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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

20. 11. 2012 - 10:26

Dildo Anus Macht

Geiler Titel: Eine Ausstellung und eine Konferenz an der Akademie der Bildenden Künste in Wien beschäftigen sich mit den Konzepten queerer Kunstproduktion und Lebensweisen. Eine Empfehlung!

Vergangenen Freitag hat die Rosa Lila Villa Geburtstag gefeiert. Vor dreißig Jahren haben Lesben und Schwule ein Abbruchhaus der Gemeinde Wien besetzt und in die Rosa Lila Villa verwandelt. Viel hat sich seither getan. Die Begrifflichkeiten haben sich verändert und erweitert. Zu "schwul" und "lesbisch" kam der mittlerweile omnipräsente Begriff "queer". Die Mainstreamkultur hat den Begriff absorbiert und daraus einen Modebegriff gebastelt, den sich jeder zurechtlegen kann, wie er möchte.

Kein Wunder, dass immer wieder grobe Missverständnisse auftauchen, wenn es darum geht, den Begriff zu erklären:

"Queer steht nun einmal nicht einfach für 'schwul', ist kein begriffliches Update von 'gay' und auch keine bloße Erweiterung, welche Schwule und Lesben gleichermaßen umfasst, sondern stellt als Verunsicherungstaktik jegliche identitäre Selbst- und Fremdzuweisung in Frage. Lediglich Denkfaulheit oder falsch verstandene Hippness hat dazu geführt, dass sich queer in unserem Sprachgebrauch als Synonym für 'schwul/lesbisch' durchgesetzt hat." (Zitat: Martin Büsser, For your pleasure. Fragmente einer Porno-Komparatistik)

Roee Rosen

Roee Rosen

"Rosa Arbeit auf goldener Straße": xhibit der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien 1, Schillerplatz 3.

10.11.2012 bis 3.2.2013, Di-So 10-18 Uhr, www.akbild.ac.at

Queerness, was ist das also? Was bedeutet ein queer sein in Bezug auf Leben, Arbeiten und vor allem auch in der Kunstproduktion? Die Ausstellung "Rosa Arbeit auf Goldener Straße" und die Konferenz "Dildo Anus Macht: Queere Abstraktion" die dieser Tage auf der Akademie der Bildenden Künste in Wien stattfinden schauen sich das genauer an.

Was hat "queer sein" mit Kunst zu tun?

Es macht Sinn, dass gerade in der Welt der Künste Identitätsfragen stets neu ausverhandelt werden. Aber wurde vor Jahren noch mit Pinsel und Leinwand für die sexuelle Vielfalt und ein breiteres Verständnis gegenüber unterschiedlichsten Identitätskonzepten gekämpft, ist mittlerweile eine entspanntere Atmosphäre in die Räume der Künste eingezogen.

Viktor Brázdil

Viktor Brázdil

Bei der Eröffnung der Ausstellung haben sich die KünstlerInnen Andreas Riegler, Peter Kozek und Jakob Lena Knebl performativ abgewatscht. Es war sehr lustig!

Die viertätige Konferenz „Dildo Anus Macht: Queere Abstraktion“ findet zwischen 22.-25.11.2012 statt und befasst sich mit Queerness als Lebens- und Arbeitsalltag.

Gäste sind neben anderen Judith/Jack Halberstam, Tim Stütgen, Gin/i Müller, u.v.m.

Das von Hans Scheirl an der Akademie der bildenden Künste Wien initiierte Konferenzprojekt befasst sich ebenso wie die von Christiane Erharter und Dietmar Schwärzler kuratierte Ausstellung mit dem Themenfeld "Queerness als Arbeits- und Lebensalltag".

In der Ausstellung "Rosa Arbeit auf Goldener Straße" werden aktuelle Positionen queerer Kunst gezeigt, entspannt und breit gefächert. Vor allem auch sehr humorvoll, wie etwa die performative lecture von einer der größten PerformerInnen, Vaginal Davis, im Bett mit WOW Reporterin Damiana Garcia. Ein leichtfüßiger Diskurs über Hautfarbe, Sexualitäten und Queer Studies. Es muss nicht immer schwere, gaue Theorie sein! (Das queere Gegenstück zu John & Yoko?)

Hans Scheil "Dandydarm"

Viktor Brázdil

Hans Scheirl: "Dandy's Darm"

Es geht weniger darum, den Begriff "queer" neu auszuverhandeln, eher um einen (auch geopolitischen) Einblick in queere Lebensrealitäten. Was kann queere Kunstproduktion alles sein? Vor allem in unterschiedlichen kulturellen Kontexten?

"Queer" bedeutet in Indien, wo Homosexualität bis 2009 verboten war, etwas anderes als in Wien oder vielleicht Israel. Dazu gibt es in der Ausstellung die beeindruckende Arbeit des israelischen Künstlers Roee Rosen zu sehen:

Zehn Jahre seines Lebens hat er der Entwicklung der Kunstfigur namens Justine Frank gewidmet: Eine fiktive, jüdische Avantgarde-Künstlerin, die 1900 in Belgien geboren worden ist und 1943 plötzlich verschwunden ist. Er hat eine völlig neue Identität geschaffen, inklusive eines Œuvreund einer Filmdokumentation über diese Frau, die nur in seinem Gedanken existiert. Aber was ist wahr, was ist Fiktion?

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Die Ausstellung "Rosa Arbeit auf Goldener Straße" sollte man sich nicht entgehen lassen. Und wer ein bisschen mehr Zeit hat, schaut auf der Konferenz vorbei, wo allerhand kluge Köpfe zum Status Quo der Queerness referieren. So viele Koryphäen auf einem Haufen gibt es so schnell nicht mehr!

Sich ein Buch von Judith Butler zu kaufen schadet übrigens auch nie.

Die Highlights:

"Dildo, Anus, Macht: Queere Abstraktion" lautet der Titel der vom Künstler und Akademie-Professor Hans Scheirl konzipierten internationalen Konferenz mit Vorträgen, Film- und Performanceprogramm und Workshops (22. bis 24.11.). (Bitte unter: queer_registration@akbild.ac.at anmelden)

Das Konferenzprogramm findet in der Aula der Akademie statt!

Do., 22.11.:

15.30 h: Vortrag Tim Stüttgen (Künstler, Berlin) "Post/Porn/Politics"

16.00 h: Vortrag Diedrich Diedrichsen "Plastik Puppe Penthouse"

18.00 h: Kurator_innenführung: Christiane Erharter und Dietmar Schwärzler führen durch die Ausstellung "Rosa Arbeit auf goldener Straße"

20:00 h: Performanceprogramm im brut Theater im Konzerthaus, zusamengestellt von Stefanie Seibold

Fr., 23.11.

13.00 h: Vortrag Maria Llopis "Queer Matriarchy" (girlswholikeporno, Valencia)

17.00 h Roundtable "Dildo Anus Macht: Queere Abstraktion" mit Hans Scheirl, Hanna Hacker, Marina Grzinic und Tim Stüttgen

Ab 20.00 h: Filmvorführungen, Screenings im top Kino:

20.00 h: Dandy Dust (Hans A. Scheirl, A/GB 1998)
22.00 h: Filmprogramm kuratiert von Tim Stüttgen

Sa., 24.11.

15.00 h: Judith/Jack Halberstam "Queer Abstraction"
Die wesentliche Theoretikerin zum Thema "Queerness", Judith Halberstam, Direktorin des Center for Feminist Research an der University of Southern California wird zum Thema "queer" referieren.

17.00 h: Vortrag Tjal Shah "Between The Waves" (Künstlerin, Mumbai)

Das ganze Programm findet sich auch auf: www.akbild.ac.at.