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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

21. 11. 2012 - 17:21

Darf’s ein bisschen Bass sein?

Der britische Hersteller Novation bringt mit MiniNova einen Synthesizer auf den Markt, der klein ist, aber die Wände beben lässt. Eine Liebeserklärung an den virtuell-analogen Sound.

Ich war zehn Jahre alt, als meine Mutter bemerkte, dass ich mir aus Gummiringen und Kartonschachteln so etwas ähnliches wie ein Musikinstrument gebastelt hatte. Ein paar Tage später brachte sie mir eine Gitarre nach Hause. Das war sehr aufmerksam von ihr.

Später kam etwas in den Haushalt, das meine kreative Neugierde noch stärker beeinflussen würde: Ein Homecomputer. Mit ihm erreichte ich zweierlei, nämlich die Befriedigung meines Interesses für alles elektronische, sowie die Vermeidung eines allzu hohen Geräuschpegels beim Musizieren im Gemeindebau, den wir bewohnten. Und so wurden über die Jahre Computer zu meinem Instrument.

Als dann noch die Liebe zu den Platten von Public Enemy und Run-DMC dazukam und ich begann, in Clubs mit Turntables aufzulegen, wuchs all das zusammen und ich wurde Hip-Hop-Producer. Computer allein reichten fürs Platten produzieren nicht aus, ich tauchte ein in die Welt der Akai-Sampler, Roland-Synths und Mackie-Mischpulte.

MiniNova

Novation

Analog und digital

Die Studioarbeit in den neunziger Jahren zeichnete sich durch eine merkwürdige Mischung aus analog und digital aus: knisternde Schallplatten aber digitale Sampler; analoge Kompressoren, die vor glasklare Harddisk-Recorder geschaltet waren; Synthesizer, aber in ihrer dreckigen Analogvariante. Digital- und Analogwelt existierten parallel und vermischten einander schneller, als man vielleicht Anfang der Neunziger noch erwartet hatte: Auf Vinyl eingeschworene DJs akzeptierten bald Vinylemulatoren wie Serato oder neue Geräte wie Pioneers CDJ 1000, und Musiker, die zuvor digitale Synthesizer mit Stirnrunzeln bedacht hatten, wurden neugierig auf eine neue Generation virtuell-analoger Synthesizer. Letztere vereinten den Klang der analogen und die Vorteile der digitalen Welt. Anfangs wurden virtuell-analoge Synthesizer so gebaut, dass sie hinsichtlich Optik und Haptik ihren "echt" analogen Vorbildern möglichst stark ähnelten - sie waren also große Kästen mit vielen Knöpfen und Reglern dran.

Plugins

Kaum hatte man sich an den Boom dieser wunderbaren, irgendwie alt und gleichzeitig neu klingenden Retrokisten gewöhnt, folgte schon der nächste Paradigmenwechsel: Die Synthesizer verloren ihre physische Erscheinung und wurden zu Plugins - also zu Software, mit der man das Musikprogramm am Computer erweiterte. In diesem gegenwärtigen Zeitalter der Plugins ist es möglich, tausende Instrumente auf einem einzigen Gerät zu speichern. Wenn mich weniger erfahrene Freunde und Bekannte fragen, welche Plugins sie am besten installieren sollen, empfehle ich ihnen, ein einziges, sehr mächtiges auszuwählen, dieses aber richtig gut zu lernen. Ich weiß nicht, ob meine Freunde diesem Rat folgen. Ich selbst halte mich kaum daran.

Nicht nur installiere und probiere ich ständig viel mehr virtuelle Musikinstrumente als ich benutzen kann, ich bemerke auch, wie sich die Sehnsucht nach physischen, mit den Händen berührbare Synthesizer-Kastln wieder zu regen beginnt. Und ganz so, als hätte ich nicht schon genug von diesen blubbernden, wobbelnden Wundermaschinen, habe ich mir den Novation MiniNova gekauft. Und nein, meine Freunde, ich bereue es nicht.

MiniNova

Novation

Novation

Der britische Hersteller Novation veröffentlichte in den Neunzigern seinen ersten selbstgebauten Synthesizer: Ein kleines, blaues Keyboard namens "Bass Station". Es sollte Musikern als Alternative zur am Second-Hand-Markt immer teurer gewordenen, originalen Acidkiste TB-303 dienen - kein schlechter erster Schritt der Briten, auch wenn der Klang der "Bass Station" nicht an den druckvollen und dreckigen Sound des Originals heranreichte. Doch zwei Jahrzehnte später hat Novation die virtuelle Klangsynthese an die Spitze getrieben und sie wieder in ein kleines, blaues Keyboard mit durchdachtem Interface gesteckt.

MiniNova

Achtung, es folgt ein ganz kurzer Absatz Musiknerd-Sprech: Ein Patch des MiniNova kann aus drei Oszillatoren erzeugt werden. 14 verschiedene Filtertypen stehen zur Auswahl (von denen zwei pro Patch verwendet werden dürfen), 36 Wavetables stehen zur Verfügung, drei LFOs, 20 Modulations-Slots. Das war's schon wieder, ich hab nicht gebohrt.

MiniNova Rückseite

Novation

Stromanschluss, USB, MIDI, Outputs, Kopfhöreranschluss und Line Input. Der XLR-Anschluss fürs Vocoder-Mic ist an der Oberseite.

Der Sound!

Der MiniNova klingt gut. Verdammt gut. Seine verzerrten Bässe massieren den Bauch und scheinen gleichzeitig Löcher in die Wand zu reißen. Sie schreien nach Dubstep, Hardbass und Raggatek. Sounds können beim Spielen mit acht sogenannten "Animate"-Buttons manipuliert werden - die Buttons sind frei programmierbar, und sie leuchten blau. Überhaupt wirkt das ganze Keyboard ein bißchen wie die Steuerungskonsole eines Raumschiffs. Und das Erzeugen nie dagewesener Sounds auf diesem Raumschiffteil - Sounds von erstaunlicher Komplexität - wird entweder direkt auf dem Gerät dank einer übersichtlichen Edit-Matrix gemacht (fünf Drehregler und ein Hebel), oder alternativ auf dem PC - denn die MiniNova ist per USB-Kabel an den Rechner anschließbar. Demnächst wird ein Editor-Plugin nachgereicht, dann vereint das Gerät die beiden Welten der virtuell-analogen Synthesizer-Keyboards und der Plugins. (Bisher ist leider nur eine Library-Software, die beim Organisieren der Patches am PC hilft verfügbar.)

Vocoder

Über einen XLR-Anschluss auf der Gehäuseoberseite kann ein Mikrofon angeschlossen werden. Mehrere voreingestellte Vocoderpatches erlauben es zu singen während am Keyboard gespielt wird und dabei wunderbaren Vocoder-Gesang zu generieren. Selten zuvor war es so einfach, Vocoder-Aufnahmen in dieser Qualität und Geschwindigkeit zu erreichen. Ein zusätzlicher Vocal-Tune-Modus erlaubt weniger auffällige Manipulationen bzw. Korrekturen am Gesang.

Fazit

Früher habe ich jeden Monat mehrere Fachzeitschriften zum Thema Sampler, Synthesizer und Mischpulte verschlungen und von diesen Kisten geträumt. Der Fanatismus ist einer pragmatischeren Beziehung gewichen - dennoch bin ich in den letzten Wochen zum Fan des MiniNova geworden. Dabei gefällt mir nicht alles an dem kleinen, blauen Synth. Seine 37 Keys sind zu schmal; dem Gerät fehlt ein Batteriefach (er kann wahlweise per USB oder Netzteil mit Strom versorgt werden); die Plastikverschalung mit Fake-Holz an den Rändern dürfte nicht jeden Geschmack treffen. Insgesamt schneidet der MiniNova aber vor allem im direkten Vergleich mit seinem größten Konkurrenten, dem MicroKORG, wesentlich besser ab - dank des überlegenen Sounds, des besser durchdachten Interfaces und der flexibleren Anschlussmöglichkeiten (USB und XLR). Für 450 Euro erhält man ein kompaktes Keyboard, leicht programmierbar und mit druckvoller, äußerst flexibler Klangsynthese.