Erstellt am: 29. 10. 2012 - 16:39 Uhr
Journal 2012. Was kann Diktatur? Mit Voting!
Wie immer in geraden Jahren erscheint das "normale" Journal 2012 spärlicher - ganz im Gegensatz zur Täglichkeit des Journal 2011.
Heute wegen einer demokratiepolitischen Anregung von Super-Action-Hero Felix Baumgartner.
Ob er, Baumgartner, sich vorstellen könne in die Politik zu gehen, nach seinem Husarensprung, lautete die Frage, Baumgartners Antwort: "Nein, man hat das am Beispiel Schwarzenegger gesehen: Du kannst in einer Demokratie nichts bewegen. Wir würden eine gemäßigte Diktatur brauchen, wo es ein paar Leute aus der Privatwirtschaft gibt, sie sich wirklich auskennen."
Das freut den Mann, auf dessen Payroll sich der Extremspringer die letzten Jahre befunden hat: sein Schäfchen schlägt vor, dass Leute wie er, Red Bull-Genius Mateschitz (oder, sagen wir der ehemalige Magna-Boss Frank Stronach, oder, noch wagemutiger gedacht, der erfolgreichste heimische Geschäftsmann Martin Schlaff) das politische Ruder in die Hand nehmen.
Das mag auf den ersten Blick wie ein übler Halloween-Scherz klingen; aber ich will die Witze über die Beeinträchtigungen, denen Baumgartners Gehirn bei seinem hohen Sturz ausgesetzt war, gar nicht hören. Denn natürlich kommt diese Idee nicht direkt vom Rekordmann, sondern aus der ihn umgebenden Peer-Group, natürlich spricht der Lixl nur aus, was einige denken, denn natürlich ist er ein deutlich zu wenig mit allen Hintergründen vertrauter Selberdenker.
Her mit der Diktatur der Wirtschafts-Bosse!
Den Weg bereitet haben die letztmonatigen Turbulenzen um die neue Stronach-Partei, deren prinzipielles Credo sich mit dem Baumgartner-Satz deckt. Nur will Stronach sein Ziel auf demokratischem Weg erreichen.
Den Weg bereiten auch die aktuellen Performances der sowieso schlecht angesehenen heimischen Berufspolitiker, die angesichts der Begehrlichkeiten von Finanzkapital und Banken und angesichts der Begegnung mit multinationalen Konzernstrukturen nichts als die schiere Ohnmacht verströmen.
Letztlich würde die Baumgartner-Forderung nur den Status Quo offiziell machen: die Privatwirtschaft macht sich die politischen Regeln gleich selber; man erspart sich den Umweg über politischen Korruptionismus.
Bis auf die kleine Möglichkeit, dass das den Staat, vor allem aber die Wirtschaft billiger käme - wovon man nur ausgehen kann, wenn man der These von Sargent/Sims vollinhaltlich vertraut: dass nämlich alle Marktteilnehmer vernünftig und rational agieren - unterschiede sich der Baumgartnersche Zustand kaum von aktuellen System.
Vielleicht genügt das den nicht so wenigen Forderern einer kleinen Wirtschaftsdiktatur aber auch: dass sie sich durch die formale Anpassung an die Realität nicht mehr gar so arg belogen und betrogen vorkommen. Wenn wir schon in einer De-Facto-Diktatur leben, dann sollten wir das auch wissen. Das allein wäre ein Fortschritt, immerhin.
Die formale Kenntlichmachung des Status Quo
Dass sich ein Vasall wie Baumgartner, dessen Existenz durch die schützende Hand eines Herrschers mit De-Facto-Durchgriffsrecht (wer das Geld hat, macht die Regeln) gesichert ist, nicht um die nicht-ökonomischen Bestandteile des demokratischen Alltags kümmert (Menschen-, Freiheitsrechte, Meinungsfreiheit, Oppositionsrechte etc.) ist nur folgerichtig.
In dem, was er fordert, einer Diktatur nämlich (und so gemäßigt kann die gar nicht sein, dass sie es nicht gerne sieht, wenn sie infragegestellt werden würde), wäre eine solche Forderung gar nicht möglich. Sie würde verschwiegen oder depubliziert werden, er würde mundtot gemacht werden oder verschwinden.
Österreichs letzte selbsterfundene Diktatur (da nehme ich die deutsche Nazi-Partei einmal aus) ist noch nicht so lange her: der austrofaschistische Ständestaat funktionierte letztlich nach demselben Muster. Die Standesvertreter der Großbürger, Wirtschaftreibenden, Herrenbauern und des stark beteiligten Klerus bestimmten was das Volk zu denken und bekommen habe. Andersdenkende wurden eingesperrt und umgebracht.
Das sind Begleiterscheinungen, die auch von den aktuell existierenden Wirtschafts-Diktaturen, die sich vor allem in diversen Nachfolgestaaten der UdSSR finden, erfüllt werden. Denn natürlich stützt sich jede Diktatur, auch die gemäßigte putineske, auf ihr Monopol der strukturellen Gewalt. Ohne Kontrolle, weil: durch wen?
Der gute König, der kleine Hitler oder doch der junge Kurz?
Trotzdem bleibt die Frage: ist der Baumgartner-Spruch nur die moderne Variante von "Der gute König soll zurück!" und "A klana Hitler ghört her!", oder eröffnet er die Debatte nach der besten aller Staatsformen neu?
Oder hat nicht eher das Interview, das der junge Herr Kurz jüngst in Die Zeit gegeben hat, die Standards gesetzt?
Zeit die Schwarm-Intelligenz einzubeziehen: