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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

14. 11. 2012 - 11:10

Schöne Sätze

Alltagsweisheiten, Banalitäten und Oneliner. Unter anderem mit Slavoj Žižek, Lykke Li und Robert Pfaller über Glück, Sex und Provokation.

Leos Carax, Regisseur, über seine Manie für das Kino
Jeder der Filme, die ich gemacht habe, hat mein Leben völlig durchdrungen, so wie die Beziehung zur jeweiligen Hauptdarstellerin. Sicher war das nicht immer gut. Andererseits: Soll man sein Leben mit Bullshit verschwenden?
(Stadtkino Zeitung)

Kim Fowley, Rock-Legende, über seine Jugend als Strichjunge
When I came out of polio hospital, my father didn’t want to deal with being a father of a cripple, so I had to go to work doing something. And I was hitchhiking and an older woman picked me up and I fucked her for money and she took me to her shrink, who happened to be the shrink for all the burn victims, and that’s how I got into it. I became a sexworker, had sex with old women – I was 17, 18 – who were burned in car wrecks and had various body parts missing.
(Zoo Magazine)

Andrew Garfield, Schauspieler, über seine Sensibilität
I have a very high expectation of myself. I’m too sensitive for this, I’m too sensitive for the criticism. I’m too sensitive to the work itself affecting my life, affecting me. But ultimately, what all this boils down to is being true to myself.
(Nylon Guys)

Eric Kandel, Neurobiologe, über die Bedeutung des menschlichen Gehirns
Ich glaube nicht an eine Seele. Und das Herz ist nichts anderes als eine Maschine, die unser Blut durch den Körper pumpt (...) Meine Romantik ist in meinem Gehirn. Ich sehe Sie mit meinen Augen und nicht mit meinem Herzen.
(Der Standard)

Lykke Li, Musikerin, über zerstörerische Obsessionen
Ich muss aufpassen, dass ich nicht ausbrenne. Und dass meine Liebe für die Dinge, die mich interessieren, nicht ausbrennt. Wenn ich mich wirklich für etwas begeistere, dann entwickle ich eine fast schon zerstörerische Leidenschaft. Als Kind habe ich so irre gern getanzt, dass ich nicht mehr aufhören konnte. Bis ich es so übertrieben hatte, dass ich mir das Knie brach (...) Ich bin ein Energiebündel, gebe immer 1000 Prozent. Und das ist zu viel. Ich muss also lernen, zu wechseln. Ich darf mich nicht zu lange mit einer Leidenschaft beschäftigen, sonst mache ich sie kaputt.
Musikexpress)

Lykke Li

Universal Music

Olivier Assayas, Regisseur, über Erlebnisse, Erfahrungen und Träume
Wir leben ja zwei Leben, das Reale und das unserer Imagination, unsere Erinnerungen bestehen immer aus beidem.
(Skip)

Slavoj Žižek, Philosoph, über Liebe im Hier und Jetzt
Es gibt heute eine extrem narzisstische, solipsistische Ökonomie, in der die Gefahr, die vermieden wird, genau das ist, was Liebe so schön macht: der Schock, du siehst jemanden, du fällst, dein Leben ist ruiniert. Heute will man verliebt sein, aber nicht seine Blase verlassen müssen. Es geht nicht mehr um die alte patriarchalische Ideologie, die auf Liebe und Treue insistiert, sondern fast um das Gegenteil. Liebe wird zum Problem. Die Ideologie sagt uns heute auf diese buddhistische Art: Engagiere dich nicht zu sehr, halte Abstand, hänge an nichts und niemandem. Ein One-Night-Stand ist okay, aber kein Sturz, keine dramatische Begegnung, die dein Leben verändert.
(Der Standard)

Erika Lust, Pornoproduzentin, über ihr Sexfilm-Utopien
Ich glaube, die Frau – und übrigens auch immer mehr Männer – möchte wissen, wer die Figuren in den Filmen sind und warum sie gerade zusammen im Bett oder sonstwo liegen. Wir sehnen uns nach Kontext (...) Ich erwarte nach der Reizüberflutung der letzten Jahre eine Gegenbewegung – ein Zurück zur Subtilität. Wir müssen umdenken, Explizitheit führt nicht zum Ziel.
(Spex)

Slavoj Žižek, Philosoph, über Cybersex
Der hat immer mehr eine masturbatorische Struktur in dem Sinn, dass man nicht nur keinen wirklichen Partner hat - er beeinflusst auch unseren wirklichen Sex mit wirklichen Partnern. Man braucht diese immer weniger, wenn man seine Fantasien ausleben will.
(Der Standard)

Robert Pfaller, Philosoph, über Sex und Geheimnisse
Der Verzicht auf jegliche Fiktion bringt auch die Wirklichkeit des Liebes- und Sexuallebens zum Erliegen. Wenn der andere wirklich kein Geheimnis hat, dann sollte man darum lieber wenigstens genau das sein Geheimnis bleiben lassen.
(Der Standard)

Robert Pfaller

Robert Pfaller

Slavoj Žižek, Philosoph, über vermeintliche Authentizität
Die Idee hinter "Big Brother" ist - und das ist das einzige, das mich interessiert -, dass man zehn Leute in eine Wohnung sperrt und dann denkt, man hat "Wirklichkeit". Und in diesem wirklichen Leben sieht man, dass sie noch viel mehr schauspielen. Ich mag dieses Paradoxon: dass die einzige Art, in der man authentisch sein kann, das Schauspielen ist. (...) Darum bin ich auch gegen die New-Age-Bewegung. Der große Horror für mich ist, wenn mir jemand sagt: Sei du selbst, be yourself! Sei, wer du wirklich bist. Ich will gar nicht wissen, wer ich wirklich bin!
(Der Standard)

Robert Pfaller, Philosoph, über falsche TV-Träume
Meist begnügen wir uns übrigens ohnehin damit, uns von anderen etwas vorträumen zu lassen, das wir selbst gar nicht haben wollen. Davon leben Realityformate und Talkshows: Dort sehen wir schwarze Schafe, die wir neugierig beobachten, um nur ja nicht so zu werden wie sie. Wir putzen uns sozusagen an ihnen ab und zeigen mit dem Finger auf sie. Wir wollen von ihnen ein bestimmtes Glück (wie z. B. Trinken, Sex, Prominenz) derart abstoßend vorgeführt bekommen, dass wir erleichtert darüber sind, es selbst nicht zu besitzen.
(Der Standard)

Benjamin Lebert, Autor, über gesellschaftlichen Druck zur Positivität
Da ist ein deutlicher Riss, der durch die Gesellschaft geht, man muss eine immense Stärke zur Schau stellen. Wenn man sich die Profile auf Facebook ansieht, wird ja vornehmlich der Mensch dargestellt, der man zu sein wünscht, da ist immer ein großes Leben und Lächeln. Ähnlich verhält es sich in der Arbeitswelt, da wird einem abverlangt, dass man stark und gesund sein muss.
(Der Standard)

Andrew Garfield, Schauspieler, über sein Bedürfnis nach Privatheit
You chooee to have open ears for a few people in your life who have your best interests at heart. And the rest can fuck off, really. This is the problem with the internet – we’re fucked. It’s fucked my generation. We’re all public now, everyone lives in public, even, like, 10-year-old girls getting bullied, getting called fat on YouTube. Gay boys commiting suicide on college campuses. We’re all fucked. The Internet is a great platform for anonymous cruelty, and it allows us to express and exercise very dark impulses.
(Nylon Guys)

Andrew Garfield

Sony

Eric Kandel, Neurobiologe, über Naturwissenschaften vs. Geisteswissenschaften
Alles ist Biologie, alles, was wir tun, auch die Philosophie. Weil ja alles vom Gehirn kommt. Denken ist Biologie, wenn wir nicht denken, sind wir ohne Bewusstsein.
(Der Standard)

Lykke Li, Musikerin, über die Idee von Kunst als Therapie
Ich bin zwar bestimmt keines dieser deprimierten Emo-Kids, aber ich musste schon durch viel Scheiße hindurch. Und ja, Kunst hilft mir dabei – wobei ich es hasse, Kunst als Therapie zu sehen. Ich war in Therapie und das hat nichts mit Songwritig zu tun.
(Musikexpress)

Robert Pfaller, Philosoph, über Computerspiele als kathartisches Ventil
Wenn zum Beispiel Gymnasiasten Amok laufen und ihre Mitschüler und Lehrer erschießen, dann sehen wir als Erstes nach, ob sie nicht irgendwelche Ego-Shooter-Spiele auf dem Computer haben. Und wenn wir solche finden, dann schlussfolgern wir messerscharf, das Schießen auf dem Computer hätte die Schüler zum Schießen in der Wirklichkeit veranlasst. Aber könnte es nicht genau umgekehrt gewesen sein? Könnten die Schüler sich nicht vielleicht durch virtuelles Schießen lange Zeit erfolgreich vom realen Schießen abgehalten haben? (So lange, bis die realen Gründe zu drückend wurden?)
(Der Standard)

Jan Joswig, Modejournalist, über biedere Kleidung als Popstrategie
Wenn man als Künstlerin die Rolle des Bürgerschrecks annimmt, verhält man sich konventionell, bedient die Erwartungen. Aber steht man statt wild und verwegen, statt schrill und exzentrisch plötzlich brav und züchtig da, mimt die Hochkultur-Zimperliese, dann stiftet man Unruhe im Reihenhaus. Nichts tanzt den Spießern so sehr auf der Nase herum, wie sich selbst zum Spießer zu stilisieren.
(Musikexpress)

Michael Haneke, Regisseur, über Kino und Provokation in der Gegenwart
Man kann immer provozieren, es ist bloß ein wenig komplizierter. Sie können auch formal immer noch provozieren. Es gibt immer noch Formen, die man verwenden kann, bei denen sich die Leute nachher auf den Schlips getreten fühlen. Für die Frage nach politischer Effizienz bin ich vermutlich die falsche Adresse, ich fühle mich nicht als politischer Filmemacher, der irgendwas verändern will. Das halte ich sowieso für das falsche Projekt. Außer ich bin in irgendeiner bestimmten revolutionären Situation, die es ja geschichtlich immer wieder gab, da kann auch ein Film oder ein Buch der berühmte Zündfunke sein. Ich glaube in unserer betonierten Welt, für die ich Filme mache, gibt es keinen Zündfunken. Man kann nur ständig an der Verunsicherung arbeiten. Das tut Kunst ja immer.
(Ray)

Michael Haneke

Filmladen

Eric Kandel, Neurobiologe, über das Ende
Nach dem Tod kommt das Nichts. Ich glaube nicht an die Seele. Sie können ruhig daran glauben, ich brauche das nicht.
(Der Standard)

Benjamin Lebert, Autor, über Glück
Ich glaube, glücklich zu sein, ist letzten Endes die einzig wahre Intelligenz, die es gibt. Ich habe sehr viele Intellektuelle in meinem Leben getroffen, und die meisten tun sich sehr schwer damit, glücklich zu sein. Deshalb weiß ich nicht, ob das Intellektuellsein der richtige Weg zum Glücklichsein ist. Ich glaube, sich mit den Geschehnissen auszusöhnen, so esoterisch das auch sein mag, ist ein Weg zum Glück für mich. Die Traurigkeit wahrzunehmen und trotzdem ein Lächeln zu tragen, das ist für mich Glück.
(Der Standard)

Richard Russell, Labelchef, über das neue Altern im Pop
An artist’s age is no more relevant than their skin colour, their gender, their sexuality... there is ageism in pop music, but it cuts both ways. I think people sometimes don’t take younger artists seriously enough, and think that a teenager can’t have deep insights. I think they absolutely can, just as I think an older artist can be fresh and open-minded. It has nothing to do with age – there are plenty of boring, out-of-touch teenagers.
(NME)

Benjamin Lebert, Autor, über den angeblichen Kitsch in seinen Büchern
Kitsch ist mir fast immer lieber als Zynismus, insofern kann ich mit diesem Vorwurf durchaus leben.
(Der Standard)

Lykke Li, Musikerin, über Glück
Ich sage nicht, dass Glück nicht zu erreichen ist, aber anhaltendes Glück ist eine Illusion. Ich kann in Momenten sehr glücklich sein, zum Beispiel, wenn ich nach einem gelungenen Konzert von der Bühne gehe oder wenn ich verliebt bin. Aber das sind kurze Momente, oftmals nur Sekunden. Der Dalai Lama hat mal gesagt: „Warum ist der Westen so besessen von der Suche nach Glück?“ Glück existiert nicht. Überall ist immer auch die Dunkelheit.
(Musikexpress)

Eric Kandel, Neurobiologe, auf die Frage, worum es im Leben geht
Darum, eine gute Zeit zu haben. Und schöne Frauen kennenzulernen. (lacht)
(Der Standard)