Erstellt am: 28. 10. 2012 - 13:12 Uhr
Das Elfenbestimmungsbuch
Jacoby&Stuart
Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe oder ein Hexenalmanach - mit diesen Themen hat sich der französische Illustrator Benjamin Lacombe in seiner bisherigen Arbeit schon beschäftigt. Und Elfen oder Feen, sagt er, hat er immer gehasst. Doch sein Kollege Sebastian Perez, mit dem er schon früher zusammengearbeitet hat, wollte unbedingt einmal ein Buch über Elfen machen. Und Lacombe hat bereits über zwanzig Bücher gemacht und es juckte ihn in den Fingern, einmal etwas anderes zu probieren. Also entschloss er sich, sich einem Thema zu widmen, das er eigentlich nicht mochte. Und so entstand Das Elfen-Bestimmungsbuch.
Rasputin muss drin sein
Wenn schon ein Buch über Elfen, dann muss Rasputin darin vorkommen, dachte sich Lacombe, denn er interessiert sich brennend für die historische Figur des Rasputin. Und für die Wissenschaft um 1900, die sich mit Themenbereichen auseinandergesetzt hat, die für uns heute fantastisch erscheinen, insbesondere die okkulten Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
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Aus dieser Mixtur entstand die Geschichte, die im Elfen-Bestimmungsbuch erzählt wird: Der russische Botaniker Alexander Bogdanowitsch wird von Rasputin in den sagenumwobenen Wald von Brocéliande geschickt, um dort ein Unsterblichkeitselixier zu erforschen. Diesen Wald gibt es tatsächlich. Er befindet sich in der Bretagne, westlich von Rennes und ist der Schauplatz einiger magischer Geschehnisse aus dem arturischen Sagenkreis.
Der russische Forscher entdeckt recht bald kleine Kreaturen im Wald, die in Symbiose mit den dort ansässigen Pflanzen leben. Um sie eingehender zu erforschen, fängt er sie ein, untersucht und seziert sie. Er fertigt Zeichnungen von ihnen an und dokumentiert ihre physischen Besonderheiten, als wären sie eine kuriose Pflanzenart, die er da entdeckt hat. Im Original lautet der Titel "L'Herbier des Fées", was insofern treffender ist als "Elfen-Bestimmungsbuch", als dass die Aufzeichnungen, Beschreibungen und Bilder Lacombes denen alter Herbarien ähneln.
Jacoby&Stuart
Ein romantisches Herbarium
Das Elfen-Bestimmungsbuch besteht aber nicht nur aus diesen wissenschaftlichen Aufzeichnungen, sondern auch aus Briefwechseln zwischen Bogdanowitsch und seiner Frau und zwischen ihm und Rasputin, aus Fotos, Zeitungsausschnitten und Tagebucheinträgen. Aus all diesen Fragmenten setzt sich für den/die Leser/in nach und nach eine Geschichte zusammen, an deren Schluss zwei mögliche Enden stehen. Es bleibt mir über zu entscheiden, an welches Ende ich glauben möchte.
Benjamin Lacombes Zeichnungen aus Gouache und Öl sind romantisch. Und zwar romantisch im 19. Jahrhundert-, Edgar Allan Poe-, E.T.A. Hoffmann-Sinn. Seine Bilder sind fantasievoll, fein und unheimlich zugleich. Sie wirken vertraut, als hätte man sie schon hundertmal gesehen und gleichzeitig scheinen sie wie von einer anderen Welt.
Jacoby&Stuart
Es handelt sich nicht um ein Comic und auch nicht um eine Graphic Novel. Lacombes Bilder sind nicht narrativ, sondern sie illustrieren vielmehr den Text oder stehen für sich. Streng genommen ist Das Elfen-Bestimmungsbuch ein Bilderbuch. Besonders erwähnenswert ist dabei allerdings die Aufmachung. Nicht nur die Papierqualität ist hochwertig, manche der Seiten sind milchig, sodass die Bilder dahinter durchscheinen können. Andere Seiten sind teilweise durchgestanzt, wodurch ein feines Blätterwerk entsteht.
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Benjamin Lacombe hat Elfen von kichernden Tinkerbellismen befreit und sie ent-glitzerstaubt. Dafür brauchte es anscheinend einen Elfen-Hasser. Es sind trotzdem immer noch Elfen und was den Coolness-Faktor anbelangt werden Elfen und Feen in der Liste der Fabelwesen niemals an den Wolpertinger heranreichen können. Aber das Elfen-Bestimmungsbuch kann man schön finden, selbst wenn man sonst von Elfen Ausschlag bekommt.