Erstellt am: 24. 10. 2012 - 10:52 Uhr
Ein großer Sprung nach vorne
Wenn ich bedenke, wann und wie ich "Demanufacture" von Fear Factory zum ersten Mal gehört habe, müsste ich eigentlich ziemlich viel Asche auf mein Haupt streuen. Die Band war vor diesem 1995 erschienenen Album eigentlich gar nicht auf meinem Radar und der Zufall wollte es damals, dass ich auf deren Konzert in der Szene Wien landete und dabei schlicht und einfach umgeblasen wurde. Allein wegen der beiden Vorbands mit Rap-Metal und Grunge-Verschnitt war ich, damals noch Unwissender, nicht unbedingt vorbereitet auf diese so noch nicht gehörte Mischung aus Death Metal, Techno und Industrial.
![© Fear Factory Fear Factory](../../v2static/storyimages/site/fm4/20121043/ff_band_body.jpg)
Fear Factory
Auf jeden Fall hatte dieses sehr schweißtreibende Konzert voll und ganz seinen Zweck erfüllt, denn der Meilenstein "Demanufacture" ist seitdem nicht mehr aus dem Heiligtum meiner Musiksammlung wegzudenken. Mit "Zweck" meine ich übrigens, dass Mitte der Neunziger ein Konzert tatsächlich eine Plattform zur Präsentation eines neuen Albums war. Heute muss man das wohl eher umgekehrt sehen. Sollte das nun zu sehr nach "Jaja damals..." Schmonz klingen, so möge man es mir unverbesserlichem Nostalgiker bitte nachsehen.
Good bye Hair Metal, good bye Death Metal Purismus
![© Fear Factory Fear Factory - Soul Of A New Machine](../../v2static/storyimages/site/fm4/20121043/ff_soul_body_small.jpg)
Fear Factory
Schon das noch sehr von Death Metal und Grindcore durchsetzte Vorgängeralbum "Soul Of A New Machine" machte klar, dass da im Metal Anfang der Neunziger eine neue Zeit anzubrechen schien. Ausgerechnet eine Band aus Los Angeles wie Fear Factory hatte nichts mit Hair Metal am Hut (was Pantera übrigens nicht von sich behaupten konnten) und in die "Brachial & Grunz"-Schublade wollte sie sich auch nicht stecken lassen. Elemente von Elektronik- und Industrial finden sich schon im Debüt und die Band stach aus der Masse allein schon dadurch heraus, dass Sänger Burton C. Bell sich nicht auf teils unverständliche Growls beschränkte, sondern schon mal auch regelrecht poppig bis beinahe sakral anmutende Gesangslinien zum Besten gab.
![© Fear Factory Fear Factory - Fear Is The Mindkiller](../../v2static/storyimages/site/fm4/20121043/ff_fear_body_small.jpg)
Fear Factory
Die nach dem Debüt folgende Remix EP "Fear Is The Mindkiller" war schon der Anlauf zum gewaltigen Sprung nach vorne, den Fear Factory dann mit "Demanufacture" im Vergleich zum Vorgängeralbum machen sollten. Die Wechsel zwischen Gebrüll und feinsinnigem Gesang hätten extremer nicht sein können, die Elektronik stampfte im Einklang mit Dino Cazares' Gitarre technoid dahin und Raymond Herrera wurde in der Metalwelt als der neue Gott am Schlagzeug gefeiert. Der Mann beherrschte sein Instrument so dermaßen perfekt, dass viele ihm nicht abnehmen wollten, er würde das auf der Bühne tatsächlich live spielen. Ich kann hiermit hoch und heilig versichern, dass eine mir vertraute Person einmal bei einem Konzert hinter ihm auf der Bühne stand und mir versichert hat, dass der Mann diese, einem Maschinengewehr ähnlichen, Schlagzeugsalven auch tatsächlich spielte. Nicht umsonst engagierte ihn übrigens ein nicht ganz unbekannter Spielkonsolenhersteller als offiziellen Spieletester.
Der heimliche Soundtrack zu Terminator 2
Einzelne Songs von "Demanufacture" herauszuheben fällt mir persönlich einigermaßen schwer, speziell da das Album so aus einem Guss ist. "Replica" mag sicher sowas wie ein "Hit" gewesen sein und ist tatsächlich eine Art "Smoke On The Water" des Industrial Metal, das man schon nach nur zwei Sekunden erkennt. Wer aber unbedingt einen Anspieltipp braucht, dem seien hiermit "Self Bias Resistor" und "Body Hammer" wärmstens ans Herz gelegt. Letzterer Song rangiert in meiner persönlichen Hitliste der "best Metal-songs ever" auf jeden Fall unter den besten zehn.
![© Fear Factory Fear Factory - Demanufacture](../../v2static/storyimages/site/fm4/20121043/ff_cover_body.jpg)
Fear Factory
"Demanufacture" ist von der ersten bis zur letzten Sekunde eine absolut präzise und auf den Punkt eingespielte und gut geölte Maschine, die teils etwas unterkühlt klingt. Kein Wunder, dass für viele das Album so etwas wie der inoffizielle Soundtrack zu "Terminator 2" ist, von dem sich auch ein paar Samples im Album finden. Andererseits aber mutet das alles keineswegs künstlich, oder gar digital per Mausklick bis zum Erbrechen perfektioniert, an, auch wenn Produzent Colin Richardson da mit Sicherheit auch einiges an kundiger Hand angelegt hat. Trotz all der Elektronik und Techno-Anleihen hört sich das Album an, als hätte die Band es einfach live im Studio eingespielt und davor jede einzelne Note perfekt einstudiert. Auf jeden Fall scheinen da vier hervorragende Musiker am Werk gewesen zu sein, die ihr Handwerk beherrschen, ohne sich selbst dabei peinlich in den Vordergrund zu stellen. Gitarren- oder andere Soli? Fehlanzeige.
Natürlich mag das von der perfekten Band eine Illusion sein und zugegebenermaßen gebe ich mich solchen Illusionen gerne hin, selbst wenn manche Fakten hinter den Kulissen diese zu zerstören drohen. Schon damals scheint im Hause Fear Factory nicht mehr alles in Ordnung gewesen zu sein, denn der damals neu hinzugekommenen Bassist Christian Olde Wolbers durfte im Studio fast nichts einspielen. Stattdessen übernahm Gitarrist Dino Cazares dessen Part.
Ridley Scott war schlauer
Was die Band mit diesem Album geleistet hat, soll durch solcherlei Hintergrundtheater trotzdem nicht geschmälert werden, denn mit "Demanufacture" hatten Fear Factory wesentlichen Anteil daran, dem Metal in den Neunzigern den Weg in eine neue Richtung zu ebnen. Ich wage sogar frech einen Vergleich mit einem Film wie "Blade Runner", der nach 30 Jahren so manchen Science Fiction Blockbuster von heute noch locker in die Tasche steckt. Ok, "Demanufacture" muss bis zum 30er zwar noch 13 Jahre durchhalten, trotzdem sehe ich es ähnlich. So manche schwermetallische Neuveröffentlichung klingt dagegen so altbacken wie diverse Science Fiction Blockbuster im Vergleich zu Ridley Scotts Meisterwerk. Immerhin war der aber schlauer, denn der hat sein Meisterwerk niemals selbst kopiert. Fear Factory hätten sich daran ein Beispiel nehmen sollen und über das letzte Album der Band soll hiermit sowieso der Mantel des Schweigens gelegt werden. Dass "Demanufacture" ein wichtiger Metal-Meilenstein ist, können nicht einmal Fear Factory ändern, indem sie noch heute davon Replicas (sic!) produzieren.
"Demanufacture" gibt es am Mittwoch, den 24.10. ab 22 Uhr im House of Pain Ihres Vertrauens in voller Länge zu hören. Und ab Donnerstag zum Nachhören.