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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

31. 10. 2012 - 12:39

Nationalsymbol-Posen

Drei Roma-Schüler in Bulgarien posierten in "beschämenden Posen" mit Fotos von Nationalhelden. Sie wurden danach mit Blutrache bedroht.

Mein Mitschüler Assen ist ein großer Fußballfan. Sein Lieblingsverein heißt "Levski Sofia". "Die Blauen" aus dem Sofioter Viertel "Gerena" sind neben CSKA Sofia einer der populärsten Fußballvereine in Bulgarien. Sie sind 26-facher bulgarischer Meister und 25-facher bulgarischer Cupsieger. Benannt sind "die Blauen" nach dem größten bulgarischen Volkshelden Vassil Levski.

Vassil Levski war ein Freiheitskämpfer gegen die Osmanische Herrschaft. Er organisierte Mitte des 19. Jahrhunderts die bulgarische Bevölkerung in geheimen konspirativen Komitees gegen den osmanischen Sultan. So etwas wie Che Guevara oder Abdulah Öcalan in späteren Zeiten in anderen Ländern. Verraten von den eigenen Leuten, wurde Vassil Levski gefangen genommen und 1873 im Alter von 35 Jahren erhängt.

Lavski Tattoo

Todor Ovtcharov

Jeder in Bulgarien kennt Vassil Levski. Wir hören ab der ersten Klasse von seiner reinen idealistischen Seele, seiner Hingabe für der Freiheit von Bulgarien und davon, dass keiner von uns seine Qualitäten je erreichen wird. Sein Porträt hängt in jedem Klassenzimmer. Mein Mitschüler Assen mag Levski auch. Er hat sich sein Gesicht auf seinen Oberarm tätowieren lassen. Das einzige komische an der Zeichnung ist, dass Assens Levski einen blauen Fußballschal um seinen Hals trägt.

Ich erzähle euch das, weil sich letzte Woche ganz Bulgarien mit einem Skandal bezüglich Levskis Gesicht beschäftigte. Drei Roma-Schüler aus der kleinen bulgarischen Stadt Dobritsch posierten in ihrem Klassenzimmer in "beschämenden Posen" mit dem Porträt von Vassil Levski und von zwei mittelalterlichen bulgarischen Herrschern (deren Porträts hängen auch überall, obwohl keiner weiß, wie die wirklich ausgesehen haben). Danach stellten die drei Burschen das Foto auf Facebook.

Das "Skandalfoto"

facebook

Irgendwer sah es und verbreitete es weiter. Die Reaktion von nationalistischen Organisationen, aber auch von anderen "gewöhnlichen" Bulgaren, war so heftig, dass den drei Jungs und ihren Familien im Internet mit Blutrache gedroht wurden. Der alte Slogan "die Zigeuner zur Seife", der letztes Jahr im Oktober auf Bulgariens Straßen zu hören war, wurde wieder aufgegriffen.

Ich finde, dass das Posieren mit den Porträts von Nationalhelden dumm und niveaulos ist. Das Tätowieren von Nationalhelden an Körperteilen mit Fußballutensilien ist aber genauso dumm und geschmacklos. Wegen der ethnischen Herkunft der drei Jungs darauf zu schließen, dass es sich bei der ganzen Angelegenheit um ethnische Provokation handelt und ihnen mit Gewalt zu drohen, ist sogar noch dümmer!

Die drei, die auf Facebook posiert haben, sind erst 17 Jahre alt! Sie haben sich am nächsten Tag entschuldigt, wurden von der Schule suspendiert und haben erzählt, dass sie nicht wussten, um wen es sich bei den Porträts handelt. Selbst wenn sie nicht die Wahrheit sagen, braucht niemand solche Konflikte. Wer Winde sät, wird Stürme ernten!