Erstellt am: 25. 11. 2012 - 15:00 Uhr
Garderobenanmerkungen
marc carnal
Marc Carnal, der schönste Mann von Wien, sammelt seit geraumer Zeit Einkaufslisten.
Unterstützt wird er dabei von einem stetig wachsenden Kreis an redlichen Helfern, die ihn regelmäßig mit am Wegesrand oder in Supermärkten aufgelesenen Zettelchen beliefern, auf denen Fremde seltsame, amüsante, wirre, ungesunde oder fragwürdige Gedankenstützen notiert haben.
Zu diesen teils zauberhaften Stichwortsammlungen verfasst Herr Carnal dann Texte und trägt diese zwischendurch auch öffentlich vor.
marc carnal
Ein Blick in meinen Kleiderschrank bietet seit vielen Jahren wenig Abwechslung: Da wären schwarze Unterhosen neben schwarzen Socken, ein Stoß schwarzer T-Shirts, einige schwarze und graue Hosen und eine Kleiderstange, auf der zahlreiche schwarze Hemden aufgereiht sind. Um sich in diesem schwarzen Loch nicht zu verlieren, findet man als Kontrastmittel dazwischen auch noch weiße T-Shirts oder eine blaue Badehose.
Der letzte Absatz zählt zweifellos zu den uninteressantesten, die ich jemals auf diesen grau-gelben Seiten zu publizieren wagte. Ich möchte mich dafür entschuldigen und sogleich versuchen, mit würzigerem Inhalt fortzufahren.
Man mag meinen Kleidungsstil einfallslos nennen, schlecht angezogen bin ich deshalb noch nicht. Die würdevollste Kleidung für den Herrn besteht schließlich nach wie vor aus langen, ich betone langen, und noch einmal für die hinteren Reihen: LANGEN Hosen und langen Hemden. Reift der Herr, mögen vermehrt Sakkos den Leib veredeln. Merkwürdige Stecktücher und progressives Schuhwerk sind als individuelle Noten in der Garderobe gerade noch zu tolerieren. Auf jeden Fall, ihr lieben Herren: Kauft euch Hemden und zieht sie euch auch an! "Das Hemd" darf und wird niemals "verschwinden" und es hat sich sein tadelloses Standing in zahlreichen Milieus und Schichten vollkommen verdient.
Das Ron Tyler Archiv hat es immer schon gewusst: Die Melone feierte im letzten Winter ein unerwartetes Comeback. Dass ich übrigens in den Archiv-Folgen 432 bis 475 ein weißes Poloshirt trage, möge man mir als erfrischende Ausnahme von der oben beschrieben Regel verzeihen.
Außer Hemden und langen Hosen gibt es für Männer wenig tragbare (höhö, doppelter Wortsinn, und das unabsichtlich!) Alltagsmode. Schlendert man durch einen Textil-Discounter, sieht man fast nur Grässliches: Die meisten "Sachen" lassen befürchten, dass die Designer beim Entwerfen ausschließlich und viel zu laut Hip Hop hörten. Sinnlose Kapuzen, hässliche Bänder, alles zu weit, asymmetrisch und von sinnlosen Taschen, Knöpfen und Bändern übersät. Was nicht nach Rapper-Kluft aussieht, ist für adoleszente Problemkinder im UV-Licht der Vorstadt-Großraumdiscos geschneidert.
Nachdem es sich auf der einleitenden Einkaufsliste bei Michi und Lisa wahrscheinlich um die Kinder des Einkaufenden handelt, beseelt mich gerade die Vorstellung, dass es sich bei den anderen Namen um weitere drei Kinder dieser Großfamilie handelt.
Herr und Frau Schnalzenböck mit ihren liebreizenden Kindern Lisa, Michi, Tom Taylor, Deichmann und dem kleinen Kik Schnalzenböck.
Die grässliche Herrenmode im Billigsegment ist keinen Trends geschuldet. Vielmehr werden einfach jedes Jahr neue, reizlose Kunstfaser-Kollektionen feilgeboten, die aus Mangel an Alternativen genug Männer kaufen, um die Restmänner denken zu lassen: "Hm, das ist also gerade in."
Bei der Damenmode funktioniert dieses Prinzip fast gleich. Im vergangenen Sommer wurden offenbar kaum mehr Röcke angeboten, die wenigstens bis zu den Knien reichten. Allerorts sah man Girls, deren Beine gerade noch sittenunwidrig verhüllt waren. Unfassbar enge, gürtelgleiche Röckchen, die kein würdevolles Schreiten erlaubten. Dazu riesige Sonnenbrillen. Jedes Jahr werden die Röcke kürzer und die Sonnenbrillen noch größer. Die Selbstdegradierung zur Comicfigur.
Ich kenne allerdings einige Frauen, die sich wirklich gut zu kleiden wissen. Da werden Wollwülste kunstvoll um Rümpfe gewickelt, Hosenanzüge gewitzt mit kessen Westen kombiniert und schlichte Shirts gekonnt von opulenten Halstüchern konterkariert. Ein Grundprinzip dieser wohlumhüllten Girls ist, dass sie unter keinen Umständen zu "sexy Teilen" greifen, weil sie wissen, dass "sexy" der Erzfeind der Erotik ist.
Ein wesentliches Merkmal der gut gekleideten Frauen ist, dass ihr Stil-Talent immer nur der aufmerksame Blick bemerkt. So extravagant die Montur auch sein mag, sie wirkt doch wie beiläufig angegossen, selbstverständlich in ihrer Stimmigkeit und betörend in ihrer frugalen Eleganz.
Es wäre vielen Männern zu wünschen, in dieser Hinsicht etwas talentierter zu sein. Und ambitionierter. Ich bin es leider nicht, deshalb beschränke ich mich auf den zuvor beschriebenen Anziehfundus.
Das Wort "frugal" habe ich im vorletzten Absatz übrigens nur deshalb verwendet, weil es oft falsch, nämlich mit der gegenteiligen Bedeutung "üppig" verwendet wird. Man macht sich als selbsternannter Freizeit-Deutschlehrer zwar schnell unbeliebt, aber das ist mir meine Mission im Dienste einer reichhaltigen Sprache wert. Dass ich mich nicht auf ein bisschen Sprachmissionierung zwischendurch beschränke, sondern mir nun auch noch Expertisen in Sachen Mode anmaße, macht mich allerdings ein bisschen unsympathisch.
Doch das ist mir egal!
P.S.: In Superman kommen sämtliche Buchstaben von Sperma vor, noch dazu in der richtigen Reihenfolge!
P.P.S.: Einmal sorgte ich unabsichtlich für Gelächter, weil ich behauptete, meine Schuhe seien von Deichkind. Lieb, oder? Bin ich Ihnen jetzt wieder ein bisschen sympathischer?
Hm?