Erstellt am: 5. 11. 2012 - 13:55 Uhr
Kongress zur Internetfilterung in Wien
Heute und morgen findet im Wiener Innenministerium die vorletzte Konferenz des umstrittenen CleanIT-Projekts statt. Dieses mit EU-Steuergeldern aus der Kommission geförderte holländisch-britische Projekt hat als Ziel vorgegeben, Terroristen die Benutzung des Internets zu Zwecken der Propaganda möglichst zu erschweren.
Allen Beteuerungen der CleanIT-Leitung zu Transparenz und Öffnung zum Trotz ist in diese Richtung genau nichts passiert. Diskutiert wurde es zwar, doch dann wurden Journalisten erst wieder nicht zugelassen. Die aktuelle Version des Dokuments wurde erst auf der CleanIT-Website veröffentlicht, nachdem sie "geleakt" bereits tagelang im Netz zugänglich war.
"Oberflächliche Kenntnisse"
Bis Dienstag Nachmittag werden sich rund fünf Dutzend Teilnehmer in ebensovielen Arbeitsgruppen mit den noch offenen Punkten beschäftigen. Neben dem österreichischen Innenministerium wurden seit dem Sommer noch zusätzlich die Innenressorts Rumäniens, Dänemarks, Ungarns und Griechenlands an Bord geholt. Anders als für die Initiatoren - Niederlande, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Belgien - fallen für die vor Projektende hinzu gekommenen Behörden keine Kosten an.
Die noch offenen Punkte aber sind so gut wie alle, denn das CleanIT-Projekt ist auch kurz vor seinem Abschluss an inhaltlicher Dürftigkeit nicht zu überbieten. In einer heute veröffentlichten Stellungnahme des EU-Dachverbands der Internetprovider heißt es denn auch, dass das Projekt von einer "oberflächlichen Kenntnis des Internetsektors" geprägt sei.
Man sei nur Diskussionspartner, nicht aber Beitragszahler von CleanIT, hieß es aus dem Wiener Innenministerium dazu. Die Nicht-Zulassung der Öffentlichkeit zur Konferenz sei denn auch eine eine Angelegenheit der Projektleitung.
"Automatisierte Systeme"
Das ist ein blanker Euphemismus, denn tatsächlich ignoriert das Projekt technische und daraus resultierende rechtliche Gegebenheiten überall dort, wo sie nicht zum Ansatz passen. Und der geht eben davon aus, dass eine vorbeugende und vollständige inhaltliche Überwachung des gesamten Internetverkehrs durch die Provider - auf "freiwilliger" Basis - mit den bestehenden europäischen Datenschutzgesetzen schon irgendwie in Einklang zu bringen sei.
Auch die neueste Fassung des Projekts schummelt sich an der Komplexität des Problems, nämlich "illegale Inhalte" erstens aufzufinden und dann eindeutig als "illegal" zu klassifizieren, einfach vorbei. Zwar ist nirgendwo definiert, woran "terroristische Inhalte" zu erkennen seien, es wird einfach davon ausgegangen, dass Internetprovider "terroristische Inhalte" durch "automatisierte Systeme" auffinden könnten.
Wogegen Filter helfen sollen
Genau dieser Ansatz einer letztlich doch verpflichtenden "Kooperation" der Provider abseits einer echten, auf Gesetzen basierenden Regelung ist in der Europäischen Union seit fast einem Jahrzehnt endemisch.
Die neueste Fassung des CleanIT-Dokuments im Wortlaut, sowie die Aussendung der EuroISPA .
Ob es um Urheberrechtsverletzungen ging, "Internetsperren gegen Kinderpornografie" oder gegen terroristische Propaganda wie jetzt bei CleanIT, alles lief stets auf ein- und dieselbe technische Maßnahme hinaus: Flächendeckende inhaltliche Filterung des gesamten Inrternetverkehrs auf Ebene des Zugangsanbieters.
Definitionsprobleme
In Großbritannien wird mit der neuen "Communications Data Bill" bereits daran gearbeitet. In China, im Iran und anderen Staaten ist man bekanntlich bereits weiter, zumal dort die flächendeckende Überwachung der Zivilgesellschaft naturgemäß mit den dort bestehenden rechtlichen Voraussetzungen leichter in Einklang zu bringen ist, als in Europa.
Der Dachverband der Interprovider EuroISPA hat sich nun erneut mehr als deutlich von CleanIT distanziert. Die Notwendigkeit dieses Projekts sei weder durch Zahlen oder Statistiken irgendwie belegt, die "oberflächlichen Kenntnisse" der Projektverantwortlichen in Bezug auf das Internet manifestierten sich schon darin, dass man nicht einmal Zugangsprovider von Inhaltsanbietern unterscheiden könne.
Das PROACTIVE-Projekt
Dabei handelt es sich bekanntlich um zwei ganz verschiedene Geschäftsmodelle, bei denen jeweils völlig andere Datensätze anfallen.
Die Annahme, dieses rundum nebulöse Projekt stehe sozusagen isoliert im Raum, ist allerdings nicht zutreffend. Was bei CleanIT stillschweigend vorausgesetzt wird, nämlich ein Datenbankverbund, mit dem die Überwachungs- und Terroralarmsysteme bei den Internetprovidern abgeglichen werden, werden im PROACTIVE-Projekt erforscht. Auch das wird aus EU-Steuerngeldern gefördert, mit 3,4 Millionen allerdings allerdings ungleich höher, 1,3 Mio kommen zusätzlich aus nationalen Forschungsförderungsbudgets.
PROACTIVE ist als "ganzheitliches, bürgerfreundliches und intelligentes Framework", definiert, das "statisches Wissen und dynamische Informationen zusammenführt. Tatsächlich werden da "Daten von Sensoren im urbanen Bereich" mit "statischem Wissen z.B. der Geheimdienste" zur "Voraussage von terroristischen Aktionen" zusammengeführt.
Dieses künftige Datenbanksystem soll zwar von Polizeibehörden betrieben, tatsächlich aber von Geheimdiensten kontrolliert werden, wie aus der Projektbeschreibung klar hervorgeht. Wie bei CleanIT sollen die Internetbenutzer über einen Alarmknopf im Browser "terroristische Inhalte" sofort an ein "Command & Control"-Center melden können.
Terroristen dürfen nicht ins Internet
Dass hier aus verschiedenen Töpfen gleichartige Projekte gefördert werden, hat System. Egal, wie dürftig die Ergebnisse dieses Kongresses im Wiener Innenministerium auch asusfallen mögen, ein oder zwei Passagen werden dabei sein, auf die man sich dann beim jeweils anderen Projekt berufen kann.
Und wenn es ein solcher Stehsatz ist, wie jener, der die "Allgemeinen Prinzipien" von CleanIT einleitet: "Alle Organisationen bekennen sich dazu, dass die Benutzung des Internets durch Terroristen unakzeptabel ist."