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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

21. 10. 2012 - 16:19

Wie wir leben können?

Der Song zum Sonntag: Young Fathers - Deadline

Schon die ersten harschen Trommelschläge verheißen, dass es hier in musikalischer Hinsicht wohl nicht um den butterweichen Groove gehen wird. Der Beat, der die aktuelle Single der Young Fathers namens "Deadline" eröffnet und tatsächlich einer waschechten, mit den Händen angreifbaren Bassdrum und nicht einer Maschine entsprungen ist, scheppert hart und kalt. Es ist ein brutales Leben, man wartet nur darauf, dass das Stück, das auch die aktuelle EP der Young Fathers eröffnet, unter großem Ächzen und Klirren auseinanderbricht.

Young Fathers

Young Fathers

Young Fathers

Der Song zum Sonntag auf FM4 in Kooperation mit der Presse am Sonntag.

Die Young Fathers stehen mit ihrer nicht einmal zwanzig Minuten langen Platte "Tape One" und vor allem dem Begrüßungstrack "Deadline" ziemlich weit draußen, außerhalb der diversen Vorstellungen, die man so von dem weiten System "HipHop" haben kann. Die Young Fathers sind drei junge Männer aus Edinburgh, die Wurzeln in Nigeria und Liberia in ihren Biografien führen und sich hier ein Rap/Pop/Indie-Amalgam zusammenmurmeln, -singen und -produzieren, das weder Glitz noch Hipster ist. Es ist nicht Trap und nicht Emo. Man kann sich da vielleicht am ehesten an den ausufernden Soundentwurf von Shabazz Palaces erinnert fühlen - jedoch wenn der sein überirdisches Album "Black Up" nicht in einem gigantischen Spaceship mit vielen bunten Lichtern aufgenommen hätte, sondern in der Besenkammer an Schrottequipment runterdestilliert, entschlackt und zusammengetackert. In der Wohnung der Eltern, wo man natürlich noch wohnt.

Auf einer von vorne bis hinten großartigen EP, die einen mal finsteren, mal langweiligen, meistens bloß so irgendwie mittel Alltag in mulmig machende Elektronik, Zischen und Brummen übersetzt, dann aber wieder Platz hat für den süßlichen, hoffnungbringenden Flow der Stimmen der Young Fathers, ist das Eröffnungsstück "Deadline" vielleicht das beste. Und es dürfte wohl auch ein Signature-Song des Trios werden.

Über das Unwirsche in der Musik - es gibt auch das schmerzliche Jaulen einer Sirene zu hören - legen die Young Fathers in diesem gerade einmal zwei Minuten langen Song einen freundlich leiernden Singsang, der in knappen Worten die Pitfalls des (hier noch bloß herbeiimaginierten) Rap-Biz verhandelt und mit dem echten Leben, in dem man eben noch trübe herumsitzt, abgleicht. "Waiting to be rich, rip it to pieces / What do we sing now? Close to the deadline" - so fängt das Stück gleich an. Der zweite und letzte Teil von "Deadline" besteht aus dem wieder und wieder wiederholten Chant "Don't you turn my home against me/even if my house is empty" und stellt so wieder einmal - sicherlich auch angesichts der Lebensläufe der Young Fathers selbst - die Frage: Was ist denn das - Heimat, Zuhause?