Erstellt am: 24. 10. 2012 - 12:01 Uhr
Zuerst das Gefühl, dann die Kunst
The Fields are full of snow
It's christmas time...
but I don't want to turn a light on
(Bernhard Eder - "Snow Fields")
Schwer senken sich die Akkorde einer verklingenden Gitarre auf die Brust. Zwischen Klopfen am Korpus und verhallender Hi-Hat-Schläge zerbricht der Gesang von Bernhard Eder zu traurigen Schneekristallen, die von einsamen Trompetenlinien davongetragen werden.
"Snow Fields" ist ein derart tiefgründiger und schwermütiger Anfang, dass man zuerst einmal lange Luft holen muss. Bleiern wirkt die Grundstimmung, schwerfällig der sich dahinschleppende Rhythmus, der signalisiert, dass nicht mehr viel Energie übrig ist. Ein kurzes Aufbäumen durch ein rückwärts abgespieltes Gitarrensolo, doch dann scheint Bernhard Eder schon auf seinen Knien, mit verwundertem, verständnislosem Blick auf die Bruchstücke einer langjährigen Beziehung.
It's so easy to love
but not easy to leave things behind
(Bernhard Eder - "Snow Fields")
Julia Grandegger
Der Kaffee danach
Musik als Ausdruck tiefer Gefühle. Musik als Form der Therapie. Musik als Medium der Verarbeitung innerer Prozesse. Musik als letzer, zuverlässiger Antriebsmotor des Lebens. Musik als Heilmittel für Wunden, die lange Zeit brauchen, um nicht mehr zu schmerzen. Wenn Musik einen so hohen Stellenwert im Leben erhält, versteht es sich von selbst, dass man gar nicht anders kann, als über eine scheinbar plötzlich hereingebrochene Trennung einen Song nach dem anderen zu schreiben. Der oberösterreischiche Popbarde Bernhard Eder beschränkt sich auf seinem vierten Album jedoch nicht auf selbstmitleidiges Trauern. Vielmehr werden in den acht episch ausgebreiteten Stücken die verschiedenen Gefühlslagen reflektiert, durch die man bei einem schmerzlichen Abschied zu gehen hat.
Bernhard Eder
Chronologisch aufgefädelt geht er nach dem anfänglichen Schock in "Snow Fields" dazu über, sich die Frage nach all den verpassten Zeichen zu stellen, die ein Ende ankündigten und die man anscheinend übersehen hat. Vielleicht waren es die vielen, nicht befolgten Anregungen und Tipps des Partners und der Freunde oder doch nur die Realitätsverweigerung und die Flucht in die sonntägliche Seifenoper? "Sunday Primetime Soap-Opera" ist die nachträgliche Fehlersuche, die von sachte dahingroovender Indiemelancholie in einen herzerwärmenden chorartigen Part übergeht, dessen Basslinie und Harmoniewechsel gezielt an die Franzosen AIR erinnern.
Das erste Treffen nach zwei Wochen wird im Titeltrack "Post Breakup Coffee" festgehalten. Es ist jene Situation, in der der ehemaligen Partner seine letzten Sachen aus der gemeinsamen Wohnung mitnimmt und man in einem Anflug von aufkeimenden Hoffnung nach Aussöhnung den letzten Kaffe zubereitet. Der recht klassiche Singer/Songwriterzugang wird mit untergründig brodelnder Elektronik gebrochen und dieses gespenstische Stück schwingt sich mit letzter Kraft zu einer federleichten Träumerei auf. Bis mit "Paralysed" die lähmende Gewissheit eintritt, dass alles verloren ist. Komponiert auf einem Keyboard erzeugt Bernhard Eder mit nur zwei Akkorden einen beklemmenden, synthetischen Trauermarsch, der zugleich schöner nicht sein kann.
Mut zur Nacktheit
Man kann von Songs, die sich um Liebeskummer drehen, halten was man will. Man kann sich auch mokieren über sehr klare und streckenweise trivial erscheinende Texte. Doch eines kann man nicht. Bernhard Eder für dieses Werk Mut absprechen. Derart viel von sich preiszugeben und zugleich dem Hörer die tiefgehende Wandlung zu offenbaren, vielleicht sogar aufzubürden oder besser zuzumuten, dazu braucht man neben einem starken Willen und gutem Durchsetzungsvermögen gegen Selbstzweifel auch einen sattelfesten Charakter. Denn durch "Post Breakup Coffee", das ungeschminkt und direkt alle Emotionen und deren Schwankungen zeigt, macht sich Bernhard Eder sehr angreifbar. Nach der CD-Präsentation vergangenen Mittwoch im TAG betont der sanfte Musiker die Nacktheit, mit der er auf der Bühne stand. Bei manchen Songs war nicht nur er zu Tränen gerührt.
"Post Breakup Coffee" ist jedoch kein billiger Seelenstrip. Auch keine postpubertäre Leidhuldigung. Dieses Album ist ganz einfach die Verarbeitung einer Trennung, einer zu Brüche gegangenen Beziehung. Es ist eine Reflexion über die Muster und Strategien mit Verlust umzugehen, die in jedem von uns stecken. Das Schöne daran ist, dass dieses vierte Studiowerk das sowohl musikalisch als auch soundtechnisch stimmigste geworden ist. Veredelt wird das Breakup-Album mit einem kleinen gebundenen Büchlein, das neben allen Texten auch Fotos und Skizzen beinhaltet, die den Schreibprozess dokumentieren. Als Bonus findet sich auf der hinteren Einbandseite dann auch noch die EP "The Lost Ones" mit vier Stücken.
Werner Zettinig (c)
Zu dem Konzeptalbum gehört natürlich auch eine gute Verpackung. Die Fotos, die Bernhard mit weißem, blutbefleckten Hemd zeigen, sind bewusst theatralisch gehalten. Nach seinen Kompositionen für Die Niebelungen und der Arbeit am Theater durfte auch dieses Element einfließen, selbst wenn ihm nahegelegt wurde, sich nicht so weit aus dem Fenster zu lehnen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Bernhard schon längst das Haus verlassen. Dass "Post Breakup Coffee" keine durch und durch deprimierende, düstere und niederschmetternde Platte geworden ist, ist Bernhards ehrlichem Umgang mit all den verschiedenen Gefühlen, die durch eine Trennung an die Oberfläche kommen, zu verdanken. So werden wir mit der "Ode To My Friends" in eine hoffnungsvolle Zukunft entlassen. Die Freunde, die dem oberösterreichischen Musiker zur Seite gestanden sind, umarmen nicht nur ihn, sondern auch uns alle mit einem wundervollen Chor, der diese Platte zu einem schönen Geschenk macht.
So, come on my friend
You are welcome, and
we've always told you that
this is not the end
It's good seeing you again
Enjoying life and when
you need someone to talk
Feel free to let us know again
(Bernhard Eder - "Ode To My Friends")