Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Lustig geht die Welt zugrund"

Roland Gratzer

Links und Likes

25. 10. 2012 - 12:41

Lustig geht die Welt zugrund

Das Elevate 2012 eröffnet mit Untergangsstimmung, "Jetzt erst recht"-HoffnungsmacherInnen und "Lutsche meine Eier"-Samples.

Nicht ganz zwei Monate sind es noch, dann müssen sich viele Weltverschwörer-Websites ein neues Weltuntergangs-Szenario ausdenken. Dabei braucht es weder zu kleine Kalendersteine oder Asteroiden-Fantasien, um ans Ende der Welt zu denken. Auch ohne apokalyptische Spinner sieht es schlecht aus. Sehr schlecht.

Das Elevate nimmt sich die medial in höchst unterschiedlichen Niveaus transportierte Angst vor dem Ende zum Thema des heurigen Festivals. Aber wie das halt mal so ist am Elevate, geht es nicht nur um die Probleme, sondern auch um die Lösungen. Die Lage ist hoffnungslos, aber geht scho, quasi.

Dieser Spagat aus Bewusstsein schaffen und Hoffnung geben war auch das Konzept der gestrigen Eröffnungsgala im Dom am Berg. Kollege Clemens Haipl führte durch den Abend und inszenierte den Moderator, der sich nicht auskennt. Der sich von den ExpertInnen auf der Bühne erklären lässt, was alles schief läuft und was wir dagegen tun können.

Elevate Eröffnung im Dom im Berg

Elevate

Dom des Landes

Den emotionalen Downer lieferte Superstar Noam Chomsky. Er redete per Videobotschaft darüber, was er täglich in der Zeitung liest. Und das ist besorgniserregend. Die Polkappen schmelzen, der Klimawandel wird von einigen Menschen zwar geleugnet, ist aber trotzdem unaufhaltbar. Die Chance aufs Überleben schätzt er gering ein.

Klimaforscher Stefan Rahmstorf widerlegt diese traurigen Aussichten auch nicht. Angesprochen auf all die "Das ist doch eh nicht so schlimm"-Studien meint er nur, dass in der medialen Berichterstattung auf eine seriöse fünf schwachsinnige Studien kommen. Immer wieder gerne finanziert von der Kohlelobby.

Clemens Haipl und Stefan Rahmstorf

Elevate

Haipl zweifelt, Rahmstorf weiß.

Als die Stimmung dann schon sehr drunten war und selbst ein Heinzl-Sido-Reenactment nicht mehr half, kam angloamerikanisch vorgetragene Hoffnung in der Person von Polly Higgins. Die britische Anwältin hat ein Ziel. Ihr großes Thema ist der Ökozid, also der Massenmord an der Natur. Higgins will, dass diese Tat von der UNO als Verbrechen gegen den Frieden anerkannt wird. Ein schwieriger Kampf. Die Gegner sind schließlich Großkonzerne und gar nicht so wenige Regierungen. Higgins versteht Apokalypse in der ursprünglichen Bedeutung, als Offenbarung, als die Suche nach Wahrheit und Lösungen. Bis 2020 will sie den Ökozid stoppen und ruft alle Menschen in dieser "wunderbaren Höhle" (Dom im Berg) dazu auf, mitzumachen.

Polly Higgins

Elevate

Die Juristin Polly Higgins bezeichnet sich als "Anwältin der Erde". Eine ziemlich wichtige Klientin.

Per Skype kommt dann noch die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva dazu. Ihr kurzer Vortrag ist der definitive Höhepunkt der Eröffnung. Furchtbare Fakten, gepaart mit motivierenden Parolen und einer positiven Grundstimmung, obwohl alles den Bach runtergeht. Ihr Spezialgebiet ist das Saatgut. Weltweit gibt es fünf große Firmen, die den Großteil der Samen besitzen. Bauern, die eigene Samen züchten, werden zu Verbrechern. Shiva schätzt, dass sich alleine in Indien hunderttausende Bauern aufgrund dieser Samen-Patentierung das Leben genommen haben. Hier wird der Ökozid zum Genozid.

Cynthia McKinney

Elevate

Ebenfalls per Videochat meldete sich die US-Amerikanerin Cynthia McKinney. Sie kandidierte bei der Präsidentenwahl 2008 für die Grünen, beschwerte sich über den Friedensnobelpreis für Obama und bedankte sich beim Elevate dafür, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben elektronische Musik gehört hat.

Die Elevate Eröffnungsshow hat versucht, die großen Themen des Festivals auf zwei Stunden herunter zu brechen. Die traurige Realität darstellen und gleichzeitig Hoffnung machen. Zwischen den Rednern versuchten ein paar Musiker, auf ihre Auftritte in den nächsten Tagen aufmerksam zu machen. Der Auftritt von König Leopold mit Vocoder-Gedudel und "Lutsche meine Eier"-Sprechloop in Kombination mit der darauffolgenden Vorstellung der Kooperation mit dem "Hörgerede"-Poesie-Musik-Festival in den Minoriten in Graz war gewagt, aber dann doch sehr daneben.

Wer nicht bei der Eröffnung war, hat wenig versäumt. Wirklich spannend wird es erst heute bei den Diskussionen und Vorträgen im Forum Stadtpark und abends bei der Musikschiene im Dom im Berg. Wenn die Welt also trotz aller Motivation untergeht, dann wissen wir nach dem Elevate wenigstens warum.