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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

11. 11. 2012 - 15:57

Herz macht Klopf

Der Song zum Sonntag: Chris Cohen - "Heart Beat"

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über "Heart Beat" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Frage: "What's the last thing a drummer says in a band?"
Antwort: "Hey, guys why don't we try one of MY songs?"
(Lachen aus der Dose)

Witze über Schlagzeuger, das ist ja schon ein bisschen ein ödes Mucker-Gehabe. Geschichtchen, die den Drummer als den Anti-Musiker und den geistig ein bisschen langsamen Spät-Checker innerhalb des Bandgefüges darstellen, alter Hut. Dass es unzählige gar großartige, großartige Drummer gibt, die den Sound ihrer jeweiligen Band - im Pop und Rock im weitesten Sinne, Jazz logischerweise eine andere Geschichte - entscheidend geprägt haben, steht außer Frage, dass manchen Menschen vielleicht sogar der Rhythmus wichtiger sein mag als das schnöde Gejangle, das die Gitarre da immer macht, auch. "What do Ginger Baker and coffee have in common?" - "They both suck without Cream."

Dass der Schlagzeuger tatsächlich aktiv am so genannten Songwriting beteiligt ist oder vielleicht sogar die Hauptstimme singt, davon aber hört man immerhin nicht allzu oft. Singing Drummer? Was fällt einem dazu ein? In der jüngeren Vergangenheit wohl am prominentesten Dave Grohl - auch, wenn er die einzelnen Aufgabengebiete meist nach Projekten trennt. Phil Collins. Don Henely von den Eagles. In seltenen Fällen Ringo Starr. Ja, "With A Little Help From My Friends", das ist Ringo. Der größte The Singing Drummer's Singing Drummer aller Zeiten ist aber wohl Levon Helm von The Band. Man soll sich einmal im Monat eine alte Performance von "The Night They Drove Old Dixie Down" ansehen.

Chris Cohen

Terry Nguyen

Chris Cohen

In diese prunkvoll strahlende Riege großer Namen wird sich Chris Cohen nun mit seinem Debüt-Album, obwohl es ein fast fantastisches ist, noch nicht sofort hineinkatalputieren. "Overgrown Path" heißt der vor kurzem erschienene erste Longplayer des 37-jährigen Kaliforniers, dessen erstes und liebstes Instrument das Schlagzeug ist. Bislang hat Cohen seine Fähigkeiten auf Platte, auf Tour oder beides solch Bands und Namen wie Ariel Pink's Haunted Graffiti, White Magic oder Cass McCombs gespendet. Oder auch den vertrackten Bubblegum-Noise-Pop von Deerhoof bereichert. Bei Letztgenannten aber war er an der Gitarre tätig, weil bei Deerhoof mit Greg Saunier - auch so eine Seltenheit für Rock- oder Pop-Bands - der Bandleader unerschütterlich auf dem Drum-Schemel thront.

Der "singing drummer", wie ihn das offizielle Presseinfo gleich selbst auspreist, Chris Cohen hat jetzt für sein Album "Overgrown Path" so gut wie alle Instrumente selbst eingespielt: Klavier, Gitarre, Bass, Casio, Drums und Percussion klarerweise. So entsteht von leiser Lo-Fi-Attitude getragen eine weiche, sanft rumpelnde Indie-Pop-Musik, die vor allem den Geist der späten 60er und frühen 70er atmet. "Overgrown Path" schmeckt nach Folk und süßlicher Psychedelik, nach Nick Drake, nach Syd Barrett und nach sonnendurchfluteter US-Westküste, wo gerade die Byrds ein herrlich duftendes Fass Zauberwein knacken. Dazu singt Cohen mit seinem dünnen, zerbrechlichen Bariton.

chris Cohen album

Chris Cohen

"Overgrown Path" von Chris Cohen ist bei Captured Tracks erschienen

Im Zentrum der Platte, wenn man so will, als, na gut, Herzstück, steht der Song "Heart Beat" - es ist gleichzeitig der beste auf "Overgrown Path". Wie auch auf dem Rest der Platte spielen die Drums, wenngleich satt und deutlich akzentuiert, hier - eben nicht überraschenderweise, es sollen ja die anderen Fähigkeiten des Künstlers deutlich ausgeleuchtet werden - eine eher untergeordnete Rolle, es soll um das Songwriting gehen: "Heart Beat", kann man dieses Wort in einem Love Song noch singen? Chris Cohen haucht und seufzt und fragt sich, "Can I Hear the Heart Beat? Tell Me If The Heart Beats?" Ein Bild für die Liebe klarerweise, hier aber auch für den Puls, der uns überhaupt erst am Lieben, Atmen und Vibrieren hält. Wenn sie schon nicht überdeutlich in Musik übersetzt wird, dann kann Chris Cohen, der Drummer, nicht anders, als die für ihn lebensspendende Weisheit im Text, im Refrain und im Songtitel seines ihm bislang am wunderbarsten geglückten Stück Musik zu verankern: Was bringt die Welt weiter, was trägt einen Song voran? Der Beat natürlich.