Erstellt am: 21. 10. 2012 - 12:20 Uhr
"Retromania"
Lesetour
Simon Reynolds spricht heute abend im phil in Wien und morgen im alten Schl8hof in Wels über den Themenkomplex "Retromania".
Die Popmusik dieser Tage sei zu sehr mit der Popmusik der Vergangenheit beschäftigt, so lautet der Vorwurf des britischen Musikkritikers und Autors Simon Reynolds. Sein kontroversielles Buch zum Thema ist unter dem Titel "Retromania - Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann" nun auch auf Deutsch erschienen.
Manifeste Retroschleifen
Das schrieb Christian Lehner bei Erscheinen der englischen Version über das Buch:
Die Innovation wanderte ab ins Internet, in die Distribution von Musik, ins Sharing, ins Blogging, in den Mash-Up, in die Globalisierung und Ethnisierung sowie die Ausdifferenzierung von Hörgewohnheiten. Der seltsame Effekt dabei: Alles rundherum wurde schneller, nur die Popmusik und ihre Genrespielarten, die wurden immer schwerfälliger.
Faber and faber
Das Achtziger-Revival dauerte länger als das Bezugsjahrzehnt und die Clubmusiken veränderten sich kaum noch. Das "Neue" schien vom Netz richtiggehend absorbiert und gebannt, während die digitalen Archive die Ausbeutung so ziemlich aller vergangener Pop-Perioden begünstigte. Dazu kam die Post-9/11-Ernsthaftigkeit, die der Ironie, bis dahin wenigstens noch ein verlässlicher Anzeiger des Zitats, den Gar ausmachte. Parallel dazu versickerte mit der zunehmenden Verflüssigung von Popmusik ihre gesellschaftliche Wirkungsmacht.
Autoren mit der selten gewordenen Neigung zum Popdiskurs sprechen daher im Zusammenhang mit den manifesten Retroschleifen des aktuellen Pop von ahistorischem post-empire Gemenge, das zu einer Art Diktion geworden wäre im Vergleich zum Retro früherer Tage, der entweder befruchtend wirkte oder langfristig durch das Abtauchen in isolierte Subkulturen unbedeutend wurde.
Pop scheint demnach gefangen in der Retrofschleife. Retro ist der Sound des Now.
Zum Weiterlesen:
Christian Lehner über Reynolds, Retro und Pop. Dann hat er Simon Reynolds auch getroffen und eine Liste von Bands zusammengestellt, auf die das prädikat "Retromanie" zutreffen würde. Robert Rotifer hat unter dem Titel "Die Verweigerung des Upgrade" eine Replik auf Simon Reynolds Retromania verfasst.