Erstellt am: 22. 11. 2012 - 14:28 Uhr
Schuhplatteln gegen die Finanzlobby?
Der Waldviertler Schuhunternehmer Staudinger präsentiert sich als David, der gegen einen Goliath antritt: Die Finanzmarktaufsicht (FMA) will ihm Änderungen bei seinem Finanzierungsmodell vorschreiben, aber er sträubt sich mit großem öffentlichen Trara. Sein Modell ist eine Art Sparverein, mit dem er bei Bekannten und bei der Kundschaft gegen Verzinsung rund drei Millionen Euro eingesammelt hat, um den Ausbau seines Unternehmens zu finanzieren.
APA / HANS KLAUS TECHT
Die Finanzmarktaufsicht sagt, das sei ein lizenzpflichtiges Bankgeschäft und fordert Änderungen. Staudinger wehrt sich und inszeniert in Pressekonferenzen, Bürgerversammlungen und Falter-Inseraten einen Kampf Gut-gegen-Böse, Klein-gegen-Groß, Land-gegen-Stadt, Sozialunternehmen-gegen-Bankenlobby. Neben Staudinger sind noch andere kleine Projekte ins Visier der Aufsicht geraten, die Gelder einsammeln, um gemeinnützige Projekte wie z.B. Alternative Energieversorgungsanlagen zu finanzieren.
Zweierlei Maß?
Ökonomie auf FM4
Der Zeitpunkt ist tatsächlich merkwürdig: Eben noch haben Bankenkrise und Finanzskandale gezeigt, dass die Beaufsichtigung etablierter Big Player am Finanzsektor, nun ja, verbesserungswürdig wäre, und nun zeigt die Aufsicht ausgerechnet bei marginalen regionalen Kleinprojekten Zähne. Geht es da nicht auch um einen billigen Profilierungsversuch einer Behörde bei wehrlosen Opfern? Oder schicken die etablierten Banken die Finanzmarktaufsicht, um eine Konkurrenz, ein alternatives Modell, kaputtzumachen? Staudinger gilt als sozial engagierter Unternehmer und hat sein Finanzierungsprojekt als Reaktion auf eine Kürzung von Kreditlinien durch seine Hausbank gestartet. Er wird deshalb im Kreis jener Attac-SympathisantInnen, die an einer "Demokratischen Bank" arbeiten, als Paradebeispiel eines gemeinwohlorientierten Unternehmens und Vorbild für alternative Kreditmodelle wie crowdfunding und Alternativbanken gehandelt, wo Gelder für Projekte gesammelt werden, ohne dass eine Kommerzbank eingeschaltet wird.
matz36/Flickr
Ob unlautere Motive hinter dem Einschreiten der Finanzmarktaufsicht stehen, ist unbekannt. Aber sicher ist, dass die Kritik der FMA an mangelndem AnlegerInnenschutz nicht mit dem Argument aus dem Weg geräumt werden kann, die Leute hätten nun mal Vertrauen in das Projekt und bislang gute Erfahrungen gemacht. Auch in einem alternativen Finanzierungs- bzw. Bankenmodell fällt der Interessensgegensatz zwischen GläubigerInnen und SchuldnerInnen nicht einfach weg. Und nicht nur gierige Zockerbuden, sondern auch wohlmeinende Gemeinwohlunternehmungen können in Schieflage geraten und so die Einlagen ihrer Kundschaft gefährden. Es gibt nun mal kein sicheres Bankgeschäft: Kredite sind eine Wette auf das Gelingen eines Projekts und diese Wette kann immer schiefgehen.
Es war einmal...
Ein Vorläufer des Projekts "Demokratische Bank" war die Ökobank in Deutschland. 1988 entstand sie aus der Friedens- und Ökologiebewegung. Aus der paradoxen Situation, mit den Spareinlagen bei konventionellen Banken das ungewollt mitzufinanzieren, was in der politischen Arbeit bekämpft wurde - Rüstungskonzerne, Atomindustrie - sollte die Alternativbank einen Ausweg bieten und die Einlagen der Kundschaft für Kredite an alternativökonomische Initiativen verwenden. Nach rasantem Wachstum war 2001 Schluss. Das Eigenkapital konnte mit dem wachsenden Geschäftsvolumen nicht mithalten, weil sich zu wenig sympathisierende Leute fanden, die neues zweckgebundenes und niedrigverzinstes Geld geben wollten. Zu viele Kredite wurden für ähnliche Projekte vergeben und die Streuung vernachlässigt, so dass die Bank etwa von einer Krise der Recycling-Branche schwer getroffen wurde. Schließlich wuchsen zwar die Personalkosten, aber nicht die Produktivität. Zur Sicherung der Einlagen mussten am Ende Gelder des Einlagenversicherungsfonds des Genossenschaftsbankensektors in Millionenhöhe in Anspruch genommen werden.
Die Reste der Ökobank gingen in der anthroposophisch orientierten Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS) auf, die auch heute noch besteht, wachsenden Zulauf hat, aber wie die Ökobank Probleme hat, ausreichend Eigenkapital zu mobilisieren. Folglich ist sie jetzt dazu übergegangen, KapitalgeberInnen Dividenden anzubieten - ein Bruch mit einem zentralen Grundsatz.
Auch die noa Bank trat 2009 als ökologisch und ethisch ausgerichtete Direktbank auf den deutschen Markt. 2010 war sie insolvent.
Was ist "alternativ"?
Das bedeutet nicht, dass alle Ansätze zum Scheitern verurteilt sind, die von einer risikoorientierten Gewinnorientierung konventioneller Banken abweichen wollen: Zahlreiche Modelle genossenschaftlicher Bankmodelle überleben seit vielen Jahren in vielen Ländern. Aber "alternative" Kreditvergabe ist nicht grundsätzlich aussichtsreicher als konventionelle Kreditvergabe und folglich sind die Spareinlagen in einer alternativen Bank bzw. Sparverein nicht grundsätzlich sicherer als anderswo. Deshalb gibt es keinen Grund, an ein Verpuffen des Spannungsverhältnisses zwischen GläubigerInnen- und SchuldnerInnenseite in einem alternativen Bankenmodell zu hoffen (außer die Sache ist nicht als Spar-, sondern als Spendenprojekt deklariert). Wer Kundschaftsgelder annimmt, eine fixe Verzinsung verspricht und als Kredit weitergibt oder in eigene Projekte investiert, muss Eigenkapital aufbringen, das für einen Teil allfälliger Verluste geradesteht, sich in die Bücher schauen lassen, Kontrollen zulassen und Mitglied in einem Sicherheitsnetz sein, das einspringt, wenn das Rückzahlungsversprechen nicht gehalten werden kann. So viel Bodenhaftung muss auch bei alternativökonomischen Höhenflügen sein.