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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

15. 1. 2013 - 19:42

Ein Wunderkind erweitert seinen Horizont

Conor O´Brien begeisterte vor etwas über zwei Jahren mit dem Villagers-Debüt "Becoming The Jackal". Jetzt meldet sich O´Brien mit dem Nachfolgealbum zurück - wir hören uns durch das Album!

Jemand der den Namen Conor trägt und Musik macht, muss wohl ein Wunderkind sein. Ein Gedanke, der spätestens seit Conor Oberst irgendwie da ist. Hat ein solcher Conor dann auch noch dieses jugendliche Gesicht, das diese gewisse Reinheit widerspiegelt, diese unschuldige purity, dann ist man noch mehr versucht, dem Wunderkind-Gedanken freien Lauf zu lassen. Conor O´Brien wurde unter dem Namen Villagers und mit dem Album "Becoming A Jackal" zum Wunderkind. Da war er zwar schon etwas mehr als ein Mittzwanziger, aber für das Wunderkind-Image war genug da: diese tiefen Augen, diese fresh-out-of-College-Lyrik, und und und. Ein jackal, ein Schakal, ist der junge Mann in der Zwischenzeit nicht geworden, auch wenn er eine beträchtliche Naturfaszination entwickelt hat: Sonne, Mond, Sterne, das Meer, die Gezeiten und ein boy named Conor - das neue Villagers-Album "{Awayland}".

junger irischer Musiker COnor O´Brien

Conor O Brien

Wonder Boy

Albumcover Villagers aus Irland, 2013

Domino

"{Awayland}" von Villagers ist - wie "Becoming A Jackal" (2010) - bei Domino Records in London erschienen.

Der Name Conor ist ein irischer, von "Conaire" kommend. Jemand der Conaire hieß, war stets König oder Held, nichts Geringeres. Heute sind Conors keine Könige mehr, sondern Musiker, Schauspieler, Politiker, Autoren oder einfach nur gewöhnliche irische Jungs. Unser irischer Boy hier ist gleichzeitig gewöhnlich und ungewöhnlich. Mit "Becoming A Jackal" nominierte ihn der britische Musikzirkus für einen Mercury Award. Conor O´Brien gewann ihn zwar nicht, trotzdem hieß das für ihn, dass die musikalische Latte nun viel viel höher lag, als für irgendeinen Conor in irgendeiner Band aus Irland. Aus dem Herman-Hesse-lesenden College-Boy ist ein Kurt-Vonnegut-lesender fast 30-Jähriger geworden.
Angstschweiß auf der Stirn vor dem zweiten Album, von wegen Erwartungen erfüllen und sowas? Hmm, na ja, doch, gewissermaßen, sagt Conor O´Brien im FM4-Interview.

"When I finished touring the last album, I felt a bit of a weight of expectation, but as soon as I got busy and started working very hard, I kind of had more expectations from myself, and that was a stronger weight. So, pressure, yes and no."

Träumer, Visionär, Surrealist

Mehr zu Conor O'Briens Ausflüge ins Elektronische auch von Philipp L'Heriter zum letzten Song zum Sonntag: Villagers - "Earthly Pleasure"

Mit Synthies hat dieser Indierock-Sinfoniker, nachdem er mit dem Touren vom ersten Album fertig war, jedenfalls herumgespielt, mit elektronischer Musik:

"I played around with that stuff when I was very young, but not with any good equipment, just with, you know, casio keyboards and anything I could get my hands on, really. This is the first time I actually bought a synthesizer and a sampler and stuff, and I started experimenting with new ways of expressing myself."

Keine Sorge, die Villagers haben kein Alles-Neu-Electronic-Pop-Album gemacht. Das hört man gleich beim ersten Song auf "{Awayland}", beim mit schöner Akustikgitarre beginnenden "My Lighthouse": "You are needing a friend, for to follow, for to fend. And I haven´t got a clue if I´m getting through to you..." Von einem "violent moonlight" singt er, von "searching the tide, in the vessel in the storm." Auch vom Lachen und vom Tanzen ist die Rede. Conor O´Brien wäre kein Ire, wenn er das nicht täte, auch wenn er sich in diesem Song dann plötzlich auf der Hamburger Reeperbahn findet. "My Lighthouse", schon jetzt ein Song-Klassiker.

Next up: "Earthly Pleasure": "Naked on the toilet with a toothbrush in his mouth....little shrapnel on the ground...earthly pleasures ring out from the caverns of my soul...." Ein großer, vielschichtiger Pop-Song. Conor O´Brien: "There´s a lot of emotional themes in there, there´s a lot of layers in there."

Dann das Herzstück von "{Awayland}": "The Waves". Hier ist er, der elektronisch(er)e Conor O`Brien. Beim Barrier Reef in Australien ist er, vom Tod und von der Geburt singt er, von "waves" und von "honey bees", von "trains" und "cemeteries", von "guilt" und "pain". Und so hübsch klingt dabei sein irisches "r", es macht ihn nebst anderen Kleinigkeiten unverwechselbar.

Da krachen die Wellen an das Ufer, oder besser, ans "Gestade". Conor O´Brien würde sicher so sagen, verwendet er doch altmodische englische Poesie-Worte wie thee gern, statt einem simplen you. Approaching the shore, approaching the shore, approaching the shore hallt es durch den Song. Wieder ein kleines Meisterwerk. Es bäumt sich auf wie eine Riesenwelle, die nicht einmal Bigwave-Superstar Laird Hamilton reiten könnte. Nein, doch. Das ist das Schöne an den Villagers - die jetzt tatsächlich auch endlich eine komplette Band sind: Da ist noch der junge College-Bub aus County Donegal in diesen Stücken. Donegal, die nördlichste irische Grafschaft, ist geprägt von Bergen, Klippen und weißen Stränden. Sie tragen Namen wie Blue Stack Mountains, Malin Head oder Marble Hill Beach. Eine Szenerie, die Conor O´Brien nicht kalt lässt. Ein sense of wonder, der ihn tief berührt, ist da, und dieses große Staunen überträgt er auch in seine Songs.

"The lyrics are different this time. They came out of the music. I was more interested in the textures I was experimenting with and then letting the lyrics almost kind of describing the textures. I felt the first album was a little too academic. It was a bit of a hangover from college. With the first album I had the title and the theme before I had even written the songs, whereas with this one the theme and the title came at the end and it was a result of all the experimentation. The lyrics are less self-conscious, more sensual. They are about maintaining your sense of wonder about the world and your curiosity about the absolute diversity of everything and everyone."

Irische Band Villagers, jung

Villagers

Weitere Song-Tipps von "{Awayland}":

"Nothing Arived": Ein jangly Popsong über die, Zitat Conor O´Brien, "meaninglessness of everything", die gleichzeitig die "meaningfulness of everything " ist. Ein Folk-Song, der einen innig umarmt: "The seabird sings, so why should we fear what travel brings."

"The Bell": Das älteste Stück am Album. Conor O´Brien begann es vor zwölf Jahren zu schreiben, als er 17 war. Eine gewisse groovy Seventies-Funkiness zeichnet das Stück aus. Großartig. Der Inhalt: Wenn man keine Worte findet, um etwas zu beschreiben. "There is a sleeping dog under this dialogue..."

P.S.: Susi Ondrusova fragte Conor O´Brien in einem Interview, ob er a guilty pleasure hätte, also etwas, das er insgeheim toll findet, obwohl man es eigentlich nicht toll finden sollte, wenn man auf seinen guten Ruf bedacht ist. Die schnelle Antwort von Conor: "The songwriting skills of Gary Barlow of Take That". Wer solche guilty pleasures hat, kann kein schlechter Künstler nicht sein.