur ist ein gelebter und geschätzter Teil des Alltags verschiedenster Menschen jeglichen Alters. Oft habe ich in japanischen Arcades Jugendliche neben Großmüttern spielen gesehen.
Eine neue, „große“ Heimkonsole von „Big N“ bedeutet daher Big News in Nippon. Schließlich fliegen in dem Land auch Linienflugzeuge mit aufgemalten Pokémons herum. Diesmal, vor dem Erscheinen der „Wii U“, blickt aber auch die westliche Welt gespannt auf das Geschehen. Denn die sechs Jahre alte „Wii“ entpuppte sich nach ihrem Release im Jahr 2006 als weltweiter Verkaufsschlager. Nintendo hatte darauf gesetzt, dass die Neudefinition der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine mehr zählt als Grafikauflösung und andere Technikangebereien – und Recht behalten. Die „Wii“ verkaufte sich weit besser als die aktuellen Konsolen von Sony und Microsoft.
Christoph Weiss
Diesmal ist die Erwartungshaltung freilich eine andere. Nicht der Underdog, als der Nintendo zu Zeiten der Playstation-2-Dominanz gesehen wurde, sondern der aktuelle Marktführer bringt eine Neuauflage seines Gerätes auf den Markt - und feuert den Startschuss für die nächste Konsolengeneration ab. Waren die Skeptiker 2006 davon überzeugt, dass der vermeintliche Underdog es nie mehr an die Spitze schaffen würde, so sind sie nun der Meinung, dass der überraschende Erfolg der Wii nicht zu wiederholen sei. Freilich sind auch das bloß Spekulationen.
Die Strategie Nintendos ist die gleiche geblieben: Zwar rechnet die Wii U schneller als die alte Konsole und stellt Grafik präziser aufgelöst dar, doch im Zentrum ihres Designs steht die physische Interaktion des Spielers mit dem Gerät. Der tablet-ähnliche Controller ist dabei nicht als bloßer Abklatsch von iPad und Konsorten zu werten. Vielmehr hat sich der Spieleentwickler überlegt, wie man die derzeit verfügbare Touch-Technologie in ein preisgünstiges Spielgerät packen kann, das Spaß macht. Dass dies keine Anbiederung ist, zeigt allein die Tatsache, dass Nintendo schon 2004 mit dem Nintendo DS den Touchscreen in der Gameswelt eingeführt hat – Jahre vor dem aktuellen Tablet-Hype.
Nintendo
Wiedererkennbar ist die Strategie auch anhand des im Lieferumfang der Wii U beigepackten Spiels: „Nintendo Land“ ist eine Sammlung von Minigames, die primär den gleichen Zweck wie „Wii Sports“ vor sechs Jahren erfüllen soll: Den Spieler in die verschiedensten Nutzungsarten des neuen Controllers einzuführen. 2006 hat das so gut funktioniert, dass sogar Väter, Mütter und Kleinkinder die Wii-Fernbedienung zum gemeinsamen Tennis- und Bowlingspiel geschwungen haben. Ob sich ein solcher generationsübergreifender Erfolg auch mit dem „Wii U“-Tabletcontroller einstellen wird, ist fraglich. Zumindest aber hat sich Nintendo größte Mühe gegeben, mit „Nintendo Land“ einen ähnlich unterhaltsamen Einsteig in das neue Bedienungskonzept zu schaffen.
Bevor man sich ins „Nintendo Land“ begibt, gestaltet man einen „Mii“-Avatar. Diese sind schon von der Original-Wii und dem 3DS bekannt. Mit dem Mii wandert man durch Menüs und spielt einige der Games. Man kann einen Mii erstellen, indem man ein Foto von sich selbst schießt – der Tablet-Controller verfügt über eine Kamera und ein Mikrofon.
"Nintendo Land" ist gestaltet wie ein Vergnügungspark mit verschiedenen Attraktionen und hat den für die Spieleschmiede typischen Charme: bunte japanische Niedlichkeit gepaart mit wohlbalancierter Spielmechanik. In den Minigames bläst man ins Mikrofon, um Plattformen anzuheben, wischt hochkant über den Screen, um Shuriken (japanische Wurfsterne) zu werfen, dreht das Tablet wie ein Lenkrad oder setzt den Touchscreen ein, um Wege zu markieren oder mit Pfeil und Bogen zu schießen. Gleichzeitig dient „Nintendo Land“ auch als eine Art virtuelle Welt, in der man die Avatare anderer Spieler treffen kann. Hier zeigt sich der Spielehersteller allerdings wieder einmal von seiner paranoiden Seite: Mit anderen Spielern in Kontakt zu treten ist nur durch umständliches Austauschen komplizierter Codes möglich.
Nintendo
Zeitgleich mit der Wii U erscheinen circa zwei Dutzend neue Spieletitel. Darunter „New Super Mario Bros U“, die Neuauflage des zweidimensionalen Sidescroll-Jump-and-Run. Gleich am Anfang entführt Bowser die Prinzessin, das ist wenig überraschend. Doch dank hochauflösender Grafik in 1080p – die Wii U wird via HDMI an den Fernseher angeschlossen – sieht das Mushroom Kingdom besser aus als je zuvor.
Des weiteren lässt sich der Tablet-Controller auch als Univeral-Fernbedienung für das Fernsehgerät verwenden. Dazu gibt man ein, von welchem Hersteller das TV-Gerät stammt, und das Tablet richtet automatisch die nötigen Signale ein. Es ist fantastisch, beim Spielen die Finger nicht mehr vom Controller nehmen zu müssen, um Lautstärke oder Bild des Fernsehapparates verändern.
Originell ist auch die Möglichkeit, das Spielgeschehen nicht nur am TV-Gerät, sondern auch auf den Bildschirm des Tablet-Controllers darzustellen. Will eine andere Person im Zimmer fernsehen, dient die WiiU sozusagen als Handheld-Konsole und man spielt einfach weiter. Letztlich ermöglicht der Tablet-Controller aber auch das, was Nintendo als „asynchrones Gameplay“ bezeichnet. Dabei können drei Spieler, die herkömmliche Controller verwenden, das Geschehen auf dem Fernseher verfolgen, während ein vierter am Tablet spielt – Jäger und Gejagte erleben verschiedene Herausforderungen. Es sind diese neuen Möglichkeiten des Spieldesigns, die so typisch sind für eine Nintendo-Konsole - und für die nächsten Jahre viel Gutes erhoffen lassen.