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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

23. 10. 2012 - 18:04

Indie-Odyssee im Weltraum

Das Spiel "FTL- Faster Than Light" macht dich zum Raumschiffkapitän. Interstellares Seemannsgarn ist garantiert.

Der Weltraum - unendliche Weiten. Mit diesen vier Worten verbindet man als gelernter Popkonsument nicht nur Gene Rodenberrys Star Trek-Universum, sondern viel mehr: Die interstellare Raumfahrt, jener alte Menschheitstraum, ist so etwas wie der Wilde Westen der Science Fiction, eine ewige "final frontier", hinter der Abenteuer und das Unbekannte warten. Kein Wunder also, dass auch im Games-Bereich der Traumberuf "Raumschiffkapitän" ganz oben auf der Wunschliste junger und jung gebliebener Spieler steht.

FTL

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In "FTL - Faster Than Light" hat man denn auch das Schicksal eines kleinen Schiffes in den unendlichen Weiten einer fremden Galaxis in Händen und merkt: So einfach, wie das bei Kirk und Picard aussieht, ist das Managen einer fragilen Konservenbüchse mit organischen Passagieren beileibe nicht. "FTL" ist ein Independent-Spiel mit bemerkenswerter Vorgeschichte. Das von einem Zweimannteam verwirklichte "Roguelike-like" war eines der ersten Spiele, die sich durch die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanzieren konnten. Über 200.000 Dollar stellten willige Investoren zur Verfügung, um "FTL" verwirklicht zu sehen, und ihr Vertrauen war gerechtfertigt: "FTL" ist ein origineller und faszinierender Ausflug in die unendlichen Weiten geworden.

Als "Rogue-like" ("ähnlich wie 'Rogue'") bezeichnet man rundenbasierte Strategie-Rollenspiele mit hohem Anteil an zufällig generierten Inhalten und traditionell hohem Schwierigkeitsgrad, etwa "Nethack" oder "Dungeon Crawl". in den letzten Jahren haben aber einige Spiele abseits dieser Nische Elemente aus dem Genpool der Roguelikes erfolgreich weiterverwendet, etwa "Spelunky", "The Binding of Isaak" oder eben "FTL".

Energie!

"FTL" ist zu gleichen Teilen Simulation und Erforschung: Auf der Flucht vor einer bösen Rebellenarmee lotsen wir unser zu Beginn spärlich ausgestattetes Raumschiff Sprung für Sprung durch unbekannte Sektoren. Wie es für Roguelikes typisch ist, spielt der Zufall eine wichtige Rolle. Ob an unserem Zielplaneten feindliche Piraten oder freundliche Händler warten, wird jedes Mal neu erwürfelt. Im pausierbaren Echtzeitkampf gegen aggressive Gegner schließlich gilt es, sein Schiff genau im Auge zu behalten und Energie und Besatzung geschickt zum eigenen Vorteil einzusetzen und wichtige Entscheidungen zu treffen.

Lenke ich die kostbare Reaktorenergie zu den Schilden, um möglichst keine Treffer zu kassieren? Oder riskiere ich Verwundbarkeit, um meine mächtige Ionenkanone in Betrieb zu nehmen? Schicke ich eines meiner kostbaren Besatzungsmitglieder in den Bauch meines Schiffes, um dort hingebeamte Eindringlinge zu bekämpfen? Oder öffne ich einfach die Türen, um den Enterern den Sauerstoff zu entziehen? In Verbindung mit zahlreichen Upgrades und Schiffssystemen ergeben sich laufend neue Optionen und Strategien, die die Kämpfe zu spannenden Adrenalintreibern werden lassen.

Einzige Währung im Weltraum ist Schrott, der nach den Kämpfen eingesammelt oder aber mit etwas Glück auch gefunden werden kann. Upgrades, Reparaturen, neue Crewmitglieder, aber auch schlicht Treibstoff werden mit dem raren Altmetall bezahlt, und so sieht man sich als Kapitän ständig mit dem Abwägen einer Mangelwirtschaft konfrontiert. In Verbindung mit dem traditionell angenehm hohen Schwierigkeitsgrad und zufällig auftauchenden Ereignissen oder Konfrontationen liegt der Reiz von "FTL" so auch im ständigen Balanceakt zwischen risk und reward - ein Spagat, der ungemein motiviert und in Verbindung mit den immer wieder neuen Zufallsbegegnungen das Leben als Raumschiffkapitän stressig, aber auch stets spannend bleiben lässt.

Im Weltall hört dich niemand fluchen

Durch Absolvieren der einfacheren Schwierigkeitsgrade sowie spezieller Missionen lassen sich nach und nach weitere Schiffstypen freispielen, die andere Strategien ermöglichen, doch auch mit zunehmender Spielerfahrung bleibt "FTL" herausfordernd bis unbarmherzig. Das macht aber nichts, denn wie im Genre üblich generieren auch die unheilvollsten Todesfahrten verlässlich unglaubliche Geschichten, die sich durch die Mischung aus Zufallsgenerierung und detaillierter Simulation ergeben: Wer einmal mit letzter Kraft übermächtig erscheinende Schiffe mit seiner letzten Drohne schrottreif geschossen, enternde Piraten abgewehrt und mit dem vorletzten Tropfen Treibstoff den rettenden Sprung zum Händler geschafft hat, nur um dort - Überraschung! - in einen Rebellenhinterhalt zu geraten, hat sich ein Abenteuer erspielt, gegen das die gescripteten Stories vieler anderer Science-Fiction-Spiele alt aussehen.

FTL

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"FTL - Faster Than Light" ist für Windows und Mac zum Download erschienen.

Da ist es nur völlig logisch, dass viele Kapitäne an den diversen digitalen Lagerfeuern in liebevoll ausgestalteten Game-Diaries und "Let's play"-Erzählungen ihr interstellares Seemannsgarn spinnen und immer neue haarsträubende Erlebnisse aus "FTL" präsentieren; für Unentschlossene ist diese Lektüre ein guter Einstieg in die Welt dieses kleinen, aber bemerkenswerten Indie-Abenteuers, das exakt die richtige Portion Masochismus verlangt.

Darum ist es auch eine Indie-Empfehlung: "FTL" schickt seine Spieler in die unendlichen, ganz schön erbarmungslosen Weiten seines Weltraums - und lässt sie mit ihrem ganz eigenen Abenteuer zurückkehren.