Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "This Is Not A Film"

Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

21. 11. 2012 - 11:47

This Is Not A Film

Der zur Zeit in Iran inhaftierte Filmregisseur Jafar Panahi zeigt in dieser nach Europa geschmuggelten Dokumentation einen Tag seines Hausarrests in Teheran.

Jafar Panahi ist einer der im Westen wohl bekanntesten iranischen Filmemacher_innen. Spätestens seit er aufgrund seines, von der iranischen Regierung auferlegten, Hausarrests nicht als Jury-Mitglied an der Berlinale 2011 teilnehmen konnte, sind nicht nur seine Filme, sondern auch er selbst in aller Munde.

Isabella Rossellini verliest einen offenen Brief von Jafar Panahi zur Eröffnung der Berlinale 2011.

Diese Situation ist keineswegs ein Einzelfall. Seit Jahrzehnten hindert die iranische Regierung unzählige Künstler_innen an ihrer Arbeit, bzw. ihr so nachzugehen, wie sie es selbst gerne wünschen. Freiheit (der Kunst) wird in Iran sehr klein geschrieben.

Ceci n'est pas un film

Dass Iran trotz der veschiedenen wechselnden Regime und diktatorischen Machthaber der letzten Jahrzehnte immer noch im Blickfeld der westlichen Medienberichterstattung steht, die sonst nach gewissen Zeiträumen das Interesse an unterdrückten Völkern verliert, liegt nicht nur am Mangel an Menschenrechten, am umkämpften Ölvorkommen und der besorgniserregenden Atompolitik des Landes, sondern vor allem auch an dessen Künstler_innen, die all diese furchtbaren Umstände verarbeiten und thematisieren.

Oft erscheint es einem fast schon übertrieben, wie viel Aufmerksamkeit hier gerade Iran gewidmet wird, als gäbe es keine anderen Nationen und Regierungen, die genauso übel, wenn nicht noch übler mit ihren "Kreativen" umgingen. Doch kein Feuilleton kommt dieser Tage ohne einen Hinweis auf eine persische Ausstellung oder einen neuen Film aus dem politisch-verwunschenen Land aus. Auch die Künstler_innen selbst haben diesen Hype natürlich bemerkt und manchen von ihnen wird sogar unterstellt, sich im Leid ihres Volkes zu suhlen, um internationale Achtung zu erhaschen. Doch nicht Panahi.

thisisnotafilm.net

In Film nist

Obwohl es sich in This is not... gut anbieten würde, weist der Regisseur (ohne offizielle Regie-Erlaubnis) kein einziges Mal auf sein persönliches Leiden hin, auch wenn man erfährt, dass er auf ein Urteil eines Gerichts wartet und unter Hausarrest steht, wird das nur peripher zum Thema. Man erlebt Panahi als einen Menschen, der für seinen Beruf lebt und so ist auch das Thema von This is not... das Filmschaffen an sich.

Weitere Filmempfehlungen

Anfangs versucht er sich selbst zu filmen, man sieht ihn beim Frühstück, beim Füttern des Haus-Leguans und beim Blumengießen. Doch schon bald bittet er einen Freund die Kamera zu übernehmen und ihn dabei zu filmen, wie er ein zuvor von der Regierung abgelehntes Drehbuch vorliest. Der Kameramann und Panahi selbst sind von diesem Projekt nicht ganz überzeugt und die Zweifel daran, einen Film darüber zu machen, dass man einen anderen Film nicht machen darf, führen zu interessanten Gesprächen zwischen den beiden.

Dies ist kein Film

"Wenn Friseure nichts zu tun haben, schneiden sie sich gegenseitig die Haare.", bemerkt der Kameramann in einer Szene zynisch. Doch This is not... ist viel mehr als bloßer Zeitvertreib, es ist eine Art Therapie für den eingesperrten Panahi und gleichzeitig eine Werkschau über sein jahrelanges Filmschaffen. Um dem Kameramann manche Szenen des vorgelesenen Drehbuchs zu verdeutlichen, spielt Panahi ihm Szenen aus seinen bishergen Filmen vor und versucht auf diesem Weg auch seine persönliche Situation im Hausarrest zu erklären.

Das sind die Momente, in denen man den Perfektionisten Panahi erkennt, wie er voller Euphorie über die Schauspieler_innen spricht und in denen man gleichzeitig den geschlagenen Menschen Panahi erkennt, wenn er sich und seine schreckliche Situation mit eigenen Filmfiguren vergleicht.

thisisnotafilm.net

این فیلم نیست

This is not... kann man wohl nur dann wertschätzen, wenn man sich mit Iran und Panahi im Speziellen beschäftigt hat. Ohne Vorwissen lässt einen der Film ratlos zurück, er erklärt nur wenig, es gibt kaum spürbare Emotion und die Situation, in der sich Panahi befindet, wirkt dadurch unverständlich.

Weiß man aber, dass diese wenigen fünfundsiebzig Minuten Filmmaterial in einer winzigen Festplatte in einem vermeintlichen Geburtstagskuchen von Teheran nach Cannes geschmuggelt wurden und dass Panahi schon ein Jahr im Gefängnis sitzt und sein Urteil nicht - wie einmal kurz im Film gehofft wird - gekürzt, oder gar annulliert, sondern in vollem Ausmaß (sechs Jahre Züchtigungsanstalt und zwanzig Jahre Berufsausübungsverbot) vollstreckt wurde, dann erzielt der Film seine Wirkung sehr wohl.

"This is not a film" läuft im Filmhaus Kino am Spittelberg, Wien.

Dass dieser Film für alle Beteiligten ein großes Risiko dargestellt hat und nun, da er in Europa in den Kinos läuft, immer noch eines darstellt, wird im Abspann deutlich, als anstelle der Namen der Mitwirkenden nur einzelne Punkte eingeblendet werden. Am Ende bleibt nur eine Widmung auf der Leinwand zurück: "For all Iranian filmmakers".