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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

9. 11. 2012 - 06:03

Brauchen wir wieder Studiengebühren?

Die Studiengebühren werden wieder an allen Unis einheitlich eingeführt. Aber können Gebühren im "österreichischen" Ausmaß die Unimisere überhaupt lösen?

Die Studiengebühren in Österreich sind eine Geschichte des politischen Wurschtelns: Seit den Siebziger Jahren bis ins Jahr 2000 konnte jede/r in Österreich kostenlos an der Uni studieren. 2001 hat die schwarz-blaue Koalition begonnen, Studiengebühren einzuheben. 2008 wurden jene ÖsterreicherInnen und EU-BürgerInnen davon befreit, die beim Studieren innerhalb der Mindeststudienzeit plus Toleranzsemester bleiben. 2011 hat der Verfassungsgerichtshof diese Regelung wegen Unklarheiten als verfassungswidrig erklärt. Bis Februar 2012 muss eine neue Regelung gefunden werden. Mittlerweile heben acht Unis, nachdem sie der Wissenschaftsminister dazu ermuntert hat, autonom Studiengebühren ein - auch das in einem rechtlich unklaren Rahmen, der vom Verfassungsgerichtshof noch geprüft wird.

Studiengebühren für alle Unis

Nach diesen Verwirrungen, hat die Bundesregierung heute, Freitag, eine Lösung angekündigt. Bei einer Regierungsklausur ist beschlossen worden, dass ab dem Sommersemester 2013 wieder die alte Regelung eingeführt werden soll, die von 2009 bis zum Wintersemester 2011/12 gegolten hat. Kurz gesagt: alle inländischen bzw. Studierenden aus EU-Ländern, die die vorgeschriebene Mindeststudienzeit um zwei Semester überschritten haben und alle Studierenden, die nicht aus der EU kommen, müssen zahlen.

Dazu gelten wieder die Ausnahmeregelungen: für berufstätige Studierende, StudienbeihilfebezieherInnen, Menschen mit Behinderung sowie (für den Zeitraum der entsprechenden Verhinderung) Kranke und Schwangere, Studierende auf Auslandssemestern sowie StudentenInnen mit Kinderbetreuungspflichten. Ebenfalls ausgenommen sind Studierende aus Entwicklungsländern sowie Studierende, deren Heimat-Uni aufgrund eines Abkommens Österreichern ebenfalls die Gebühren erlässt.

Nach Schätzungen des Wissenschaftsministeriums werden rund 15 Prozent aller StudentInnen nicht unter die Ausnahmeregelungen fallen und Studiengebühren in der Höhe von 363,36 Euro pro Semester zahlen müssen. Für Nicht-EU-BürgerInnen wird die Gebühr verdoppelt: auf 726,72 Euro. Finanziell bringt diese Regelung den Unis laut Wissenschaftsministerium insgesamt 40 Millionen Euro pro Jahr - aufgrund der Verdoppelung der Gebühren für die Nicht-EU-BürgerInnen um fünf Millionen mehr als bei der alten Regelung.

Umfragen als Argumentationshilfe

Die österreichische HochschülerInnenschaft will die Wiedereinführung von Studiengebühren auf allen Österreichischen Unis verhindern und hat wohl deshalb eine Umfrage unter Studierenden als Argumentationshilfe in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist nicht ganz eindeutig: Ein Viertel der Befragten ist für die komplette Abschaffung der Gebühren, ein Viertel für die flächendeckende Einführung, nicht ganz die Hälfte ist fürs Zahlen bei weitem Überschreiten der Mindeststudiendauer. Für ÖH-Vorsitzenden Martin Schott (Fachschaftslisten/FLÖ) ist aufgrund dieser Studie klar, dass Studierende flächendeckende Studiengebühren "eindeutig ablehnen". Die gegenteilige Lesart ist aber auch richtig: 70 Prozent der Studierenden sind für Gebühren, zumindest unter bestimmten Bedingungen.

Auf einer Demo gegen Studiengebühren, vergangenes Frühjahr

APA/FRANZ NEUMAYR

Auf einer Demo gegen Studiengebühren, vergangenes Frühjahr

Repräsentative Umfragen unter der Gesamtbevölkerung sprechen - oberflächlich betrachtet - von einer eindeutigen Mehrheit für die Einführung: 2009 sagen 53 Prozent der ÖsterreicherInnen laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Karmasin Ja zum Zahlen. 2010 waren es laut Gallup 58 Prozent und laut OGM gar 70 Prozent, sogar 67 Prozent der Studierenden seien dafür.

Aber wofür genau sind sie? Interessant ist, dass bei der OGM Erhebung 51 Prozent der Befragten für 363 Euro pro Semester sind, 16 Prozent für 500 Euro und ein Viertel findet, dass die Unis die Höhe selbst festlegen sollen. Nur 5 Prozent der Befragten sprechen sich für Studiengebühren bis 5000 Euro aus. Und genau da liegt der Haken:

Fortschreibung der aktuellen Misere

Was bringen der Uni 726 Euro im Jahr? Dazu ein Gedankenexperiment: Selbst wenn jede/r Studierende an der Uni Wien zahlen müsste, dann wären das 13 Prozent ihres aktuellen Budgets. Abzüglich Verwaltungskosten und sozialer Staffelung der Gebühren bzw. Erhöhung von StipendienbezieherInnen würde der Reinerlös der Gebührendann wohl weit unter 10% des aktuellen Unibudgets rutschen. Was löst dieser Beitrag an den überfüllten Hörsälen? Wenig bis Nichts.

Die Uni Wien hat laut Rektor Engl 5068 Euro pro StudentIn zur Verfügung, ein/e ProfessorIn betreut im Schnitt 266 Studierende. Für eine substanzielle Verbesserung fordert Engl ähnliche Verhältnisse wie an der Uni München: ein/e ProfessorIn betreut dort 58 StudentInnen. Die bayrische Universität hat allerdings 8816 Euro für jede/n StudentIn zur Verfügung. Wenn Studiengebühren das Betreuungsverhältnis an Österreichs Unis substanziell verändern sollen, dann müssten sie knapp 4000 Euro jährlich ausmachen. Dafür gibt es in Österreich wahrscheinlich keine Mehrheit - weder im Parlament noch in der Bevölkerung.

Studenten sitzen am 13. Oktober 2003 waehrend einer Lehrveranstaltung im Audimax der Uni Wien am Boden der Gaenge des ueberfuellten Hoersaales

APA/ROLAND SCHLAGER

Letztendlich bleibt, trotz der zusätzlichen Hochschulmilliarde in den nächsten drei Jahren, die zentrale Frage offen: Wann kommt die Studienplatzfinanzierung und kommt sie überhaupt (sie steht immerhin im Hochschulplan)? Erst eine solche garantierte Finanzierung des Hochschulweges jedes einzelnen Studierenden von Studienbeginn bis -abschluss würde eine Entlastung der überfüllten Uni bringen.

Die Studienplatzfinanzierung kann man auf verschiedenen Wegen gestalten: Entweder, jeder Studierende, der/die ein Studium beginnt, wird ausfinanzert. Das würde dann auch einen freien Hochschulzugang bedeuten. Oder man finanziert pro Fach oder Richtung eine bestimmte Anzahl von Plätzen. Da wird es dann auch Zugangsbeschränkungen geben. Beides wäre weniger Wurschteln und weniger Beschränkung des Unizugangs durch die Hintertüre als derzeit. Beides wäre für Studierende transparenter und planbarer.

Studiodiskussion

Bist du für die Wiedereinführung? Wenn ja, wie hoch? Oder sollen sie ganz abgeschafft werden? Warum?

Während auf Facebook die Stimmung eher Pro Studiengebühren war, sind bei uns im Studio die Telefone heißt gelaufen - mit AnruferInnen, die sich gegen Studiengebühren ausgesprochen haben. Hier ein kleines Best Of:

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