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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

30. 10. 2012 - 17:04

Schifoan is ned des leiwandste

Jugendliche mit Migrationshintergrund haben eher wenig Interesse an Bergen und Wintersportarten. Wieso ist das so? Und ist nur ein skifahrender Migrant ein guter Migrant?

An den Skikurs in der Unterstufe kann ich mich nur dunkel erinnern und die meisten Erinnerungen beinhalten nicht das, worum es eigentlich hätte gehen sollen: Skifahren, oder in meinem Fall Snowboarden. Von waghalsigen Abenteuern auf instabilen Bobs aus Plastik abgesehen, habe ich nach diesem Skikurs keine weiteren Erfahrungen im Bergrunterrutschen gesammelt.

Wenn sich meine Freunde auf das jährliche Skifahren und Snowboarden freuen, kann ich nur den Kopf schütteln. Man braucht Ausrüstung, teure Skipässe, muss beim Skilift Schlange stehen, nur um den ganzen Berg dann wieder runterzurutschen. Das zahlt sich nicht aus, denke ich mir.

Offenbar bin ich nicht alleine. Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund verbringen die kalte Jahreszeit quasi in einem sportlichen Winterschlaf. Ein Phänomen, das nicht nur im Land der Berge zu finden ist. In allen europäischen Ländern sind Migranten in Sommer- und Hallensportarten inzwischen stark vertreten. Bei den Wintersportarten hingegen ist das Bild sehr homogen.

Muss man Skifahren?

Etwas paradox, wenn man bedenkt, dass Sport eines der wenigen Bereiche ist, wo Migrationshintergrund weitgehend kein Problem darstellt. Für viele sozial benachteiligte Gruppen ist der Sport ein Bereich, in dem sie sich profilieren können, frei von Barrieren. Kein Wunder also, dass aus dem Sportbereich so viele „Vorzeigemigranten“ hervorgehen. David Alaba hier und Mesut Özil in Deutschland sind gute Beispiele.

Wieso aber ist es so, dass Migranten sich von den besonders populären Wintersportarten fernhalten? Jugendforscher Manfred Zentner sieht sowohl kulturelle als soziale Hürden, die den Zugang zu bestimmten Sportarten beschränken.
Und das nicht nur in Österreich. "Bei den Franzosen ist es auch nicht anders. Da haben wir die Personen aus dem Maghreb in den Fußballmanschaften, nicht aber in den Skimannschaften."

Hier stellt sich aber die nächste Frage: Müssen Jugendliche mit Migrationshintergrund überhaupt gerne Skifahren nur weil viele Menschen von der "Mehrheitsgesellschaft" das tun? Bis zu einem bestimmten Grad herrscht in Integrationsdebatten diese Logik. Von den Migranten wird erwartet, dass sie etwas besonders "österreichisches" machen, um zu beweisen, dass sie auch wirklich integriert sind. Einen Auftritt als Vortänzer beim Opernball zum Beispiel.

Subtile Segregation

Gut, niemand soll sich gezwungen fühlen schifoan leiwand zu finden. Aber eine subtile Segregation in der Sportwelt ist sichtbar. Wer welche Sportart ausübt, hängt nicht nur vom persönlichen Interesse und den eigenen Fähigkeiten ab.
Ein Blick in die USA zeigt, wie sich soziale Unterschiede auf die Sportwelt auswirken können. Basketball, das wenig finanzielle Ressourcen erfordert, bleibt dort weitgehend die Disziplin der Schwarzen, während die Weißen als Eishockeyspieler oder Schwimmer erfolgreich sind.
Das führt im Extremfall dazu, dass soziale Unterschiede ignoriert werden und der Erfolg von Sportlern durch besondere genetische Veranlagungen erklärt wird.
Sport ist aber mehr als Unterhaltung. In der Sportwelt spiegelt sich der Zustand einer Gesellschaft wider. Deswegen ist es wichtig, dass die Sportwelt frei ist von sozialen oder kulturellen Beschränkungen.

Meine eigenen Barrieren aufzuheben wird wohl schwierig werden. Ich find Schifoan einfach nicht leiwand und Snowboarden auch nicht wirklich. Solange es aber verschneite Hügel gibt werde ich zumindest weiterhin mit Plastikbobs runterrutschen.