Erstellt am: 21. 11. 2012 - 13:32 Uhr
Ultraschmalband- das "Internet of Things"
Unter den Top 10 der Technologietrends, die 2013 von strategischer Bedeutung sein werden, listet das Beratungsunternehmen Gartner das "Internet of Things". Dieser vor fast 15 Jahren geprägte Begriff bezeichnet die direkte Kommunikation zwischen Maschinen und hat seitdem bereits mehrere Hypes hinter sich.
Warum also sollte diese Technologie ausgerechnet 2013 schlagend werden? Weil sie längst da und mittlerweile so weit in den Alltag vorgedrungen ist, dass in Frankreich gerade ein eigenes landesweites Datennetz nur für "Maschinenkommunikation" kurz vor der Fertigstellung steht.
Ultraschmal statt breit
Während gemeinhin die Devise "je breitbandiger desto moderner" gilt, errichtet das französische Start-Up-Unternehmen SigFox ein Datennetz für ultraschmalbandige Kanäle. Hier werden nämlich keine Videos herumgefunkt, sondern Mini-Datensätze bei einem Durchsatz von 100bit/sec bis 1 kb/sec (sic!) durch die Luft "gezirpt".
Eine Lizenz braucht es dafür nicht, denn diese "Chirps" - kommen über freie Bandbereiche daher, in denen altvertraute Geräte funken: Walkie-Talkies (433 MHz), Schnurlostelefone (868/915 MHz) etc.
Sieben Jahre Stromversorgung
Eine einzige SigFox-Basisstation kontrolliert so 1000 "Sensoren" des neuen Leckwarnsystems im Wasserleitungsnetz in der gesamten Region rund um Grenoble. Die dort montierten Kästchen benötigen nur ein paar Milliwatt, doch das genügt, um die Daten zentral abzurufen.
Bei Normalbetrieb geschieht das einmal pro Tag, dann geht das Kästchen in den Ruhemodus, der Verbrauch im Ѕtandby-Betrieb ist mit zwei Mikroampere minimal. Das muss auch sein, denn laut Hersteller sind die fix verbauten Batterien auf eine Lebensdauer von mindestens sieben Jahren angelegt.
Netzwerke, die Daten von Sensoren automatisiert verarbeiten, dringen auch anderswo in den Lebensalltag der Zivilgesellschaft vor. Von der EU-Kommission werden aktuell 12 Projekte zur Überwachung des urbanen Raums gefördert, die allesamt auf vernetzten Sensoren basieren.
"Intelligente" Stromzähler
Zur Übermittlung der Werte von Umgebungstemperatur bzw. Erdwiderstand braucht es kein Internetprotokoll und schon gar kein Breitband, im Gegenteil. Durch die Schmalbandigkeit ist es erst möglich, den beschränkten Frequenzbereich in den erwähnten Bändern auf eine große Zahl von Einzelkanälen aufzuteilen.
Dadurch wird die Kapazität jeder Basistation um Potenzen erweitert, über das SigFox-Netz sollen nämlich in Folge auch die Daten "intelligenter Stromzähler" in der Region Grenoble eingesammelt werden. Erst ab der Basistation regieren dann Internetprotokoll und die üblichen IT-Routinen, wie automatische Einträge in definierte Felder einer Datenbank.
Die Ultraschmalbandwelt
Im vorgelagerten "Internet der Dinge" gelten also gänzlich andere Regeln als in der Welt der TCP/IP-Protokollfamilie des Internets. Fernab vom Stromnetz ist das "Always On"-Prinzip von TCP/IP völlig widersinnig, Routing und Switching erübrigen sich ebenso, weil die Gerätchen nicht untereinander, sondern nur mit einer Basistation kommunizieren.
Die in Österreich und quer durch Europa projektierten Smart-Metering-Systeme sind nicht viel anderes als Sensornetze, allerdings mit etwas mehr Interaktionen, da die schlauen Stromzähler auch Schaltfunktionen haben.
Um hunderttausende solcher und vergleichbarer Sensoren aus Telemetrienetzen aller Art anzubinden, braucht es eben keine breitbandige Anbindung, sondern möglichste viele und deshalb möglichst schmale Kanäle.
Preisverfall beim Equipment
Die gesamte, theoretisch nutzbare Bandbereite beträgt in allen Bereichen jeweils nur zwei MHz, daher müssen über die einzelnen Kanäle nacheinander verschiedene Sensoren abgerufen werden.
Was die Hardware der Endgeräte angeht, so wurde praktisch keine einzige Komponente für das "Internet der Dinge" neu entwickelt. Die Transceiver-Module, also Sender und Empfänger, werden seit Jahren in Schnurlostelefonen (868 bzw. 915 MHz) bzw. Walkie-Talkies (433) verbaut, sind hochminiaturisiert und auch entsprechend billig.
Die von Sigfox eingesetzte "ultraeffiziente Radiotechnologie im Detail.
In Smartphones und in PKWs wiederum wurden in den letzten Jahren aberwitzige Stückzahlen immer besserer Sensoren aller Art verbaut: Auch hier verfallen die Preise.
Der "intelligente Kühlschrank"
Die Kosten für das gesamte, flächendeckende Netz in Frankreich betragen laut SigFox nur ein Prozent eines Netzes auf GSM-Basis, weil das "Netz der Dinge" mit einem Bruchteil an Basistationen auskommt.
All das zusammen deutet klar darauf hin, dass die Vernetzung in einem Entwicklungssprung begriffen ist, der sieht halt technisch ziemlich anders aus, als es die - wie stets - allzu linearen Prognosen wissen wollten.
Auch die vom Pentagon neu vergebenen Rüstungsaufträge widerspiegeln denselben Trend. Trotz Sparkurs und damit verbundenem Auftragsrückgang gibt es weiterhin frisches Geld für Sensornetze und mit Sensoren geradezu vollgestopfte Drohnen.
Mit den noch bei jedem Hype beschworenen "intelligenten Kühlschränken", die über WLAN und WWW im Supermarkt nachbestellen, hat das "Netz der Dinge" nämlich nichts zu tun.
Die weitaus meisten, jetzt neu vernetzten "Dinge" sind Sensoren, die weder das Internetprotokoll je beherrschen werden, noch eine IP-Adresse benötigen. Dass ausgerechnet Ultraschmalband als Übertragungstechnologie dabei die wichtigste Rolle zukommt, ist eines der witzigeren Paradoxa der daran nicht eben armen Kommunikationsgeschichte.