Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Return of the Silverball"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

3. 11. 2012 - 17:50

Return of the Silverball

Von der Nische zum Novum: Flipper sind dank qualitativer Simulationen auf Computer und Konsole von einem Spartenhobby zum populären Zeitvertreib geworden.

Es gibt verblüffend wenige Schnittstellen zwischen Flippern und Computerspielen. Digitale pinball machines sind zwar schon seit den frühen 80er Jahren Teil der Videospielkultur. Aber ein übergreifendes Interesse von Gamern, auch an den großen Maschinen zu flippern, ist selten. Umgekehrt mögen die Pinheads, also Fans der originalen Flipper, digitale Spiele nicht besonders - immerhin waren diese hauptverantwortlich dafür, dass die Flipper von der ehemaligen Arcade-Attraktion zu einer bescheidene Nische wurden.

Ein Finger drückt den rechten Flipperfinger eines Flippers nach oben.

ORF

Günter Freinberger, ein geselliger Sammler von Flippertischen aus Ruprechtshofen in Niederösterreich, erzählt gerne Anekdoten von Kindern, die ganz verblüfft seien, wenn sie sehen, dass es dieses lustige Spiel am Computer auch aus Holz und Elektronik gibt. Diese Reaktion ist kein Wunder, sind doch Flipper schon seit rund 15 Jahren weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Bis auf ein paar wenige Spielhallen im Wiener Prater und in der einen oder anderen Bar, die sich mit einer Kuriosität schmücken möchte, gibt es hierzulande kaum Orte, an denen man physische Pins bestaunen und bespielen kann.

Aufstieg der virtuellen Tische

Mitte der 90er, am technischen und spielerischen Höhepunkt der originalen Flipper-Ära, bleibt langfristig nur noch der Rückzug zur Software. Aus dem Rückzug wird aber schon bald eine erste Offensive: Bereits zur selben Zeit - in der Endphase des Amiga-Computers und während des Aufstiegs des Windows-PCs als wichtigste Spieleplattform - wird ein erstes Aufbäumen digitaler Tische bemerkbar. Games wie "Slam Tilt"- oder die "Pro Pinball"-Serie machen die vormals plumpen Computerspielflipper zunehmend raffinierter und 3D-Darstellung wird langsam zum Standard.

Der "Pro Pinball"-Tisch "Timeshock!"

Cunning Developments

"Pro Pinball: Timeshock!" (1997)

Die 2000er Jahre bringen zunächst wenig Neues: Stern Pinball, die letzte Bastion der physischen Flipperbauer in der Pinball-Hauptstadt Chicago, designt und produziert jährlich - bis heute - circa drei neue Modelle. Am Computer und auf der Konsole werden derweilen Klassiker der Flippergeschichte möglichst originalgetreu digital nachgebildet. Diese Sammlungen sind nicht mehrheitsfähig, verkaufen aber genug Einheiten, so dass sich immer neue, technisch verbesserte Anläufe bezahlt machen.

Ein Bildschirmfoto des Flippers "Medieval Madness", Teil der digitalen Flippersammlung "The Pinball Arcade".

FarSight Studios / Crave Entertainment

"Medieval Madness" ("Pinball Arcade")

2007 kommt mit "Pinball FX" der Durchbruch. Die junge und damals noch weitgehend unbekannte ungarische Computerspielfirma ZEN Studios veröffentlicht ihre Computerspielflippersammlung als Download-Titel für die Xbox 360. Es wäre bloß ein nächster von vielen kleinen Schritten in der Weiterentwicklung der digitalen Flipper geworden, wäre ZEN nicht so beharrlich gewesen. Die Ungarn spezialisieren sich fortan auf Flipperspiele, perfektionieren die Ballphysik - das wichtigste Element, wenn es um authentisches Flippererlebnis geht - und veröffentlichen immer neue Tische. Eine Zusammenarbeit mit Marvel Comics machen ZEN Pinball (ab 2008) bis heute zu einer Referenz, die alle bisherigen Pins aus dem Computer in den Schatten stellt. Erstmals werden auch die puristischen Spieler/innen der großen Kisten aufmerksam - ein völliges Negieren der Flippersimulationen am Computer wird immer schwieriger.

Ein Ausschnitt des Flippers "Plants vs. Zombies", Teil von ZEN Pinball.

ZEN Studios

Der offizielle Flipper zum Spiel "Plants vs. Zombies", Teil von "ZEN Pinball"

Anfang 2012 rücken die US-amerikanischen FarSight Studios mit der Qualität von ZEN Studios nach. Die Erfahrung, die mit diversen virtuellen Nachbauten älterer Flippertische gesammelt wurde, fließt nun in "The Pinball Arcade" - ein Sammelbecken vor allem für die besonders beliebten Tische aus den 90er Jahren, die hinsichtlich Design und Komplexität mit komplett digital erstellten Modellen mithalten können.

Flippern für alle

Flipper Sportverein Austria - seit kurzer Zeit gibt es ihn, am 10. November findet in NÖ das erste Turnier statt.

Weil sowohl ZEN-Tische als auch die "Pinball Arcade" auf quasi allen zeitgenössischen Computersystemen vertreten sind, ist die Verbreitung dementsprechend hoch. Flipper sind damit so zugänglich wie noch nie geworden - die Hürde des Aufsuchens der großen, sperrigen Tische fällt weg, und das Üben am Tablet oder auf der Konsole lässt auch den Wettbewerbsgedanken nicht zu kurz kommen.

Flippern auf ORF 1 - am Dienstag, 6.11.2012, um 12 Uhr 35 in "Newton".

Es ist eine Win-Win-Situation für beide Lager. Die alteingesessenen Pinheads freuen sich über neu erwachten Zuspruch und frisches Interesse für ihr Hobby, die jüngeren Flipper/innen entdecken, dass ein vermeintlich langweiliges Spiel doch auch ziemlich rasant und herausfordernd sein kann.