Erstellt am: 10. 11. 2012 - 13:13 Uhr
Zu 120 Prozent sympathisch
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Wallis Bird, die Irin, für die das Wort "sympathisch" zu 120 Prozent gilt, freut sich über das Conrad Sohm am Rand von Dornbirn: das Wasser rauscht, die Bäume erstrahlen noch einmal im herbstlichen Glanz, bevor es dann rasch dunkel wird dort hinten am Wald. Gut zehn Jahre sind vergangen, seit ich an eben diesem Ort Paul Weller ein Akustik-Konzert spielen sah. Genau dieselbe gewisse Kühlheit hatte das leere Conrad Sohm damals an sich, aber der gewöhnlich ganz und gar nicht unpingelige Modfather war guter Dinge und meinte, sobald die Menschen das Haus füllen, wird das bestimmt ein toller Abend. Recht hatte er. Darum sorgt mich die trotz grundsätzlich guten Wetters novemberliche Location auch jetzt gar nicht, und Wallis - sowieso stets guter Dinge - meint, sie erinnert der Ort an die einsame Gegend in Irland, wo ihre Eltern ein Pub betreiben. Das elterliche Pub hat Wallis immer auch gerne bespielt.
Im Interview, gleich als sie beim Conrad Sohm ankommt, nachdem sie die beiden Tage davor in Graz und Salzburg gespielt hatte, erzählt Wallis Bird, dass sie vor einem Monat jetzt tatsächlich nach Berlin übersiedelt ist. Seit zehn Jahren besucht sie die Stadt, es wurde Zeit, sich dort niederzulassen. Brixton, jenen Londoner Stadtteil, in dem sie bisher lebte, vermisst sie zwar etwas, vor allem das jamaikanische Essen dort, aber nach Berlin zu ziehen war schon die richtige Entscheidung. Schließlich hat Wallis Bird in der Schule Deutsch gelernt und war später auf Studentenaustausch. In Mannheim besuchte sie jene Popakademie, die auch Konstantin Gropper von Get Well Soon hervorbrachte. Keine schlechte Schule.
Radio FM4/Eva Umbauer
Jetzt freut sich Wallis Bird auf einen kalten Berliner Winter. "I'm going into hibernation mode", sagt sie. Winterschlaf sozusagen: in der Wohnung bleiben, Songs schreiben, Irish Stew kochen für sich und viele Freunde. Wallis Bird ist ein winter child. Das sagt sie jedenfalls über sich, und sie ist während dieser Zeit am kreativsten. Sechs Touren spielte sie heuer ingesamt, die meisten Konzerte in einem Jahr bisher. Wer Wallis Bird schon einmal performen sah, hat erlebt, dass diese Frau ein powerhouse ist, eine, die mit ihrer Band dermaßen viel Energie entfaltet auf der Bühne, mit ihrem gern als punk'n'folk bezeichneten Sound mit dem Schuss Soul, dass man sich bisweilen fragt, wie macht die das bloß.
"My body wants to slow down now", sagt sie, eben in Richtung Winterschlaf gehen, und das drückt sich auch bei den Konzerten jetzt ein wenig aus. Auf ihrer Irland-Tour im Oktober war das jedenfalls so: Das Publikum spürte diesen Vibe und nahm ihn mit Freude an. Die Menschen wollten die zarte Wallis Bird hören. Ihre langsameren Songs. Die Menschen atmeten tief aus, so als ob die ganze Last des Jahres von ihnen fallen würde, erzählt Wallis Bird. Nun, im Conrad Sohm waren alle recht gut gelaunt, Freitag Abend und so, und alle waren especially wegen Wallis gekommen, auch aus Deutschland und der Schweiz. Manche hatten sie noch nie gesehen, aber ihre Musik gehört. Andere wiederum sahen sie bei einem Festival, etwa dem FM4 Frequency oder dem Southside nahe Stuttgart, und nahmen die Möglichkeit wahr, Wallis nun im Rahmen einer kleinen Clubshow zu erleben.
Eva Umbauer
Anfangs kämpfte Wallis Bird etwas mit dem Plaudern im Publikum. Ja, ja, der kleine, intime Club-Rahmen. "Take Me Home" vom im Frühjahr erschienenen dritten Album macht den Anfang, gefolgt von "Counting To Sleep" vom Album "Spoons", und "I'm So Tired Of That Line", das ebenfalls am aktuellen Album zu finden ist. "The Circle" - auch von "Spoons" - reißt mich aus dem Kampf, den ich mit Kamera und dem Licht führe. Konzertfotos, eine ganz eigene Kunst, nicht dass ich das nicht wüsste, aber dennoch immer wieder nicht so einfach. Kamera weg, endlich so richtig zuhören: "River Of Paper" heißt der nächste Song - ein neues, bisher unveröffentlichtes Stück, gefolgt von "Ghosts Of Memories" vom neuen Album: "Hold me tonight, I'm coming now", singt Wallis Bird. Ein schöner Moment, ein berührender, auch weil sie im FM4 Interview vor dem Konzert erzählte, dass sie in London jemanden zurückließ, als sie nach Berlin zog, und dass das nicht einfach war.
Jedes Mal wenn ich ein Wallis-Konzert sehe oder ihre Platten höre, lässt mich der Gedanke, dass diese Frau eine große Sängerin mit Mainstreamerfolg sein könnte, nicht los. Sagen wir mal, eine Karriere wie sie etwa Sheryl Crow hat: Wallis könnte das auch. Aber ich begrabe den Gedanken heute rasch wieder, auch gepaart mit einem gewissen Egoismus, denn wenn Wallis Bird den großen Mainstreamerfolg hätte, würde sie jetzt nicht hier auf dieser Bühne stehen. Bilder flitzen in meinem Kopf vorbei: die frühen 90er Jahre in England - die Levellers und die Travellers. Der freie Geist der britischen Inseln damals. Wallis Bird holt ein wenig von diesem spirit ins Hier und Jetzt.
Wallis Bird ist aber mehr, sie ist so vieles in einem. Was wäre, wenn sie als nächstes ein electronic folk Album machen würde?, denke ich, als sie die Gitarre zur Seite legt. Sie greift zum Tambourin. Es groovt: "Heartbeat City" vom neuen Album, samt beatboxender Einlage von Drummer Christian Vinne, der seinen Sessel verlässt und nach vorne kommt. Sie greift sich die Gitarre wieder, dieses Instrument, das sie verkehrt spielt, der Finger an ihrer rechten Hand wegen. Die waren in den elterlichen Rasenmäher gekommen, als Wallis Bird ein Kleinkind war. Es folgt "La La Land" vom letzten Album, dem mit den Doc-Martens-Stiefeln am Albumcover. "La La Land" ist ein Song über Los Angeles und (m)ein Lieblingslied, mit diesem großen Chorus, bevor Wallis Band dann ihre - bewährte - Band vorstellt: die Vinne-Brüder Christian und Michael aus Mannheim, die seit gut sieben Jahren die Rhythm Section ihrer Band bilden. Dazu kommen ein in Belgien lebender Ire, der sich einfach Aidan nennt und ein sympathisch hippiesker Profi ist, und die wirklich talentierte Irin Aoife O'Sullivan, die mit ihrer klassischen künstlerischen Schönheit auf der Bühne gut an die Seite von Wallis Bird passt.
Die Konzertbesucher wirken nicht in jene Winterschlaf-Annäherung gepackt, in der sich Wallis Bird laut FM4-Interview schon etwas befindet, und da passt dann das dynamische "To My Bones" vom letzten Album auch gut. "This song is very happy", sagt Wallis Bird, bevor sie ihn singt. Dann nimmt sie ihr Glas Rotwein und geht von der Bühne. So rasch ist die Zeit vergangen. Wallis und Band sind aber sogleich zurück zu einer Zugabe. Wie könnte es anders sein: "Encore". Dieser Titel bedeutet schließlich Zugabe, und ein kleiner Hit ist das Stück vom neuen Album auch. Dann spielt Wallis noch - ohne Band - das superschöne "In Dictum", auch vom neuen Album. "I've been battered and bruised", heißt es in diesem doch so stolzen Song, vor dem sie es nun doch nicht lassen konnte, die im Publikum, die immer so viel plaudern müssen, ein wenig zu tadeln. Aber alles ist ok, und wir wollen Wallis wiedersehen. Sie sagt, auf Deutsch: "Wir sehen uns bald. Wir sind auf Tour, immer, für immer. Ich wohne in einem Koffer." Eine allerletzte Zugabe gibt es noch: "Caledonia", ein irisch-schottisches Volkslied, das Wallis Bird - an ihrer Seite Aoife und Aidan - noch so richtig erstrahlen lässt, bevor sie endgültig die Bühne verlässt.