Erstellt am: 19. 11. 2012 - 16:03 Uhr
Frankreich und die Homo-Ehe
In mehreren Städten Frankreichs demonstrierten mehr als hunderttausend Menschen gegen die Öffnung der Ehe für Homosexuelle und gegen ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Dabei kam es sogar zu zu tätlichen Angriffen auf Teilnehmer einer kleinen Gegendemonstration. Dabei gibt es in Frankreich schon seit 1999 den "pacte civil de solidarité" (PACS), der allen unverheirateten Paaren, ob heterosexuell oder homosexuell, einen Rechtsstatus verleiht. Wer also steckt hinter den massiven Protesten gegen die Gleichstellung von Hetero- und Homoehe Frankreich, das immer als liberal in Sachen Homosexuellen-Reche gegolten hat?
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Zu den Demonstrationen hatten mehrere Seiten aufgerufen. Zum einen die Kirchen, sagt Hans Woller, ORF-Korrespondent in Paris, wobei sich vor allem katholische Bischöfe besonders hervorgetan hätten: „Mehrere von ihnen sprachen sich in den letzten Monaten dezidiert, zum Teil mit sehr deftigen Äußerungen gegen die Homosexuellen-Ehe aus. Sie argumentierten, dass damit ein Fundament der christlich-abendländischen Gesellschaft zerstört werde.“
Zum anderen hatte auch die konservative Partei Union pour un mouvement populaire (UMP) zur Demonstration am Samstag aufgerufen. Woller: „Sie hat nicht nur wochenlang gegen die Homosexuellen-Ehe Stimmung gemacht, sondern die Franzosen generell aufgerufen, gegen die Politik der sozialistischen Regierung zu demonstrieren.
Drittens mobilisierte eine Organisation, die sich „Civitas“ nennt, für eine gesonderte Demonstration am Sonntag. In diesem Verband finden sich sowohl ultra-traditionalistische Christen, wie auch eine ganze Reihe politisch Rechtsextremer wieder. „Wenn dieser Verband in der Vergangenheit zu Demonstrationen aufgerufen hat“, sagt Holler, „dann hat es bei diesen Gelegenheiten Rempeleien und Raufereien gegeben – etwa bei einer Demonstration gegen ein Theaterstück, das Civitas als ‚gotteslästerlich‘ bezeichnet hat.“ Die Attacken auf Homosexuellen-Aktivisten und Journalisten bei der gestrigen Demo seien also nicht überrraschend.
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Kein Gesinnungswandel
Einen gesellschaftlichen Wandel im säkularen Frankreich will Hans Woller trotz der massiven Demos gegen Homosexuellen-Ehe und Kindesadoption nicht erkennen. Denn in allen Meinungsumfragen der letzten Jahre hätten sich zwischen 58 und 63 Prozent der Franzosen für das Recht Homosexueller ausgesprochen, standesamtlich zu heiraten.
Diese Einschätzung teilt auch Laura Leprince von der Homosexuellen-Organisation Inter-LBGT. Denn auch im Jahr 1999 anlässlich der Einführung von PACs hätten Gegendemonstrationen in der gleichen Größenordnung stattgefunden – und die Argumente gegen PACS wären damals dieselben gewesen wie jetzt gegen die Homosexuellen-Ehe: „PACS wurde als das Ende des christlichen Abendlandes bezeichnet und als der erste Schritt zu Vielehe und Inzest“, erinnert sich Leprince. „Die Demonstranten gegen die Homosexuellen-Ehe betonen heute, nicht homophob zu sein - und befürworten PACS. Doch ihre Argumente gegen die Homosexuellen-Ehe gleichen den Argumenten gegen PACS vor 13 Jahren.“
Forderung nach kompletter Gleichstellung
Dominique Boren von der Association de Parents Gais et Lesbiennes (APGL) ist überzeugt, dass die von Präsident François Hollande im Wahlkampf versprochene Homosexuellen-Ehe beschlossen wird. Dem Aktivisten geht der Gesetzesentwurf allerdings nicht weit genug: Denn obwohl der Text auch die Möglichkeit der Kindesadoption vorsieht, ist die Gleichstellung für Boren nicht komplett: Lesben und Schwulen sollen laut Entwurf nämlich nur Kinder adoptieren können, wenn sie verheiratet sind – im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren: „Heterosexuelle Paare müssen keine Form der Partnerschaft eingehen, um Kinder adoptieren zu können. Homosexuelle sollen dafür heiraten müssen.“
Während die Demonstrationen der Homo-Ehe-Gegner also letztes Wochenende über die Bühne gegangen sind, blicken die Befürworter auf die noch folgenden Verhandlungen in der politischen Arena – denn die Gesetzesnovelle soll im Jänner 2013 im französischen Parlament beschlossen werden.