Erstellt am: 25. 11. 2012 - 15:26 Uhr
Liebe für immer, weich gezeichnet.
Immer muss man woanders hin. Überall ist besser als zu Hause. Wenn wir die tatsächlichen Verhältnisse kurz wieder einmal nicht anerkennen wollen, dann proben wir den Ausstieg in eine Kommune, errichten auf einer kleinen Insel im Pazifik eine Kokosnuss-Religion oder, einfacher, fahren nach Griechenland und bleiben vielleicht irgendwann einmal dann dort. Wer sagt denn immer wieder etwas gegen diesen schönen, so genannten "Eskapismus"? Luftschlösser wollen gezimmert werden und ferne Orte herbeigesehnt, die Vernunft möge nicht siegen. Zumindest ab und zu und ein bisschen möge sie dies nicht tun, und zwar - nicht wie sonst immer zufällig oder durch eigene Unaufmerksamkeit - durch eigenes Zutun und mit Absicht.
So kann man sich dann vielleicht, wenn man gerade ganz stark verliebt ist und die Schmetterlinge besonders lieblich brummen, auch in und an die Elfenbeinküste wünschen und sich in Pastellfarben ausmalen wie man da mit einem lieben Menschen Händchen hält und den Strand entlang schlendert - so wie es das Duo Pure Bathing Culture aus Portland, Oregon in seinem wunderhübschen und putzigen Song "Ivory Coast" tut. Was wissen wir denn so über die dem Song den Titel spendende Elfenbeinküste? Irgendwie seit den 60ern unabhängig, vor kurzem war Bürgerkrieg. Die durchschnittliche Lebenserwartung, das weiß man ohne Internet eventuell nicht sofort aus dem Stand, liegt bei etwas über 40 Jahren.
Annie Beedy
Natürlich geht es aber in "Ivory Coast" gar nicht um die Elfenbeinküste. Es kommt nicht darauf an wo man ist, sondern, dass man mit jemandem wo ist. Es ist: ein Love Song. Gerade haben Pure Bathing Culture ihre selbstbetitelte Debüt-EP veröffentlicht - alles hier ist geschmeidig, Wattebausch und also angenehm weich. Es geht um romantische Treffen am See und große Augen. Sarah Versprille steht an der wohlig summenden Orgel und haucht, Daniel Hindman bedient eine müde Kuschelrock-Gitarre, eine faule Drum-Machine zeigt wie man mit Anmut rumpeln kann. Wenn sich eine Band Pure Bathing Culture nennt, kann man vielleicht schon davon ausgehen, dass hier nicht von Weltrevolution und Explosion gesungen werden wird.
Wenn dann nächstes Jahr das erste Album von Pure Bathing Culture erscheint, und Versprille und Hindman da immer noch solch richtig guten Lieder wie jetzt auf ihrer EP aus der Dreammachine zaubern, dazu aber eventuell noch ein bisschen Dunkelheit in ihre Luxusprobleme hineinlassen, dann darf man sicher leise von "den neuen Beach House" sprechen, die ja dieses Jahr gegen alle Prognose die ebenso großartigen Memoryhouse nun doch nicht geworden sind.
- Der Song zum Sonntag auf FM4 in Kooperation mit der Presse am Sonntag.
"Ivory Coast" singt von der immerwährenden Liebe bis ans Lebensende und vielleicht darüber hinaus und glaubt daran. Besonders schön: "I pray that you will keep me where the starlings pose": "Wo die Stare posieren". Bei aller Zuversicht darf man nicht vergessen, und das hört man in diesem Song, dass derjenige, der von der Ewigkeit singt, auch von der Vergänglichkeit singt. Es wohnt ein schönes Ungleichgewicht in diesem Song, es wird uns mit federngleicher Geste dargereicht.
Ist es ein bisschen naiv und vielleicht gar leicht dümmlich und albern, sich als Fluchtpunkt und Projektionsfläche für das so zauberhafte eigene Verliebtsein irgendeinen Ort in den Tag hineinzuträumen, den man auf der Landkarte vielleicht nur vage zu finden im Stande ist, der eben bloß irgendwie diffus eine Aura des "Exotischen" versprüht und sich gut auf "eyes do close" reimt? Ja. Die sich als ewig andauernd herbeiimaginierte Liebe wird aber auch wieder ausmergeln, verblassen und dann schließlich aus sein und dann muss man sich einmal mehr fragen, was man sich denn dabei schon wieder gedacht hat.