Erstellt am: 16. 11. 2012 - 16:54 Uhr
Bei den Milden
Wie bei jedem meiner unzähligen Abenteuer (ich habe manchmal Pech, denke ich in selbstmitleidigen Momenten, es ist ein Privileg in persönlichkeitsentwickelteren) begann alles ganz harmlos. Der Urlaub sollte auf einem Last-Minute-Portal gebucht werden. Tunesien wäre unser Ziel, wurde mir berichtet. Boardingkarten wurden ausgedruckt, wieder einmal Koffer kaufen auf die ewige To-Do-Liste gesetzt und die eigene Person nach Schwechat transportiert.
Ich gebe zu, ich hatte die verstaubte Infrastruktur am neuen Flughafenterminal von Schwechat unterschätzt. Wir haben mehrere U-Turns hingelegt und wutentbrannt Geld verschleudert (Pfand-Trolleys, die in die Rolltreppe ein paar Meter weiter dann wieder nicht reinpassen). Keine Ahnung, wie wir es an Bord geschafft haben, ohne wahllos herumzuschlachten.
Radio FM4/Johanna Jaufer
Der mitgebuchte Transfer von Tunis ins Urlaubsresort hat sich unspektakulär gestaltet (Mitreisende, die man schrecklich findet, ohne zu bedenken, dass man selbst vielleicht auf den Fahrer ähnlich wirkt). Wir haben noch am selben Tag die Beschaffenheit der Allinclusiveheit geprüft. Tatsächlich: die Snackbar offen bis vier in der Früh. Die Zimmer: gleißend weiß getüncht, die Leintücher locker genug verlegt, um vor dem Schlafen ohne viel Aufwand nach möglichen Mördern in Form kleiner Tiere) zu suchen.
Der Wilde
Man kann sich das beginnende Mayhem am nächsten Tag vorstellen wie ein böses Erwachen in jenem Hexenkessel, den die Hexe über Fukushima schwenkt, während sie einem Kryptonit in die Augen bröselt (ich denke und sage es wohl auch zu oft, aber Falling Down gibt dem geistigen Auge stimmungsvolle Hinweise). Gleich in der Früh sehe ich an der "Strandbar" (dünnwandige Hepatitiskübel aus Plastik, befüllt mit kohlensäurebefreiter Lulu-Limonade) einen Mann, der mir noch öfter begegnen sollte (wusste ich zu dem Zeitpunkt glücklicherweise nicht, sonst wäre ich wohl für immer ins Wasser gegangen): Che (der war auf seine Schirmkappe gedruckt) trägt Hemd und Goschn weit offen. Die Frauen in Badebekleidung gegenüber weit verbreitete Grapsch-nach-Fleisch-in-der-Vitrine-Haltung nimmt er nicht beschämt ein, sondern zeigt sich lustvoll siegessicher ("woher? der da drüben dein Freund? was mit mir trinken? achso, na wirst schon sehn... !"). Hat vielleicht mit jener Mission zu tun, die er einem anderen Badegast offenbart (der Wind zerstob sie am Weg zu uns in "... Rommel... 'Mein Kampf'...") . Obwohl ich eigentlich hoffe, dass nicht.
Die Milde
Radio FM4/Johanna Jaufer
Während der nächsten Tage musste ich mich wiederholt ekeln. Die zu Hause gerne zelebrierte Nationalismusbruchlinie Deutschland/Österreich hat dabei überhaupt keine Rolle gespielt. Schließlich hatte man eine gemeinsame Vision: das mutmaßlich zu jeder Zeit faule Hotelpersonal möglichst lautstark möglichst schlimmer Versäumnisse bezichtigen. Bierfässer sachkundig entleeren, um empört Nachschub einmahnen zu können. Streunende Katzen in den Wahnsinn mästen. Das Hemd offen lassen im Speisesaal, das Hemd offen lassen im Discoareal. Auf die Frage des Strandnachbarn, wieso man sich nach zwei gescheiterten Ehen keine Partnerin mehr suchen wolle, brüllen, wenn ich nur ein bisschen Milch will, kauf ich doch auch nicht gleich eine ganze Kuh!.
Warum heißt der Absatz Die Milde, wo er doch nur Schreckliches erzählt? Weil ich damit die Hotelangestellten meine, die das alles mit einer unglaublichen Engelsgeduld ertragen haben.
Ihr merkt, ich habe von dort so einiges mitgenommen. Das kann man nicht so einfach vorenthalten. Wo das ja noch nicht einmal ein Ansatz von alles war. Okay, ich mach es kurz ("... denn deine Argumente sind mir schnurz. Für mich bist du ein, dadadadada, ein riesengroßer, dadadadada, ein ekelhafter, dadadadada, du bist ja nur ein... " - Tic Tac Toe, "Furz", gab es während der Turnanimation regelmäßig zu hören).
Aber wir sind doch hier eigentlich ein Radio
Radio FM4
Stimmt. Für alle, die das Hörspiel an sich blöd finden, und gegen Wortinhalte sind, habe ich aber auch Sympathie übrig. Deshalb möchte ich den lieben Hörspiel-Hassern die Gelegenheit geben, auch ohne Hörspiel in Untergangsstimmung zu geraten. Zum Beispiel mit so einem Mixtape (in absteigend arger Untergangsstimmung):
- Der Nino Aus Wien: Ur Arg*
- Borsig: Hiroshima
- Station 17: Drogen Sind Schlecht Für Die Haut
- The Euphoric Flenson: Die Scheiss Kieberei
- Falco: Pusher
- Kante: Die Tiere sind unruhig *
- Tocotronic: Näher Zu Dir
- Die Heiterkeit: Süß, wie man es sein kann *
* ... leider nicht im Internet gefunden :(