Erstellt am: 28. 10. 2012 - 06:00 Uhr
Sehr geehrter Herr Willis, ...
Wenn alles schief läuft, schnelle Entscheidungen und Tatkraft benötigt werden, braucht man einen Mann wie Bruce Willis. Einen, der wenig redet, aber alles erledigt und der Gefühle wie Zweifel oder Unentschlossenheit nur aus zweiter Hand kennt. So zumindest stellt sich das der Autor Tilman Rammstedt, die Romanfigur, in dem neuen Buch "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" von Tilman Rammstedt vor.
Und so versucht der Erzähler Rammstedt in seiner sympathischen Naivität Kontakt mit Bruce Willis aufzunehmen:
Die FM4 Bücherei mit Tilman Rammstedt
"Der Kaiser von China" (2008)
"Wir bleiben in der Nähe" (2006)
"Erledigungen vor der Feier" (2003)
Sehr geehrter Herr Willis,
geht es Ihnen gut?
Mit freundlichen Grüßen,
Tilman Rammstedt
Um tags darauf gleich noch mal zu schreiben:
Sehr geehrter Herr Willis,
die Frage in meiner gestrigen Mail war übrigens nicht als höfliche Floskel gemeint. Ich wollte tatsächlich wissen, ob es Ihnen gut geht. Und ja, ich weiß, dass wir uns nicht kennen, aber Ihr Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen.
Also noch einmal: Geht es Ihnen gut?
Mit freundlichen Grüßen,
Tilman Rammstedt
Wenig später:
Sehr geehrter Herr Willis,
vielleicht scheint Ihnen die Frage, ob es Ihnen gut geht, zu willkürlich, zu allgemein oder zu persönlich. Es ist nur so, dass ich zuletzt viel Zeit in Wartezimmern verbracht habe (Abnehmende Sehstärke, Rückenbeschwerden, Knirscherschiene), und dort las ich in einer Zeitschrift, dass es Ihnen zurzeit alles andere als gut gehe (Liebe, Körper, Beruf). Nun weiß ich nicht, wie aktuell diese Zeitschrift war und inwieweit solchen Zeitschriften überhaupt zu trauen ist, daher auch mein Nachfragen in den vergangenen Tagen. Aber falls es stimmt, dass Sie gerade etwas unglücklich sind, tut mir das ausgesprochen leid. Kann ich vielleicht irgendetwas für Sie tun? Ganz gleich, was es ist, scheuen Sie bitte nicht, mir sofort zu schreiben.
Mit freundlichen Grüßen,
Tilman Rammstedt
PS: Wenn Ihnen nichts einfällt, was ich für Sie tun kann, schreiben Sie mir bitte trotzdem. Vielen Dank.
Dumont
Natürlich antwortet Bruce Willis nicht, aber Rammstedt bleibt hartnäckig, bietet Bruce Willis nicht nur eine Hauptrolle im Buch an, sondern fleht ihn geradezu an, diese auch anzunehmen, schließlich geht es um das Leben seines ehemaligen Bankberaters.
Ein eher langweiliges Leben, das parallel zur Korrespondenz mit Willis erzählt wird: Kurze Begegnungen mit diesem ruhigen, sentimentalen, melancholischen Denker, der ebenso schrullig wie kauzig ist und mit jeder Beratung auch ein Stück Lebensweisheit mitgibt. Bedeutungsschwangeres Schweigen inklusive. "Pfützen sind die Ozeane des kleinen Mannes".
Rammstedt will ein Buch über den Bankberater schreiben, aber dessen Leben wäre zu langweilig, weshalb er ihm einen Banküberfall angedichtet hat. Aus dem kommen aber alle nur heil heraus, wenn Bruce Willis eine Rolle übernimmt.
Aber der lässt mit einer Zusage auf sich warten. Die Zeit drängt allerdings, der Verlag wartet auf das Buch, Rammstedt ist hin und her gerissen zwischen freundlichem Bitten und launischem Beschimpfen.
Diese misslungenen Kontaktversuche, die sich von zuvorkommendem Fantum über verpasste richtige Momente zu verärgerten Vorwürfen steigern, gehören zum Lustigsten, was in diesem Herbst erschienen ist.
"Metafiktion" nennt es die Literaturwissenschaft, wenn der Autor über das Schreiben seines Buches schreibt und eine Figur darin ist. So werden im Konjunktiv spektakuläre Abenteuer bestanden mit Banküberfall, Schusswunden, nervenaufreibender Flucht und dicken Gefängnismauern.
Rammstedt hofft verzweifelt auf die Hilfe von Bruce Willis und ein gutes Ende. Soviel darf verraten werden: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."
Tilman Rammstedt im Interview
© Dumont
Er sei ein Freund von glücklichen Enden, erzählt Tilman Rammstedt im Interview. Aber "dieses glückliche Ende, an dem sich zum Schluss zwei Liebende finden, dass geheiratet wird oder so, das ist ja gar nicht das, was ich unter einem glücklichen Ende verstehe. Sondern es ist eher das glückliche Ende des Actionfilms: man ist nochmal davon gekommen, man hat nochmal überlebt und jetzt kann man weitersehen."
Tilman Rammstedt liest im Rahmen der Buch Wien
am 22.11. um 14:30 Uhr am 3-Sat Stand und um 16:45 Uhr im Literaturcafé in der Messehalle D,
sowie am Abend im phil,
und am 23.11. gemeinsam mit Julya Rabinowich auf der FM4-Bühne in der Messehalle D um 11:45 Uhr - ein SchülerInnengespräch zum Thema Kurzgeschichte
Es habe ihn interessiert, wie man mit den Mitteln der Literatur Action oder die Unmöglichkeit von Action in einen Roman bringen konnte, erklärt er weiter. Etwas, was selten genug versucht wird und noch seltener gelingt. Was sich äußerst unterhaltsam liest ist extrem ausgeklügelt und präzise formuliert.
Dass ausgerechnet ein Bankberater zu einer Hauptfigur wurde, war nicht von vornherein geplant. Er habe zuerst die Figur, dann erst den Beruf gehabt: "Ich hatte diese verlorene, melancholische Figur, von der man nicht genau weiß, ob sie nicht vielleicht tatsächlich wahnsinnig klug ist und vielleicht doch die ganze Welt versteht oder nur ein furchtbarer Trottel ist."
Tilman Rammstedt hat übrigens tatsächlich Bruce Willis geschrieben. "Auf diese Mail hätte ich auch nicht geantwortet", lacht er, sei sie doch im Stil des Tilman Ramstedts im Roman geschrieben gewesen. "Und da hat‘s mich jetzt nicht gewundert, dass nicht geantwortet wurde. Vielleicht schreibe ich eine etwas seriösere hinterher."