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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

2. 11. 2012 - 18:48

Leiern, grooven

Das Moon Duo kommt mit seinem neuen Album "Circles" ins Wiener rhiz: Minimalistisch eiernde Nebelmusik.

Die Entscheidung für die Reduktion der musikalischen Mittel war zuallererst eine pragmatische: Einfach so in den Wagen springen, dachten sich Yanae Samada und Ripley Johnson vor ein paar Jahren, an Instrumenten nicht mehr als eine Gitarre, eine alte Orgel und die eigenen Stimmen im Gepäck, und rauf auf die Straße. Das macht das Tourleben doch viel einfacher und vor allen Dingen günstiger, wenn nicht allzuviele Maschinen, Geräte, Drumsets und Künstler-Egos durch die Landschaft kutschiert werden müssen. Dieser Ästhetik der Verknappung sind Samada und Johnson mit ihrem Zwei-Personen-Unternehmen Moon Duo treu geblieben, auch wenn sie gerade nicht auf Tour sind.

Das Moon Duo bezieht sich mit seinem schrottigen Groove, der der Orgel entfährt, so deutlich und ausdrücklich auf das New Yorker Duo Suicide wie kaum eine andere Band im Moment. Suicide haben es in den mittleren und späten 70ern geschafft, die New Yorker Art- und Punk-Crowd, die ja doch mit einigen avantgardistischen Wässerchen gewaschen war, mit ihrer runtergerockten Radikal-Elektronik dann doch noch ein bisschen zu schocken. Einzig aus primitiven Synthesizern, Drum-Machines und gehauchtem und gekreischtem Gesang haben Suicide eine elektronische Punkmusik destilliert, die mehr Punk war als Punk. Suicide waren - und sind eigentlich immer noch - die absolute Härte. Mit ihren monotonen Beats und der dunklen, abgefuckten Attitüde waren sie immerhin ein Vorbild für jede zweite Industrial-, Darkwave- oder, ja, Electroclash-Band. Sogar M.I.A. hat sie gesamplet, den Klassiker "Ghost Rider" als zentrales Thema in ihrem Stück "Born Free" eingesetzt.

Teenbeat Club Concerts präsentiert:
Samstag, 03.11., Moon Duo live im rhiz.

Das Moon Duo aus San Francisco verlässt sich nun in ihrer Musik ebenfalls in erster Linie auf die finstere Magie der Orgel: Die Orgel zischt und leiert, sie zieht psychedelisch wabernde Flächen auf, aus ihr kommen die Beats, die gleichförmig durch die Songs pulsieren. Viel mehr muss eigentlich nicht passieren. Yamada und Johnson, der sonst bei den bekifften Rockern Wooden Shjips werkt, murmeln im Zwiegesang, darüber liegt das Dröhnen der Gitarre.

Moon Duo

Moon Duo

Moon Duo

moon duo

Moon Duo

"Circles" von Moon Duo ist bei Souterrain Transmissions erschienen

Auch auf dem neuen, zweiten oder dritten (je nachdem ob man "Escape" aus dem Jahr 2010 als lange EP oder kurzes Album werten möchte) Album "Circles" ist das das nicht groß anders. Jedoch gibt sich das Moon Duo heute in seinen Stücken deutlich lebensfroher als bisher. Hier dominieren nicht die harten Neonlichter der Großstadt, kaputte Industrie, Isolation und Klaustrophobie, sondern eine fast schon hippieeske Hinwendung zur Natur. Wir werden eins mit dem Wald, dem feuchten Nebel, der über der Lichtung steht, und den Erdgeistern. Nicht zuletzt ist der Albumtitel "Circles" eine Verbeugung vor dem gleichnamigen Essay des US-amerikanischen Autors Ralph Waldo Emerson, der in seinem Werk auch immer wieder gerne eine Art Zivilisationsflucht propagierte. Entstanden ist "Circles" zu großen Teilen in einer Hütte in den Rocky Mountains.

Auch der Einfluss von beinahe schon "echter" Rockmusik im Andenken an Sonic Youth oder The Velvet Underground und auch von der Motorik von deutschem Krautrock ist heute in der Musik des Moon Duos ab und zu stärker hörbar als bisher. Es gibt Gitarrensoli, sonst aber bleibt Minimalismus weitestgehend das Prinzip. Selten konnte man so gut wie hier vergessen, dass "Punk" und "Hippie" irgendwann oppositonelle Kräfte gewesen sein sollen.

Neun Songs, die verschlafen vor sich hin blubbern, da und dort ein bisschen wüten und aus der Reduktion die Energie gewinnen. Das Moon Duo ist eine Band, die sich mit voller Absicht selbst in den Mitteln einschränkt und ein begrenztes Soundvokabular benutzt. Aus der Eintönigkeit entsteht hier Hypnose: Sounds für die Geisterbeschwörung im Mondlicht, funky Tanzmusik für den Hexen-Sabbath.